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ADB:Renesse, Johann von

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Artikel „Renesse, Johann von“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 213–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Renesse,_Johann_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 23:59 Uhr UTC)
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Renesse: Johann v. R., seeländischer Edelmann, wahrscheinlich um die Mitte des 13. Jahrh. geboren, erbte einen großen Gütercomplex namentlich auf der Insel Schouwen von seinem Vater Costin, der in den endlosen Streitigkeiten zwischen Flandern und Holland über Seeland dem Grafen Florens V. von Holland (s. A. D. B. VII, 126) treu zur Seite gestanden hatte. Nach dessen Tode stellte sich R., im J. 1289, an die Spitze der großen seeländischen Adelsrebellion, welche wahrscheinlich wohl durch des Grafen adelsfeindliche Politik veranlaßt war, aber doch auch gewiß von Flandern begünstigt wurde. Bald entspann sich zwischen R. und dem herrschsüchtigen Wolfert v. Borsselen (s. A. D. B. III, 180) ein Kampf um die Führerschaft ihrer Partei, welche später, nach dem Tractat zu Biervliet, 1290, und der ersten Versöhnung des Grafen und des Adels, R. veranlaßte, als der Kampf bald wieder entbrannte, die Seite des ersten zu halten, und zum Siege des Grafen viel beigetragen haben mag. Dann aber trat R. mit an die Spitze der Verbindung gegen Florens, welche vom König Eduard I. im J. 1296 angezettelt wurde, um denselben für den Uebergang ins französische Lager zu strafen. Man weiß, wie einige der holländischen Verschwörer den Grafen ermordet haben, aber dadurch eine allgemeine Bewegung des Volkes wach riefen. Als dann Johann von Avesnes, der Graf von Hennegau (s. A. D. B. XIV, 221) mit Hülfe der Städte sich der Gewalt zu sichern versuchte, griff R. zu den Waffen und half denselben aus dem Lande treiben, was Florens schwachen Sohn Johann von Holland (s. A. D. B. XIV, 221) dem englischen Einfluß unterwarf. Aber nicht R., sondern Borsselen genoß die Früchte des Sieges, und R. büßte nicht allein allen Einfluß auf die Regierung ein, sondern sah sich gezwungen, aufs neue nach Flandern zu flüchten. Und als dann Borsselen gefallen war, kam nicht er, sondern der Hennegauer ans Ruder. Seine Verbannung wurde jetzt bestätigt, weil er als Mitschuldiger am Morde des Grafen Florens verurtheilt wurde auf immer außer Landes zu bleiben, seine Güter wurden confiscirt. Eine seiner Herrschaften, Haemstede, fiel dem Bastard des Grafen Florens, Witte (s. A. D. B. X, 311) zu. Als bald nachher, 1299, Johann von Holland gestorben und Johann von Hennegau an dessen Stelle getreten war, versuchte R., sich mit Letzterem zu versöhnen. Als es mißlang, schloß er sich den Borsselen’s und deren Anhang wieder an und unternahm, 1300, an der Spitze der zahlreichen Gebannten, wol mit vlämischer Hülfe eine Landung auf Walcheren; der Graf wurde von den Gebannten bei Veere geschlagen. Da griff der König von Frankreich, Philipp der Schöne, der damals in Flandern herrschte ein, doch R., der wahrscheinlich mit der national-vlämischen Partei verbunden war, wollte sich dessen Schiedsspruch [214] nicht fügen. Er rief dagegen den Oberlehnsherrn, den deutschen König Albrecht an und bat ihn, er solle von seinem Rechte Gebrauch machen; wirklich gelang es ihm, denselben zu veranlassen, Holland und Seeland dem Hennegauer förmlich abzusprechen und was mehr war, (es gab ja so viele königliche Entscheidungen in der seeländischen Sache, von Philipp von Schwaben bis zum habsburgischen Rudolf, die sämmtlich ohne Folgen geblieben waren) den Rhein herab zu fahren nach Nimwegen, der alten Königspfalz, um daselbst förmlich über das offne Lehen zu Gericht zu sitzen und den Spruch auszuführen. R. fuhr mit einer großen Schiffsmacht aus den seeländischen Binnenwassern den Rhein herauf, ihm entgegen, um ihm die Ausführung seines Vorhabens zu ermöglichen, denn Albrecht hatte keine Kriegsmacht zur Verfügung. Aber Graf Johann stellte sich mit seiner ganzen Macht zwischen Beide und zwang Albrecht zur Umkehr. Jetzt war dem König die Sache verleidet; er hatte wol in derselben nur ein Mittel ersehen, seine Macht am Niederrhein aufs neue zu befestigen. Er schloß jetzt einen Tractat mit Johann, der jetzt R. und seine Genossen ohne große Schwierigkeiten aus dem Lande trieb. Sie entwichen nach Flandern und warteten auf bessere Zeiten. Die sollten bald kommen, denn als die berühmte Schlacht bei Kortryk von den Vlämingen gewonnen war, 1302, ließ einer der Sieger, der junge Graf Veit von Dampierre sich bald genug veranlassen, die Eroberung Seelands mit ihrer Hülfe zu unternehmen. Sie schlugen das Heer des Johann bei Arnemuyden und eroberten Middelburg. Veit nannte sich Graf von Seeland. Doch R. hatte damit noch nicht seine Güter auf der Insel Schouwen zurückerhalten, wenn auch ein Stillstand den Gebannten, solange derselbe währte, die Nutznießung ihrer Güter in Seeland verhieß. Im Frühjahre des Jahres 1304 führte er die Vläminger dahin. Auf der Insel Duyveland wurde des Grafen Johann Sohn, Wilhelm von Ostervant geschlagen und dann in Zierikzee, der R. wie es scheint am ärgsten feindlichen Stadt, eingeschlossen. Darauf ergossen sich die Gebannten und ihre vlämischen Genossen über ganz Holland und das verbündete Utrecht, auch die Brabanter schlossen sich an. R. eilte nach Utrecht. Aber da trat im Sommer der plötzliche Umschwung der Dinge ein. Die Vläminger flüchteten; da wandte sich auch R., er suchte nach Seeland zu kommen, doch als er bei Beusichem über den Lek, wie der Rhein dort heißt, setzen wollte, ertrank er, August 1304. Die Züge dieser merkwürdigen Persönlichkeit lassen sich bei der Unzulänglichkeit der Quellen kaum wiedererkennen, sie sind uns nur von Gegnern überliefert, jedoch ersieht man genug, um in diesem Haupte des seeländischen Adels einen Mann zu schauen von außergewöhnlicher Beharrlichkeit und großer politischer Begabung, der sich mit Glück selbst auf dem Gebiet der großen europäischen Politik versuchte und fast die Verbindung Hollands mit dem Reiche, welche seit einem Jahrhundert sich zu lösen begann, wieder hergestellt hätte. Seine seeländischen Güter blieben confiscirt, doch erwarb sich sein Geschlecht bald andere in Utrecht, wo es noch längere Zeit eine Rolle spielte. Im sechzehnten Jahrhundert zeichneten sich viele Mitglieder desselben durch ihren Eifer für die Reformation aus und sind infolge dessen vom Rath der Unruhen verurtheilt. Ein paar endeten auf dem Schaffot. Das damalige Haupt der Familie aber, Johann v. R., Herr von Wulven und Wilp, hatte im J. 1566/67 an der Spitze der Calvinisten gestanden, war dann geflüchtet und erst nach dem sogenannten Satisfactionsvertrag vom Jahre 1577 zurückgekehrt. Von da an führte er die Unionspartei in seiner Provinz. Nachher gab es freilich viele Renesse’s, jedoch keine bedeutenden.

Die vornehmste Quelle über R. ist natürlich Stoke’s bekannte Reimchronik. (Neue Ausgabe von Brill 1887.) Doch ist dieselbe sehr parteiisch gegen ihn. Auch der Continuator der Egmonder Chroniken, Wilhelmus Procurator [215] hat Einiges über ihn, ebenso wie Lodewijk von Veldhem. Ein Theil seiner Geschichte läßt sich nur aus Urkunden feststellen. Kluit hat im bekannten Excurusus septimus seiner Historia comitatus Hollandiae vieles Merkwürdige über die Ereignisse, in welche R. verwickelt war, gebracht. Von den neueren Historikern hat Arend wenig Persönliches über R. und ebenso Wenzelburger; Monographien über jene Zeit gibt es leider nicht.