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ADB:Reventlou, Friedrich Graf von

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Artikel „Reventlou, Graf Friedrich von“ von August Sach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 338–345, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reventlou,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 01:15 Uhr UTC)
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Reventlou: Graf Friedrich v. R., der älteren Linie der alten schleswig-holsteinischen ritterschaftlichen Familie angehörig, war als zweiter Sohn des Generalmajors und Erbherrn auf Wittenberg und Kaltenhof, Grafen Heinrich v. R. († am 31. Januar 1848), und der Gräfin Anna Sophia geb. v. Baudissin († am 23. December 1853) am 16. Juli 1797 in der Altstadt Schleswig geboren, wo sein Vater damals als Rittmeister in Garnison stand. Wie viele seiner Familie besuchte er das Katharineum in Lübeck, schlug aber nicht die militärische Laufbahn ein wie sein Vater, sondern wandte sich dem Studium der Jurisprudenz zu. Mit dem Anfang des neuen Jahrhunderts tritt nämlich in den Herzogthümern die eigenthümliche Erscheinung auf, daß der heranwachsende junge Adel die militärische Laufbahn fast gänzlich zu meiden beginnt, um statt dessen nach Beendigung der Universitätsstudien sich der Diplomatie oder der Verwaltung und der Richtercarriere zu widmen, wenn er nicht in der Lage war, auf seinen Gütern in völliger Unabhängigkeit zu leben. Auch R. hat diesen Weg eingeschlagen und sich damit wie viele seiner damaligen Standesgenossen eine Bildungsbasis gewonnen, die eine exclusive und engherzige Stellung in allen öffentlichen Fragen ausschließen mußte. Nach Vollendung seiner Studien in Göttingen, Jena und Kiel bei der Staatsprüfung mit dem Charakter „sehr rühmlich“ ausgezeichnet, arbeitete er zuerst als Auscultant bei dem Obergericht in Glückstadt; dann zum Rath desselben ernannt, ward er (1834) Mitglied des Oberappellationsgerichts in Kiel, welches für Schleswig-Holstein und Lauenburg gemeinschaftlich bestand. Am 16. Juni 1831 vermählte er sich mit Luise geb. Freiin Löw von und zu Steinfurth († am 27. Mai 1864) und wurde dann 1836 zum Propst des adeligen Klosters zu Preetz gewählt. Die Würde eines Prälaten wies ihm in den beginnenden staatsrechtlichen Kämpfen von vorn herein eine bestimmte Stellung an, da die politische Frage der Verbindung der Herzogthümer im engen Zusammenhang mit den Rechten und Freiheiten der Ritterschaft stand und der Socialnexus derselben und die fortwährende Deputation der Prälaten und Ritterschaft das einzige Band war, welches staatsrechtlich die alten Verhältnisse noch aufrecht hielt; es war keine Frage, daß die rechtmäßige Fortbildung des Verfassungswerkes ganz besonders von dem Verhalten der Ritterschaft abhängig war. Mit ihr hielt R. an dem Grundsatze fest, daß Vorrechte zwar dem Rechte, aber auch nur dem Rechte weichen sollten; mit ihr war er bereit, eine allgemeine Landesvertretung anzuerkennen, wenn der Landesherr ihre Freiheiten und damit die Untrennbarkeit beider Herzogthümer gewährleiste. Von der Natur mit einer ausdrucksvollen, männlich kräftigen Erscheinung ausgestattet, von gewinnendem, leutseligem Wesen, aber auch scharf und schneidig, wo es noththat, verband er mit der Gabe einfacher, aber entschiedener und zu Herzen dringender Beredsamkeit ausgezeichnete Kenntnisse und eine Beharrlichkeit des Willens, die ihresgleichen sucht. Von dem conservativen Standpunkt des geschichtlichen Rechtsbodens hielt er ebenso sehr fest an dem althergebrachten Landesrechte gegen die auf Umsturz derselben gerichteten Uebergriffe der dänischen Regierung als an den Privilegien seines Standes im Gegensatz zu den Bestrebungen der demokratischen Richtung, die auf Vernichtung der Vorrechte und auf Durchführung der allgemeinen Gleichstellung der Staatsbürger hinausliefen. So gingen bei ihm Hand in Hand die nationale Opposition nach außen gegen den Landesfeind [339] und die politische Opposition gegen innere Umwälzungen. Wie er die Herstellung eines neuen Katasters und die auf eine neue Steuervertheilung gerichteten Bestrebungen bekämpfte, um den Zollfonds, der den adeligen Gütern und Klöstern bei Aufhebung der Zollfreiheit gewährt ward, sich eifrig bemühte, so war er daneben doch auch ein eifriger Verfechter der Aufhebung der bisherigen Trennung der adeligen und bürgerlichen Gutsbesitzer und der Einführung einer neuen Landgerichtsordnung. Weit bedeutsamer aber war seine Stellung in den politischen Fragen, die mit Errichtung der gesonderten berathenden Ständeversammlungen (1834) alles andere bald in den Hintergrund drängten. In allen entscheidenden Berathungen hatte er in der Itzehoer Ständeversammlung die Führung, besonders als die schleswig-holsteinische Erbfolgefrage infolge des Algreen-Ussing’schen Antrages in den Roeskilder Ständen (October 1844), das dänische Königsgesetz der weiblichen Erbfolge mit Gewalt auf die Herzogthümer zu legen, hier alles in Bewegung setzte. Wie er es war, der die berühmte, die staatsrechtliche Verbindung der Herzogthümer scharf wahrende Adresse an den König vom 21. Decbr. 1844 beantragte, so stand er auch im Vordergrund des Kampfes, als der „offene Brief“ Christian VIII. (8. Juli 1846) das Landesrecht zu vernichten suchte. „Es stehen uns vielleicht schwere Zeiten bevor, erklärte er damals, aber mein und unser aller Trost ist der, daß wir diese Verwickelung nicht veranlaßt haben. Wir boten in der vorigen Diät friedlich und versöhnend die Hand; es wurde uns geantwortet mit Incorporation und Gewalt. Von diesem Augenblicke an stammt die Kränkung; wer diese herbeigeführt hat, der trage die Verantwortlichkeit.“ Die Adresse an den König, deren Annahme verweigert ward, wie die Beschwerde an den Bundestag sind wesentlich sein Werk. Auch ging er voran, als 38 Mitglieder der Itzehoer Stände jede weitere Verhandlung weigerten, so lange nicht das Recht der Stände gesichert sei, und die Versammlung verließen. „Jeder feindlichen Stimmung und jeder absichtlichen Trennung von Dänemark fremd“, wie er erklärte, entschloß er sich, während der traurigen letzten Königsreise Christians in den Herzogthümern, zu dem äußersten Schritt, um einen drohenden Conflict abzuwehren. Aber sein Gesuch um eine Audienz bei dem Könige in Plön führte nicht zum Ziel: er ward im Vorzimmer mit der Erklärung abgewiesen, „der König wolle weder ihn noch ein anderes Mitglied der pflichtwidrigen Ständeversammlung sehen“. War mit dem Jahre 1847 in Holstein und Schleswig die Stimme der Stände verstummt, so trat unter Reventlou’s Führung die „fortwährende Deputation der Prälaten und Ritterschaft“ für die Rechte des Landes ein. Wie klar R. schon damals die Lage durchschaute, geht besonders aus der Adresse vom 19. Januar hervor, worin er in scharfen Sätzen dem Könige vorhielt: „Die Zeit drängt hin zu einem Wendepunkte; der langjährige Zwiespalt will entschieden sein, und nur nach zwei Richtungen kann die Entscheidung fallen. Entweder die Rechte der Herzogthümer werden für aufgehoben erklärt, das dänische Königsgesetz auf dieselben gelegt und mit Gewalt erzwungen, was das Recht versagt, oder die Rechte der Herzogthümer werden anerkannt in ihrer vollen Bedeutung und alle daraus fließenden Folgen in einer Verfassungsurkunde festgestellt und mit genügender Garantie versehen.“ Die Adressen wurden entweder als unangemessen zurückgesandt oder nicht beantwortet. Die Verhältnisse hatten so mit Ende des Jahres 1847 schon einen solchen Charakter angenommen, daß eine Katastrophe unvermeidlich schien. Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn die Führer sich nicht über Maßnahmen gegen weitere Angriffe auf das Landesrecht verständigt hätten. Dies geschah ohne Zweifel bei einer ersten Zusammenkunft, die R. im Herbste 1847 mit Beseler in Schleswig hatte. Eine neue Wendung brachte der plötzliche Tod Christian VIII. [340] (20. Januar 1848) und die Verkündigung einer Gesammtstaatsverfassung seitens seines Nachfolgers Friedrich VII. R. erklärte sich vor allem bereit, die Wahl der „erfahrenen Männer“ vorzunehmen, die die Verfassung prüfen sollten – aber unter Wahrung des Landesrechts; noch auf der Zusammenkunft der ständischen Abgeordneten beider Herzogthümer, die unter Beseler’s Vorsitz am 18. März 1848 in Rendsburg ohne landesherrliche Berufung, aber mit Erlaubniß der Regierung stattfand, hielt er diesen Standpunkt fest, da man sein Wort gegeben, und war nicht dafür, eine Deputation mit bestimmten Forderungen nach Kopenhagen zu senden; auch wirkte er mäßigend auf die Beschlüsse der Versammlung ein und fand sich bereit, mit Beseler und Bargum nöthigenfalls die Versammlung ständischer Abgeordneter von neuem zu berufen. Noch waren die Abgesandten in Kopenhagen und der Erfolg ihrer Unterhandlungen, die man hatte ruhig abwarten wollen, unbekannt, als die Entscheidung in gänzlich unerwarteter Weise erfolgte. Auf die erste Kunde von den revolutionären Vorgängen in Kopenhagen, dem Sturz des Ministeriums durch die siegreiche eiderdänische Partei unter der Führung Orla Lehmann’s, Tscherning’s und Monrad’s (21. März) eilte Beseler von Schleswig nach Kiel (23. März). Außer dem Prinzen Friedrich von Nöer wurde R. von Preetz durch Eilboten berufen. Schon hatten sie sich in der Nacht vom 23. auf den 24. März in dem Hause Bargum’s über die Bestellung einer provisorischen Regierung und den Wortlaut eines Aufrufs an das Land verständigt, als eine Versammlung von Männern, die der demokratischen Richtung mehr oder weniger angehörten, mit weitergehenden Forderungen dazwischentrat. Nur dem entschiedenen Auftreten Reventlou’s, sowie dessen eindringlichen Worten war es zu danken, daß die Einigkeit erhalten blieb. Tiefbewegt gelobten endlich alle auf seine Aufforderung ihm durch Handschlag, dieselben Wege wandeln zu wollen (Prinz von Nöer in seinen Aufzeichnungen S. 58 gibt seine damals gehaltene Rede aus Parteirücksichten nur sehr entstellt wieder). Die berühmte Proclamation vom 24. März erklärt im Sinne Reventlou’s „den Landesherrn für unfrei“ in seinen Entschlüssen; die provisorische Regierung will „zur Aufrechthaltung der Ordnung, zur Vertheidigung der Grenze, zur Sicherung der Rechte des Landes und seines angestammten Herzogs in seinem Namen die Regierung führen“. Diesen Standpunkt hat R., der die Leitung der diplomatischen Angelegenheiten übernommen hatte, gegen den Landesherrn (vgl. Schreiben an den König vom 25. März) und gegen die deutschen Mächte mit unerschütterlicher Consequenz bis zu Ende aufrecht erhalten und niemals gegen den Landesherrn, sondern gegen die Revolution in Kopenhagen, gegen das dänische Ministerium Krieg führen wollen, ohne doch hindern zu können, daß seine conservative Opposition gegen alle revolutionären Angriffe der dänischen Regierung von der Reaction und deren einflußreichen Vertretern für Rebellion gegen den Landesherrn erklärt wurde. Es war eben ein Unglück für Schleswig-Holstein, daß gerade die französische Revolution es sein mußte, die hier die Funken des lange schon stillen Krieges zu hellen Flammen auflodern ließ und eine conservative auf dem Rechtsboden stehende Bewegung mit einer demokratischen Umwälzung verwechseln ließ. Die diplomatischen Verhandlungen jener Tage geben einen deutlichen Beweis, wie R. seiner Aufgabe gerecht ward. Am allerwenigsten blieb ihm die Erfahrung erspart, wie wenig die provisorische Regierung auszurichten vermochte, seitdem die schleswig-holsteinische Frage zu einer europäischen geworden war. Zur Bezeichnung seiner Auffassung der Lage heben wir hervor, daß er vor Beginn des Kampfes einer Abtretung des nördlichen Schleswigs nicht abgeneigt war, in der vollen Erkenntniß, daß eben die nordschleswigsche Sprachfrage das Mittel in der Hand der Dänen war, um das Landesrecht zu sprengen; nachdem aber Blut geflossen, nahm er das ganze [341] Herzogthum für Deutschland in Anspruch. Um über seine persönliche Stellung innerhalb der provisorischen Regierung keine Zweifel bestehen zu lassen, erklärte er wiederholt, sofort zurücktreten zu wollen, sobald die Rechte und Ansprüche des Landes gesichert seien. Trotz aller üblen Erfahrungen in den Unterhandlungen mit dem preußischen Ministerium hat er doch niemals ganz das Vertrauen zu Preußen verloren, selbst da nicht, als die Malmöer Waffenstillstandsunterhandlungen schon begonnen hatten. Am 12. Juli eilte er nach Berlin und erlangte ein verhältnißmäßig günstiges Resultat in seinen Besprechungen mit dem Minister Auerswald wegen Aenderung der Bedingungen. Am 14. Juli war er wieder in Hadersleben im Hauptquartier Wrangel’s, um mit diesem weiter zu unterhandeln. Der General theilte ihm den vollständigen Text der Waffenstillstandsbestimmungen mit, und in seinem Zimmer versuchte er mit seinem Staatssecretär Schleiden durch veränderte Redaction die gefährlichen Punkte des Entwurfes annehmbar zu machen. Wrangel gab ihm die Hand, daß er keinen schimpflichen Vertrag eingehen, lieber seine Entlassung nehmen werde. Die Verhandlungen mit Dänemark wurden infolge dessen vorläufig abgebrochen. Als R. dann am 22. Juli vor den Vortretern des Landes die Lage darlegte, sprachen diese ihm einstimmig den Dank für seine rührigen und unermüdlichen Bestrebungen aus. Am 4. August richtete er eine erneuerte Mahnung an Auerswald; die provisorische Regierung erklärt sich der preußischen Regierung für die geleistete Hülfe zu Dank verpflichtet, aber betont auf das schärfste, daß, so lange das gegenwärtige Ministerium in Kopenhagen herrsche, nicht durch Nachgiebigkeit, sondern nur durch energische Fortführung des Krieges auf einen Frieden hingewirkt werden könne; Preußen stehe am Scheidewege; Kleinmuth werde Preußen wie Deutschland zerreißen. R. vermochte den Abschluß des Waffenstillstandes nicht zu hindern (26. August 1848), erklärte aber, den abgeschlossenen, dem ausdrücklich ausgesprochenen Willen der Reichsgewalt widersprechenden Waffenstillstand vor Eingang der Befehle der Centralgewalt nicht als rechtsverbindlich ansehen zu können. Mitten unter furchtbarer Aufregung, die das Land ergriffen, führte die provisorische Regierung ihr Amt weiter. Erfolgreich hielt R. die Wogen der Volksstimmung nieder durch persönliches Eingreifen, als einem Mitglied der neu designirten Regierung gegenüber die Bevölkerung in Itzehoe zur Selbsthülfe geschritten war. Auch dann, als die Genehmigung des Waffenstillstandes in Frankfurt (15. September) erfolgt war, wirkte er im Sinne der Nachgiebigkeit auf die Landesversammlung ein. Mitten unter den schwierigsten Verhältnissen trat er mit der provisorischen Regierung ins Privatleben zurück (22. October), während die sogenannte gemeinsame Regierung die Verwaltung des Landes übernahm. Zwei Tage vor der Genehmigung des Malmöer Waffenstillstandes durch die Nationalversammlung war auch von ihm noch das von der Landesvertretung beschlossene Staatsgrundgesetz mit verkündet, das bei den Friedensunterhandlungen als Grundlage dienen und dem Landesherrn zur Genehmigung vorgelegt werden sollte. Es enthielt neben mehr oder weniger freiheitlichen Bestimmungen die Sicherstellung der Personalunion mit Dänemark im strengsten Sinne des Wortes. Erst die Kündigung des Waffenstillstandes von Seiten Dänemarks (26. März 1849) rief ihn mit Beseler wieder an die Spitze der Verwaltung. Von der deutschen Centralgewalt zu Statthaltern ernannt, übernahmen er und Beseler die Pflicht, unter Vorbehalt der Rechte des Landesherrn im Namen der Reichsgewalt nach den Bestimmungen des in thatsächlicher Wirksamkeit stehenden Staatsgrundgesetzes die Regierung bis zum Abschluß des Friedens zu führen. Entschlossen, dieser Pflicht bis zu Ende treu zu bleiben, hat R. sich mit aller Entschiedenheit gegen Bestrebungen erklärt, die auf völlige Aufhebung der Personalunion hinausliefen, und die Landesversammlung [342] in ihrer Mehrheit auf seiner Seite behalten (Juni 1849). Die damalige Erklärung der Statthalterschaft ist zu bezeichnend für Reventlou’s Stellung, um sie übergehen zu können: das mit Vorbehalt der Abänderung beschlossene Staatsgrundgesetz solle die Grundlage des Friedens bilden und durch unmittelbare Verhandlung durch Vertrauensmänner nach alter Landesweise eine Verständigung versucht werden. „Zwar sind im Lande Stimmen laut geworden, daß im Frieden das Band gelöst werden möge, welches seit Jahrhunderten durch die Person des gemeinsamen Herrschers bestanden und auch nach dem Inhalt des Staatsgrundgesetzes bis zum Aussterben des Mannesstammes unverletzlich besteht. Die Sache der Herzogthümer aber hat ihre Kraft in ihrem Rechte und wer diese erhalten wissen will, hat vor allem sich zu hüten, daß er von dem Rechte nicht abweiche. Schleswig-Holstein wird sich nicht selbst der stärksten Stütze, der Gerechtigkeit seiner Sache, berauben wollen, welche allein uns den Beistand Deutschlands erworben hat und dauernd erhält.“ So dachte R. noch wenige Tage vor dem Schlage von Fridericia, kurz vor dem Waffenstillstande und den vorläufigen Friedensabmachungen, die die Untrennbarkeit der Herzogthümer völlig aufgaben und in der Folge die Statthalterschaft und die Landesversammlung von Schleswig nach Kiel überzusiedeln zwangen und ihre Befugnisse auf Holstein beschränkten. Vergeblich führte er damals dem preußischen Ministerium zu Gemüthe, so lange noch Treue und Glauben in Deutschland herrsche, sei ein solcher Friede nicht möglich. Das waren die Folgen jenes denkwürdigen Feldzuges unter General v. Prittwitz, bei dem nur das eine zweifelhaft ist, ob mehr die Kriegführung sich die Aufgabe gestellt hatte, die Diplomatie zu lähmen, oder ob mehr die Diplomatie bestimmt war, auf die Kriegführung in einer Weise einzuwirken, daß dem Feinde um keinen Preis irgend ein Nachtheil zugefügt werde. Jedenfalls wurde beides erreicht trotz aller Anstrengungen der Statthalterschaft. Wol wurden die anfänglichen Friedenspräliminarien aufgegeben, die unter der formellen Vermittelung Englands nur Rußlands Interessen dienten; aber auch der im Namen des Bundes (2. Juli 1850) abgeschlossene sogenannte einfache Friede überließ die Herzogthümer sich selbst; verlassen von den deutschen Regierungen, aber unterstützt von den Sympathien des deutschen Volkes, war auch R. entschlossen, den tödtlichen Zweikampf mit Dänemark mit den Kräften des eigenen Landes auszufechten. In dem berühmten Manifest vom 22. Juli legte er noch einmal „vor allen Thronen und ihren Räthen, vor allen Völkern und ihren Parlamenten“ die Sache Schleswig-Holsteins dar. Die Worte „Wir werden von dem besiegten Feinde nicht mehr verlangen als unser Recht, und von dem siegreichen Feinde niedergeworfen, werden wir aufstehen und wieder aufstehen und nicht weniger verlangen als unser Recht“, bezeichnen Reventlou’s Standpunkt und sind prophetisch für die Zukunft geworden. Ebenso stellen die Sätze: „Wenn der König, unser Herzog, in Person zu uns herüberkommen will, so wird er das alte Volk in alter Treue wiederfinden; wenn er aus eigenem freiem Herzen zu uns reden will, so wird ihn das Volk in altem Glauben hören“, die immer noch loyale Gesinnung gegen den angestammten Herzog klar vor Augen. Auch unter den schwierigsten Verhältnissen, in einem Augenblick, wo nach der Meinung nicht bloß der auswärtigen Mächte, sondern ganz besonders des österreichischen und preußischen Hofes allein noch in Schleswig-Holstein die Rebellion aufrecht stand, war er bemüht, alles fern zu halten, was der Erhebung einen revolutionären Anstrich geben konnte. Wie schon 1848, so hielt auch R. vor und nach der Schlacht bei Idstedt daran fest, keine Freischaaren in Schleswig-Holstein zu dulden; ja er nahm zu einer Zeit, wo jegliche Hülfe willkommen schien, einer Gesandtschaft von fremden Officieren das Ehrenwort ab, auf jede Bildung von Freischaaren zu verzichten. „Ich weiß,“ sprach er damals, „daß es Menschen [343] gibt, die unsere Erhebung Empörung, uns Aufrührer und Rebellen nennen; ich weiß, daß man Schleswig-Holsteins Sache mit in den Kreis trauriger Revolutionen anderer Länder ziehen will: wir aber haben das Schwert gezogen, um zu unserem guten, gesetzlich uns zustehenden Rechte zu gelangen; wir werden es niederlegen, sobald wir unser Recht erlangt haben.“ Und dann fügte er ein Wort hinzu, denkwürdig für alle Zeit: „Wir bleiben unserem theuren Herzoge, dem König von Dänemark, auch im feindlichen Lager treu.“ Wie der Revolution gegenüber, so hat R. als Leiter der diplomatischen Verhandlungen auch den Mächten gegenüber namens der Statthalterschaft seine auf dem Rechtsboden ruhende Stellung unbeirrt und ohne Schwanken stets festgehalten, ein wie schwerer Schlag auch den Herzogthümern durch das Londoner Protokoll vom 2. August 1850 durch die europäischen Mächte zugefügt war; freilich hatten sich die deutschen Mächte anfangs noch fern gehalten, aber unter dem Eindruck der Schlacht bei Idstedt wurde das Protokoll trotz des preußischen Protestes unterzeichnet, „wonach die Aufrechthaltung der Integrität der dänischen Monarchie als mit den allgemeinen Interessen des europäischen Gleichgewichts zusammenhängend, von hoher Wichtigkeit für die Wahrung des Friedens sei“. Am 23. Aug. unterzeichnete auch Oesterreich, und Preußen wich Schritt für Schritt zurück. Als nun am 23. Octbr. die preußische Regierung die Statthalterschaft aufforderte, „sich nunmehr jedes aggressiven Verfahrens zu enthalten und sich bereit zu erklären, zu einem rein militärischen Waffenstillstande die Hand zu bieten“, erklärte R. sich zur Verständigung bereit auf Grund eines einjährigen Waffenstillstandes, ohne doch die Einwilligung Preußens zu gewinnen. Im Namen der Statthalterschaft weigerte er sich auch der einseitigen Aufforderung Oesterreichs (2. November), die Feindseligkeiten einzustellen und das Heer hinter die Eider zurückzuziehen unter Androhung einer Execution, mit Hinweis auf Preußens Widerspruch gegen den erneuerten Bundestag Gehorsam zu leisten. Er erklärte mit aller Entschiedenheit, nur den Befehlen einer allseitig anerkannten Bundesgewalt, von der die Statthalterschaft ihre Vollmachten empfangen, Folge geben zu können, und richtete am 5. November 1850 jene Note an den Grafen Thun, deren meisterhafte Exposition damals viel Aufsehen erregte. „Die Herzogthümer“, so schließt die Note, „sind entschlossen, auf ihrem guten Rechte zu beharren bis zum Aeußersten. Sie wollen es erwarten, ob es möglich ist, daß deutsche Fürsten dieses Recht niedertreten, nachdem es ihresgleichen vertheidigt haben. Wir werden dieses mit Fassung ertragen. Denn wenn es uns bestimmt sein soll, zu fallen, so ist es uns am ehrenvollsten, wie schmachvoll es für Deutschland sein mag, durch Deutsche zu unterliegen.“ Noch immer glaubte er, trotz der Londoner Abmachungen, wonach durch einen Act europäischer Anerkennung den Anordnungen über die Erbfolge eine fernere Bürgschaft der Stetigkeit gegeben werden sollte, daß bei der schwankenden Haltung Preußens eine Einigung von ganz Deutschland zur Unterdrückung der Herzogthümer nicht zu fürchten sei. Erst der Tag von Olmütz (28. November 1850) legte die Gefahr vor Aller Augen klar, nachdem Preußen sich in vollem Widerspruch mit dem Artikel 4 des Friedens vom 2. Juli verpflichtet hatte, sich an der Execution zu betheiligen. Vergeblich hoffte die Statthalterschaft, durch einen erneuerten Kampf dem Rechte mit den Waffen die versagte Anerkennung zu verschaffen. Eine regnerische Witterung machte indeß jede größere Bewegung des Heeres unmöglich. So trafen denn am 6. Januar 1851 die österreichischen und preußischen Generäle v. Mensdorff und v. Thümen als Vertreter des deutschen Bundes in Kiel ein, mit der Forderung, die Feindseligkeiten einzustellen, das Heer hinter die Eider zurückzuziehen, dasselbe bis auf ein Drittel zu entlassen und die Landesversammlung aufzulösen; 50 000 Mann ständen bereit, ihren Worten den Erfolg zu sichern. Wenn je, so hat damals [344] in den Verhandlungen mit jenen Männern R. eine Hoheit der Gesinnung und eine Festigkeit der Ueberzeugung bewiesen, die ihn weit über alle seine Gegner emporhebt. Er bestritt es, daß die Schleswig-Holsteiner sich gegen ihren Landesherrn empört, und hinderte die Bekanntmachung der Commissäre, die diesen Vorwurf aussprach; er duldete den Ausdruck, der von der Calamität der letzten drei Jahre sprach, auch nicht im Munde der Commissäre; er war bereit zu einer neuen Loyalitätsadresse an den König und glaubte den Worten der Mächte, den status ante bellum wiederherzustellen. An einen bewaffneten Widerstand dachte er nicht mehr, nachdem ein Kriegsrath der Officiere in Rendsburg denselben vom militärischen Standpunkt für unmöglich erklärt hatte. Auch die Mehrheit des Staatsrathes stand auf seiner Seite, wenn sie auch die Legitimation der Commissäre bestritt. Beseler vertrat die Minorität und forderte eine schleunige Geldbewilligung zur Fortsetzung des Kampfes. Am 9. Januar erschienen beide Statthalter vor der Landesversammlung, um ihre Anschauungen darzulegen. R. beantwortete die Frage, ob ein Widerstand noch rathsam sei, auch hier mit einem entschiedenen Nein, dem bündigen Versprechen der Großmächte, den Zustand vor dem Kriege wieder herzustellen, müsse man Glauben schenken; von einem besonnenen Nachgeben sei nicht das Aufgeben, sondern die Erhaltung des Rechts zu erwarten; ein Widerstand werde das Landesrecht völlig vernichten. Wer sich den deutschen Regierungen mit den Waffen in der Hand entgegenstelle, könne nicht länger behaupten, eine deutsche Sache zu führen. Beseler stützte sich dagegen auf die ungenügende Vollmacht der Commissäre; für die Erfüllung ihrer Versprechungen fehle jede Gewähr; das Recht, für das die Herzogthümer sich erhoben, könne wol für einige Zeit unterdrückt, aber nicht vernichtet werden; das Land sei nach göttlichen und menschlichen Rechten verpflichtet, Widerstand zu leisten. Als sich die Mehrheit der Landesversammlung in der bewegten Nachtsitzung vom 10. auf den 11. Februar gegen Beseler entschied, und derselbe infolge dessen seine Entlassung nahm, entschloß sich R. im Interesse des Landes, die Regierung allein fortzuführen. Insbesondere hatte auch der preußische Commissar ausdrücklich erklärt, die Ausführung der gestellten Forderungen durch die Statthalterschaft selbst sei das einzige Mittel, die fremden Truppen vom Lande fernzuhalten (vgl. Proclamation R. vom 11. Januar 1851 an das Land und das Heer). Aber weder von dem „status ante bellum“, noch von dem Zurückziehen der dänischen Armee aus dem südlichen Schleswig, noch von der Besetzung Rendsburgs und Friedrichsorts mit ihrem Rayon, noch von der Erhaltung der Cadres der Armee, noch von der Sicherstellung alles Kriegsmaterials, noch von dem Fernbleiben der Execution, wenn kein Widerstand erfolge, war in den ferneren Unterhandlungen weiter die Rede; für die Rechte des Landes hatten die Commissäre kein Wort mehr. Wie R. in seiner Proclamation vom 1. Febr. 1851 von seiner Heimath Abschied nahm, hat er noch einmal die Versprechungen der Mächte: „das Recht und die Interessen des Landes und das altherkömmlich berechtigte Verhältniß der Lande zu schützen und nach festgestelltem Verhältniß in die Hände des rechten Landesherrn zurückzugeben“, laut vor Aller Ohren verkündet. Nachdem er Abschied von seinen Räthen genommen, noch möglichst die Lage der Beamten, die unter ihm gedient, sicher zu stellen gesucht und insbesondere unter dem 29. Januar ein ergreifendes Schreiben an den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gerichtet hatte, worin er demselben das Schicksal der schleswig-holsteinischen Officiere dringend ans Herz legte, verließ er die Stadt Kiel und begab sich nach Preetz. Doch war ihm hier nur kurze Zeit Ruhe gegönnt; mit zahlreichen Landsleuten verließ er bald als Verbannter sein Vaterland. Auch er hat das Schicksal gehabt, als Führer eines Aufstandes gemieden zu werden und erst nach einigen Jahren eine bleibende Wohnstätte zu [345] finden. Seit dem Jahre 1853 weilte er auf seinen neuerworbenen Gütern Starzeddel in der Niederlausitz und hat sich während der Reactionszeit der fünfziger Jahre aus naheliegenden Gründen von aller öffentlichen Thätigkeit in der schleswig-holsteinischen Frage im Gegensatz zu Beseler ferngehalten. Erst am Ende des Jahres 1863 trat er zu Gunsten seiner alten Heimath mit einer gewichtigen Rede im preußischen Herrenhause hervor, zu dessen lebenslänglichem Mitgliede er schon mit Beginn des Jahres 1861 von dem König Wilhelm berufen war. Die Befreiung seines Vaterlandes hat er noch erlebt, und später 1870 seinem Genossen in der Statthalterschaft, dem Curator Beseler in Bonn, die Hand zur Versöhnung gereicht, nachdem sie im Anfang des Jahres 1851 in Unfrieden voneinander geschieden waren. Auch ward ihm noch – als ein merkwürdiges Zeichen der Wandlung der Anschauungen am preußischen Hofe – die Freude zu Theil, daß seine älteste Tochter Fanny zur Obergouvernante der kronprinzlichen Kinder (1866) berufen ward. Er starb am 24. April 1874 in Starzeddel, nachdem ihm seine Gemahlin schon am 27. April 1864 vorangegangen war. Seiner Bestimmung gemäß wurde seine Leiche von seinem Sohn Kurt v. R., dem Klosterpropsten in Preetz und jetzigem Landtagsmarschall der Provinz Schleswig-Holstein, in die Heimath zurückgeführt und auf dem Kirchhofe zu Preetz an der Seite seiner Gemahlin und seiner beiden Töchter am 3. April 1884 bestattet. Sein Andenken steht noch heute im Lande in hohen Ehren; denn an opferwilliger, patriotischer Gesinnung, thatkräftigem Wollen und consequentem Handeln ist lange seines Gleichen nicht in Schleswig-Holstein gewesen. Nachdem in dem neuen Regierungsgebäude in Schleswig schon sein Bildniß in Relief angebracht ist, wird ihm und Beseler in den nächsten Jahren ein größeres Landesdenkmal, wozu die Provinz eine namhafte Summe beigesteuert hat, in Schleswig errichtet werden.

Außer einer Reihe Privatmittheilungen sind benutzt: Die Herzogthümer Schleswig-Holstein und das Königreich Dänemark. Actenmäßige Geschichte der dänischen Politik seit dem Jahre 1806. Hamburg 1850 (von Droysen und Samwer). – Actenstücke zur neuesten schleswig-holsteinischen Geschichte. 3 Hefte Leipzig 1852; anonym von dem Staatssecretär Reventlou’s, dem Justizrath Schleiden, herausgegeben, bilden sie die einzig zuverlässige urkundliche Grundlage zu einer Geschichte jener Zeit. – Actenstücke zur schleswig-holsteinischen Frage. 5. Heft. Waffenstillstandsverhandlungen im October und November 1850. Kiel 1850. – O. Fock, schleswig-holsteinische Erinnerungen (Leipzig 1863), vertritt den demokratischen Standpunkt und wird ebenso wenig wie Prinz von Nöer in seinen „Aufzeichnungen“ R. völlig gerecht. Einzelne Punkte sind einer Reihe seltener Broschüren jener Zeit entnommen. – Graf Friedrich v. R. und Wilhelm Hartwig Beseler. Ein Vortrag von Dr. Aug. Sach. Schleswig 1886.