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ADB:Reger, Philipp Salomon

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Artikel „Reger, Philipp Salomon“ von Paul Schlenther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 758–760, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reger,_Philipp_Salomon&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 23:03 Uhr UTC)
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Reger *): Philipp Salomon R., Schauspieler, geboren 1804 zu Straßburg i. E., † am 22. Februar 1857 zu Berlin. Sein Vater war Baßsänger und zog den stimmbegabten Knaben frühzeitig zu kleinen Singpartien (z. B. für den Genius in der Zauberflöte) auf die Bühne. Als der Vater am Mannheimer Theater ein dauerhafteres Unterkommen fand, wurde der junge R. in die [759] dortige Balletschule gethan, der er 1821, nach Höherem strebend, heimlich entlief. Schon in Speier fand er für seinen Thätigkeitsdrang eine Aufgabe: er trat dort als Schusterle in den „Räubern“ auf. Dann durchzog er etliche badische Städte, ging rheinabwärts nach Köln und Aachen, wo er jedoch über bescheidene Verwendung für Operetten und kleine Schauspielrollen nicht hinauskam. Das änderte sich auch auf der verunglückten Gastreise nicht, welche die Aachener Truppe 1829 und 1830 nach Paris unternahm. Erst in Düsseldorf gelangte R. auf seine Höhe. Karl Immermann, der 1832 die Leitung der dortigen Bühne übernommen hatte und sie zu einer kurzen Blüthe führte, nannte ihn seinen gelehrigsten Schüler. R. spielte für ein Monatsgehalt von 40 Thalern Intriguanten, Väter und Charakterrollen. Wegen seiner hingebenden und verständnißvollen Strebsamkeit wird er im Vergleich zu anderen, widerspenstigen Genossen von dem strengen Lehrmeister gelobt, auf dessen Anregung hin ihn der Theaterverein zum Regisseur des Schauspiels ernannte. Eine der wichtigsten „Musteraufführungen“ unter Immermann’s Leitung, Kleist’s „Prinz von Homburg“ ging auf Reger’s Veranlassung in Scene und er sprach im Charakter des Kottwitz den Epilog. Für Abhülfe radicaler Uebelstände zog Immermann vornehmlich R. zu Rath. Dieser sorgte nachdrücklich für das gute Verhalten auch der andern Mitglieder, stimmte für Einführung gesetzlicher Strafen und erhielt für sein bewährtes und erfolgreiches Streben 1833 eine Prämie von 60 Thalern. Ueber seine schauspielerischen Leistungen müssen wir uns auf das vielleicht etwas parteiische Urtheil seines Meisters verlassen. Darnach hätte er beispielsweise den König Fez in Calderon’s „Standhaftem Prinzen“ vollständig in Calderonschem Geiste dargestellt und durch lebendiges Spiel über die Schwächen des fünften Actes hinweggeholfen; Immermann’s Vorliebe für das Oratorische scheint aus dieser Reger’schen Leistung noch stark ersichtlich gewesen zu sein. Besondere Mühe hatte sich der Meister mit dem Marinelli gegeben. „Freudig bekenne ich“, schreibt ihm der dankbare Schüler, „daß nur Ihr Geist, Ihre erhabene Ansicht von der Kunst mich begeisterte, wenn ich je das Glück habe, es über das Gewöhnliche eines Darstellers zu bringen.“ Trotz dem guten Einvernehmen verließ R. schon 1834 die damalige hohe Schule der deutschen Schauspielkunst. Er ging nach Mainz und von dort mit dem Director Haacke nach Breslau. Aber auch hier war seines Bleibens nicht und 1836 ist er bereits wieder in Düsseldorf, wo er den widerborstigen und gedächtnißschwachen Henckel als Intriguant ersetzen sollte. Doch obzwar Immermann sich nach wie vor lebhaft mit dem Künstler beschäftigte, kam es niemals wieder zu dem alten intimen Verkehr. Reger’s Shylock ist noch Immermann’s Werk, er spielt ihn ernst, nicht jüdelnd, wie er für „beschränkte“ Talente passe. Von seinem Jago ist Immermann entzückt: „er gab eine Mischung von Grazie, Schalkhaftigkeit und Abandon im Bösen; er wußte so mannichfach hinzuhorchen, anzukippen, für sich hinzuschwatzen, was den andern wüthend machen sollte, die Maske der Treuherzigkeit so leicht seinem eigentlichen Gesichte aufzuprägen, daß er mich wirklich entzückte und manchen üblen Eindruck, den sein bisheriges Verhalten mir gemacht hatte, auslöschte.“ Ungern sah es beispielsweise Immermann, daß sein Zögling, dem er auch litterarischen Geschmack glaubte beigebracht zu haben, sich zum Benefiz den „Glöckner von Notre-Dame“ wählte. Und als R. am 21. December 1836 einen alten pedantischen Lustspielprofessor gespielt hatte, fühlte Immermann sich zu einer langen und lauten Klage über ihn gedrängt. Hatte er ihn früher als Muster hingestellt, so fürchtete er jetzt das böse Beispiel „seines Verwilderten“. Die Verwilderung bestand wesentlich darin, daß R. von Immermann’s Vorliebe für die Leseproben zurückgekommen war und schlecht vorbereitet sich zu diesen einfand. Er stellte dem sorgfältigen und gleichmäßigen Studium, das der Meister forderte, sein Vertrauen auf die Inspiration des Abends entgegen, [760] kurz, er schien sich als Genie zu fühlen, das der Schule spottete. Der Schulzwang machte ihn vollends unlustig, und er legte sich aufs Extemporiren. An seinem Bizet im „Pariser Taugenichts“ findet Immermann scharf zu tadeln, daß er die beiden letzten Aufzüge auf dem „Prokrustesbette seiner Extemporisationen“ dehnte. Als sich die Beiden 1837 trennten, war auch der ganze schöne Düsseldorfer Theatertraum zerstoben. Immermann zog sich an seinen Amtstisch und in seine Dichterstube zurück, R. ging nach Leipzig, wo er bis 1844 als eine Hauptstütze der Ringelhardt’schen Direction verblieb. Hier schloß er brüderliche Freundschaft nicht bloß mit Düringer, dem späteren Director des Berliner Hofschauspiels, sondern auch mit dem unglücklichen Tonmeister Albert Lortzing (s. A. D. B. XIX, 203), der gleichfalls als Schauspieler in Leipzig wirkte. Als am 23. Juni 1840 das 400jährige Jubiläum der Buchdruckerkunst in Leipzig begangen wurde, hatte Lortzing eine Festoper „Hans Sachs“ componirt, deren Text nach einem Deinhardstein’schen Lustspiel im wesentlichen von R. herstammt. Auch den Text des Liedes aus „Czar und Zimmermann“, „Einst spielt’ ich mit Scepter, mit Krone“, schreiben Einige R. zu, der mit seiner poetischen Erfindungsgabe den Freund oft unterstützte. Als die Direction des Leipziger Theaters zu dessen Nachtheile von Ringelhardt auf Dr. Schmidt überging, sah sich R. nach einer Veränderung um. Er schloß einen Vertrag mit Mannheim, wohin Düringer ihm vorausgegangen war, trat ihn aber nicht an und mußte dafür eine beträchtliche Conventionalstrafe entrichten. Statt dessen ging er an Stelle Julius Weidner’s nach Frankfurt a. M. Am 16. Mai 1844 reiste er von Leipzig ab. Lortzing stand mit den Seinen an der Chaussée und „sie blicken“, wie Lortzing an Düringer schreibt, „mit Thränen einer Staubwolke nach – die langsam verschwand; denn der Wagen mit starker Familie und schwerem Gepäck wälzte sich langsam nach Lindenau“. In Frankfurt blieb er elf Jahre und erwarb sich in hohem Grade die Gunst des Publicums, das schon in Düsseldorf und später auch in Berlin mehr mit seinen Leistungen einverstanden war, als die fachmäßige Kritik. Es gereichte ihm gar nicht zum Heile, daß er auf Veranlassung Düringer’s seinen sicheren Wirkungskreis mit dem Berliner kgl. Schauspielhause vertauschte, wo er zum ersten Male am 25. August 1855 und zwar als Kreon in der Sophokleischen „Antigone“ auftrat. Gubitz vermißte in der Vossischen Zeitung den „trefflichen Rott“ für diese schwere Rolle und erkennt mit kühler Zurückhaltung an, daß Reger’s Mittel der Aufgabe zusagen und daß der Vortrag verständnißvoll war. Auch Reger’s Wachtmeister in „Minna von Barnhelm“ erwärmt den Kritiker nicht viel stärker: „Gestaltung und Stimmgehalt bezeichneten einen Wachtmeister recht treffend; die Rede hatte im Ton verständigen und gemüthlichen Wechsel, doch war dieser für den warmlebenden schlichten Mann mitunter etwas gesucht.“ Den Klosterbruder in „Nathan dem Weisen“ hat R. nach dem Urtheil desselben Kritikers zu einförmig im gedämpften Ton gehalten und den Eindruck des Erzwungenen nie ganz verwischen können. Sein mehr für das bürgerliche Element als für ideales Pathos zugerichtetes Talent fühlte sich in Berlin nicht wohl, und schon hatte 11/2 Jahre später R. den Plan gefaßt, nach Frankfurt zurückzukehren, als den 53jährigen Mann ein tödtlicher Schlagfluß ereilte. Er hinterließ seiner Wittwe acht Kinder.

Blum-Herloßsohn-Marggraf, Allg. Theater-Lexikon, VI, Altenburg-Leipzig 1846. – Ph. Düringer, Albert Lortzing, sein Leben und Wirken, Leipzig 1851. – E. Kneschke, Zur Geschichte des Theaters und der Musik in Leipzig, S. 120 ff., Leipzig 1864. – R. Fellner, Gesch. einer deutschen Musterbühne, Stuttgart 1888. – Privatmittheilung von Alwill Raeder.

[758] *) Zu S. 552.


WS: Die Seiten 761 bis 764 enthalten ein „Verzeichniß der im 27. Bande der Allgem. Deutschen Biographie enthaltenen Artikel“, das hier jedoch nicht transkribiert wird.

Vgl. die Fußnote auf S. 761: „Uns ist vielfach und noch kürzlich wieder der Wunsch ausgesprochen, es möchten den einzelnen Bänden der Allg. Deutschen Biographie Verzeichnisse der darin enthaltenen Artikel beigegeben werden. Von Anfang an ist dies nicht geschehen, weil wir meinten, die alphabetische Ordnung des Werkes könne den Bedürfnissen des Nachschlagens genügen, bis im letzten Bande das in Aussicht genommene Generalregister gedruckt sei. Die Erfahrung lehrt indessen, das dem in mancher Hinsicht, namentlich auch um der leider so zahlreichen Nachträge willen nicht so ist. Wir werden also den ferneren Bänden jedesmal ein Register beigeben und haben in das obige erste zugleich sämmtliche bisher als Nachträge gedruckten Artikel mit aufgenommen. Wo bei Angabe der Seitenzahl eine (römische) Bandzahl nicht beigefügt ist, bezieht sich die angeführte auf vorliegenden 27. Band.

Die Redaction.