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ADB:Rehlingen, Bernhard

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Artikel „Rehlingen, Bernhard von“ von Wilhelm Vogt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 597–600, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rehlingen,_Bernhard&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 18:30 Uhr UTC)
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Rehlingen: Bernhard v. R. (in Urkunden auch Rechlinger und Rhelinger geschrieben) entstammt einem sehr alten, ursprünglich nicht in Augsburg angesessenen Geschlecht, das zum bairischen Adel gehörte und auf Scherneck (Bez.-A. Aichach, auch Rehling liegt in der Nähe) seinen Sitz hatte. Der erste dieses Stammes, welcher genannt wird, soll bereits zur Zeit König Heinrich I. gelebt haben. Von seinen Nachkommen scheint besonders Berthold mit den bairischen Herzögen Rudolph und Ludwig, dem nachmaligen Kaiser, in enger Beziehung gestanden zu sein: sie benützten ihn als Theidinger und Urkundsperson vielfach. Des Berthold Bruder Grimoald kaufte sich als Bürger in die Stadt [598] Augsburg ein und verpflanzte so diese vermögliche Familie unter das Patriciat der schwäbischen Reichsstadt. Im Laufe der Zeiten theilte sie sich in verschiedene Linien, von denen die von Hainhofen, von Leder, von Haldenberg angeführt seien. Die Familie, welche sehr zahlreich war, hat viele im Gemeinwesen, in kirchlichen und militärischen Stellungen thätige Männer hervorgebracht. In der Reformationszeit trat ein Theil zur neuen Kirche über, unter ihnen verdient der aufrichtige Anhänger Luthers, Ulrich R., hervorgehoben zu werden, der in den bewegten Jahren 1521–1535 achtmal die Stelle eines Bürgermeisters der Stadt inne hatte. Auch in andere Reichsstädte verzogen sich Glieder der Familie R.; wir finden solche in Nürnberg, wo sie ebenfalls zum Patriciat gerechnet wurden, und in Ulm. In kirchlichen Aemtern nennen wir Konrad, Bischof von Regensburg, † 1437, und Julius Heinrich, welcher im J. 1724 zum Propst und Fürsten des Stiftes Berchtesgaden erwählt wurde; auch mehrere Aebtissinnen hat die Familie aufzuweisen. Viele R. widmeten sich dem Kriegsdienst der habsburgischen Kaiser; aber auch unter Gustav Adolph, König von Schweden, diente ein R., Marx mit Namen, im schwedischen Heere und stand bei dem König in hohem Ansehen, während Ferdinand R. sich in den vielen Seekriegen, welche Ludwig XIV. mit England und Holland führte, durch seine tapfern Thaten so hervorthat, daß er von dem König mit den höchsten Ehren ausgezeichnet und zum französischen Viceadmiral ernannt wurde. – Bernhard v. R. hat sich in den schweren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges um seine Vaterstadt Augsburg unleugbare Verdienste erworben. Durch seine Geschäftstüchtigkeit und pflichttreue Amtsführung hat er viel Gutes gestiftet, durch seine Gerechtigkeitsliebe viel Böses verhindert, vor allem jene äußerste Gefahr abgewendet, daß die Reichsstadt Augsburg eine Beute der nach ihrem Vermögen lüsternen Jesuiten wurde. Bernhard wurde am 9. November 1563 geboten, studirte die Rechte und trat in den Dienst seiner Vaterstadt. 1589 wurde er in den Rath gewählt, und von demselben zuerst in das Steueramt und hernach (1593–1611) in das Bauamt gesetzt. An den gesetzgeberischen Arbeiten (Polizei-, Hochzeitsordnung u. a.) nahm er in hervorragender Weise thätigen Antheil, indem er die Verabfassung solcher Gesetze durch gründliches Studium der Urkunden und Acten vorbereitete und mit Umsicht ausführte. Während er mit dem noch kunstsinnigeren und in dieser Richtung verdienstvolleren Matthäus Welser das Bauamt führte, vollzog sich jene Verschönerung der Stadt, welche ihr in der Kunstgeschichte so viel Ruhm gebracht hat: es entstanden die herrlichen Brunnen (Augustus-, Herkules-, Merkurbrunnen), welche durch hervorragende Künstler, wie Adrian van Vries und Hubert Gerhard ausgeführt wurden, und der berühmte Baumeister Elias Holl baute nicht nur das Zeughaus, das Bäckerhaus und vor Allem den Prachtbau des Rathhauses, sondern er drückte der ganzen Stadt den Stempel seines Genies d. i. der Spätrenaissance auf, den sie heute noch trägt. Als freilich das Elend des Dreißigjährigen Krieges über Deutschland hereinbrach, hörte auch in Augsburg diese schaffensfrohe Zeit auf; sogar Noth und Drangsal schwerster Art kam über die Stadt Dank der trübseligen Politik des Kaisers. Unter diesen Umständen war das öffentliche Amt keine leichte Aufgabe. Bernhard R. aber hielt nicht bloß treu auf seinem Posten aus, sondern suchte durch Umsicht und Gerechtigkeit die hereinbrechenden Uebel zu mildern und zu vermindern, so gut er konnte. So beugte er als Vorsteher des Steueramtes drohender Hungersnoth durch rechtzeitigen Aufkauf von Getreide vor, so setzte er mit Elias Holl die Stadt in den bestmöglichen Vertheidigungszustand. Seit 1623 begleitet er mit dem zaghafteren Hieronymus Imhof das oberste Amt eines Stadtpflegers; damit beginnt für ihn die schwerste Zeit. Obwol selbst der katholischen Kirche angehörig, konnte er keineswegs die von den Jesuiten ersonnenen Pläne billigen, [599] welche nicht allein darauf hinausliefen, die evangelische Kirche in Augsburg auszurotten, sondern auch womöglich die Reichsstadt den Händen des Bischofs Heinrich V. (1598–1646) auszuliefern. In Augsburg sollte die Probe gemacht werden, wie in Deutschland die Restitution und die Gegenreformation am besten durchgeführt werden könne. Der fanatische Bischof wurde am kaiserlichen Hof auf das nachdrücklichste von dem Beichtvater des Kaisers, dem bekannten Jesuiten Lämmermann (Lamormain), unterstützt: er klagte zunächst über Bedrückung und Beraubung der Katholiken, eine rein erdichtete Beschuldigung. Zunächst erschien eine kaiserliche Commission, welche beweisen sollte, was nicht zu beweisen war, und auch die letzte Absicht des Kaisers wenigstens den Stadtpflegern nicht verschwieg. Diese freilich, und besonders Bernhard R., waren in keinem Wege zu einem gegen ihre Mitbürger gerichteten Verfahren zu bewegen. Aber während sie durch eine Gesandtschaft nach Wien das Unglück abzuwehren suchten, arbeitete der hinterlistige Rector des Jesuitencollegiums in Augsburg, Conr. Reihing, mit allen Mitteln der List und Einschüchterung dahin, dem evangelischen Theil der Bürgerschaft Alles zu nehmen. R. leistete energischen Widerstand, aber die Gewalt des Kaisers kam den jesuitischen Absichten zu Hülfe. Zunächst wurden alle Evangelischen aus dem Rath ausgeschlossen, und die beiden Stadtpfleger mit der Durchführung des Restitutionsedictes in der Stadt beauftragt. Während sie nun vergeblich bestrebt waren, die Strenge desselben zu mildern, drängte die Jesuitenpartei, mit dem Bischof an der Spitze, auf die rücksichtsloseste Durchführung derselben. Bernhard R. konnte manches nicht verhindern, was er gerne verhindert hätte: weder die Bitten der Bürgerschaft, noch fürstliche Fürsprache waren im Stande, den kaiserlichen Willen zu beugen. Es wurden den Evangelischen die Kirchen genommen, ihre Prediger aus der Stadt verwiesen und die geistlichen Güter eingezogen. Um die Sache gründlich auszuführen, erschien sogar der kaiserliche Beichtvater in Augsburg. In keinem öffentlichen Amt mehr wurde ein Protestant geduldet (auch Elias Holl wurde seines Dienstes entlassen), sogar unanfechtbare Stiftungen den Evangelischen entrissen. Die Truppen der Gegenreformation, neben den Jesuiten die Carmeliter und Franciscaner, zogen ein, erhoben Ansprüche und suchten sich festzusetzen. Bernhard R. schwieg wenigstens nicht zu den Gewaltthaten, die er nicht aufzuhalten vermochte. Aber es war schon ein Verdienst, daß er seine Stelle keinem gefügigen Werkzeug der Jesuiten überließ. Unterdessen nahte Gustav Adolph auf seinem Siegeszug der bedrängten Reichsstadt 1632. Der König setzte nun seinerseits den katholischen Rath ab, auch Bernhard v. R. wurde seines Amtes entsetzt, ja für kurze Zeit in Haft genommen, aber da er seine Unschuld an dem Geschehenen unschwer nachweisen konnte, bald wieder in Freiheit gesetzt. Gustav Adolph behelligte die Katholiken in der Ausübung ihres Glaubens nicht, legte aber eine schwedische Besatzung in die Stadt. Drei Jahre dauerte dieser Zustand. 1635 rückte wieder eine kaiserliche Abtheilung ein und mit ihr kehrte der alte Zustand der Dinge wieder: ein rein katholischer Rath und die Bedrückung der Evangelischen, die jeder Kirche beraubt und nur von zwei standhaften Predigern, Philipp Weber und Paul Jenisch, zusammengehalten, 13 Jahre lang ihre Gottesdienste im offenen Hof des St. Anna-Collegiums abhielten. Bernhard R. trat wieder in sein Amt und richtete sein ganzes Bestreben darauf, einen „Akkord“ zu Wege zu bringen, der auch seinen evangelischen Mitbürgern ihr schmählich verkürztes Recht wieder zurückgeben sollte. Nur dieser hochherzigen und toleranten Gesinnung, die ihn häufig in allerlei Mißhelligkeiten mit unduldsamen Collegen, abgesehen von der Jesuitenpartei, verwickelte, verdankte es die evangelische Bürgerschaft, daß ihr zur Vertretung ihrer Rechte und Wahrung ihres Besitzes die Bildung eines Ausschusses eingeräumt wurde, welcher muthig für [600] Recht und Glauben focht, bis der westfälische Friede wieder eine Ordnung herbeiführte. Unterdessen machte sich Bernhard v. R. hauptsächlich dadurch verdient, daß er unablässig und tapfer der jedes Recht mit Füßen tretenden Gier der Orden nach Gut und Besitz entgegentrat. Als er 1645 starb, bezeugte es ihm die evangelische Bürgerschaft öffentlich, daß sie Bernhard v. R. vor gänzlicher Unterdrückung gerettet habe. Für die Geschichte jener Drangsalszeit sind die gewissenhaften Aufzeichnungen, die er in seiner amtlichen Stellung gemacht hat, von großem Werthe: dahin gehören seine Protocolle über die kaiserliche Commission und Reformation vom Jahre 1628, seine Sammlung der Reformationsacten und -Urkunden und seine von ihm Nebenprotocolle benannten Aufzeichnungen aus den Jahren 1625–1644.

Stetten, Gesch. d. Stadt Augsburg. – Stetten, Lebensbeschreibungen zur Erweckung und Unterhaltung bürgerlicher Tugenden. – Stetten, Gesch. d. adeligen Geschlechter d. St. Augsburg. – P. Braun, Gesch. d. Bischöfe v. Augsburg. – Archivalien.