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ADB:Ranke, Karl Ferdinand

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Artikel „Ranke, Ferdinand“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 240–242, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ranke,_Karl_Ferdinand&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 17:25 Uhr UTC)
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Ranke: Karl Ferdinand R., Philologe und Schulmann, 1802–1876. Er war als der Sohn eines Justizcommissarius in Wiehe am 26. Mai 1802 geboren, das vierte unter sieben Kindern, der dritte unter fünf Söhnen, deren ältester Leopold R. war. Wie die zwei älteren Brüder erhielt er seine Schulbildung in Pforta, wo auch ihn ein Freund des Hauses, der geistliche Inspector John, unter seine besondere Obhut nahm. Michaelis 1814 trat er hier ein und blieb – besonders um des vornehmlich auf ihn wirkenden Prof. Neue willen – 6½ Jahre bis Ostern 1821 Alumnus, während eines ganzen Jahres als primus omnium in besonderem Ansehen unter seinen Mitschülern. Seiner Dankbarkeit gegen die Pflegestätte seiner Jugend hat er noch als Greis in einer sehr lesenswerthen Schrift „Rückerinnerungen an Schulpforta“ 1874 Ausdruck gegeben; dieselbe hat als quellenmäßiger Bericht über die damals durch die neue preußische Verwaltung vollzogene Umgestaltung der Schulpforta dauernden Werth. – Ostern 1821 bezog R. die Universität in Halle, um dort Philologie und Theologie zu studiren und schloß sich hier besonders an die ihm freundlich entgegenkommenden Professoren Aug. Seidler und Karl Reisig an. Durch diese, welche beide Schüler G. Hermann’s waren, wurden Ranke’s Studien fast ausschließlich auf Kritik und Grammatik gelenkt; erst später hat er auch den sachlichen Seiten der Alterthumswissenschaft sich zugewendet. Nachdem er im Juni 1824 die Lehramtsprüfung abgelegt, wurde er zunächst Lehrer an den Francke’schen Stiftungen in Halle, aber bereits im Januar 1825 als erster Collaborator an das Gymnasium in Quedlinburg berufen und hier schon im folgenden Jahre, nachdem er inzwischen das dazu erforderliche theologische Examen pro licentia concionandi vor dem Consistorium in Magdeburg bestanden hatte, zum Oberlehrer und Subrector, bald darauf zum Conrector befördert. Die Verbindung einer wenn auch nur beschränkten geistlichen Thätigkeit mit der schulmännischen war ihm während seines ganzen Lebens von besonderem Werthe, wie er überhaupt auf die religiöse Seite der Jugenderziehung immer besonderen Nachdruck legte; die Quedlinburger „Schulpredigten“ bildeten den Anfang seiner Wirksamkeit auf der Kanzel, welche erst im J. 1872 mit einer Gastpredigt in seinem Heimathstädtchen ihren Abschluß fand. – Bereits 1831 wurde R. zum königlichen Director des Quedlinburger Gymnasiums ernannt und damit vor die Aufgabe gestellt, eine „innerlich wie äußerlich mit vielen Mängeln behaftete“ Anstalt umzugestalten. Er war dazu um so mehr geeignet, als er bereits fast in allen [241] Fächern, sogar in Naturgeschichte, hatte unterrichten müssen, ihm auch die Zustände der Anstalt durch eigene Erfahrung sattsam bekannt waren. Mit rastlosem Eifer griff er die neue Aufgabe an; der Uebergang vom Fach- zum Classensystem wurde gemacht und die hierdurch bedingte völlige Umgestaltung des ganzen Unterrichtsbetriebes durchgeführt, schneller und hastiger vielleicht, als wünschenswerth war. Denn bei aller Anerkennung seiner hervorragenden Begabung fand man doch, daß sein „Streben zu unruhig und wechselvoll“ war, und namentlich fanden es schon damals, wie auch später, „die jungen Lehrer, denen er große Aufmerksamkeit und Theilnahme widmete, schwer, sich über seine Forderungen an sie ein festes Urtheil zu bilden, zumal er eine öftere Veränderung des Verfahrens sogar wünschte“. Neben seiner begeisterten schulmännischen Thätigkeit ging umfangreiche wissenschaftliche Arbeit her; die Abhandlungen „De Cornelii Nepotis vita et scriptis“ (1829), die „Vita Aristophanis“ in der Ausgabe dieses Dichters von B. Thiersch (1830), „De lexici Hesychiani vera origine et genuina forma“ (1831), „Pollux et Lucianus“ (1832) u. A. fanden verdiente Anerkennung und gaben den Anlaß, daß die philosophische Facultät zu Halle ihm 1834 die Doctorwürde honoris causa übertrug.

Die Erfolge seines amtlichen Wirkens waren auch in weiteren Kreisen bekannt geworden und hatten namentlich auch die Aufmerksamkeit des hannoverschen Oberschulrathes Kohlrausch erregt. Im J. 1836 veranlaßte dieser Ranke’s Berufung in das Directorat des Gymnasiums in Göttingen als Nachfolger von Aug. Grotefend; Ostern 1837 trat R. das neue Amt an und übernahm damit zunächst die Vollendung der Aufgabe, aus welcher Grotefend durch seinen frühen Tod abberufen war, der Neugestaltung der sehr herabgekommenen Schule. Schon im folgenden Jahre zum Mitgliede der Prüfungscommission für Gymnasiallehrer ernannt, begründete er 1839 das noch jetzt im Anschlusse an das Gymnasium bestehende pädagogische Seminar zur praktischen Ausbildung der jungen Lehrer, und erwarb sich damit ein dauerndes Verdienst um den ganzen hannoverschen Gymnasiallehrerstand. Im J. 1841 wurde er zugleich zum ordentlichen Professor an der Göttinger Universität ernannt, doch mußte seine nur ein Jahr dauernde akademische Thätigkeit von geringem Umfange sein, da die Schulpflichten seine Kraft reichlich in Anspruch nahmen. Er blieb jedoch auch nach seinem Scheiden von Göttingen in steter Verbindung mit der Georgia Augusta, deren theologische Facultät ihn auch später bei Gelegenheit seines Amtsjubiläums zum Dr. theol. ernannte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten aus der Göttinger Zeit beschränkten sich auf einige Abhandlungen über Hesiod („De operibus et diebus“ 1838; „Scutum Herculis“ 1840), und eine geschichtliche Arbeit: „Historische Studien“ 1840; eine von ihm übernommene Biographie Otfried Müller’s kam nicht in dem geplanten Umfange zur Ausführung. – Die Göttinger Wirksamkeit Ranke’s hat im Ganzen nur fünf Jahre gedauert; bereits 1842 berief ihn der preußische Minister Eichhorn nach Berlin an die Spitze des königl. Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums und der mit diesem verbundenen Anstalten. Die Aufgaben, welche dieses neue Amt an ihn stellte, waren überaus große und umfangreiche; neben dem großen Gymnasium waren ihm auch die königliche Realschule, die Elisabeth-Töchterschule und eine Vorschule unterstellt. Nicht erleichtert wurde seine Aufgabe durch den Umstand, daß sein Vorgänger Spilleke ein Mann von kraftvollster Entschiedenheit gewesen war, der alle ihm entgegentretenden Schwierigkeiten durch die Macht seiner Persönlichkeit überwunden hatte, während Ranke’s Natur mehr weich und versöhnlich, als zu durchgreifender Entschlossenheit geneigt war. Doch gelang es der milden Freundlichkeit seines Wesens bald, bei Lehrern und Schülern sichern Boden zu gewinnen und auch in weiteren Kreisen Berlins Anerkennung [242] zu finden. Die immer steigende Blüthe der vereinigten Anstalten bewies, welche treue Sorgfalt er den verschiedenen Aufgaben seines Amtes widmete; seine große Rührigkeit und Vielseitigkeit machte es ihm möglich, den oft widerstreitenden Anforderungen der einzelnen Anstalten gerecht zu werden. Die Heranbildung der jungen Lehrer blieb auch in Berlin eine seiner Hauptaufgaben; jede neue Erscheinung auf dem Gebiete der Methodik pflegte er zu beachten, oft auch praktisch zu erproben oder durch seine jüngeren Mitarbeiter erproben zu lassen. Ein besonderes Verdienst erwarb er sich durch die Förderung des Turnens in Berlin; die Turnplätze in der Hasenheide sind den unter ihm vereinigten Anstalten durch ihn gewonnen worden. – Zu wissenschaftlichen Arbeiten ließen die Aufgaben des Berliner Amtes kaum noch Zeit; außer einer Abhandlung über die Wolken des Aristophanes (1844) und der Begrüßungsschrift zur Berliner Philologenversammlung von 1850 („De Xenophontis vita et scriptis“) hat er größere Arbeiten nicht mehr veröffentlicht. Er starb in Berlin am 29. März 1876.

G. Kießling, Gedächtnis-Rede auf Ferdinand Ranke, in der Zeitschrift für Gymnasialwesen, 1876, S. 638–656. – Die Nachrufe in den Jahresberichten der unter Ranke’s Leitung vereinigten oben genannten Anstalten, namentlich der ausführliche Nekrolog im Programm des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums von 1877, S. 42–47.