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ADB:Richental, Ulrich von

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Artikel „Richental, Ulrich (v.)“ von Eduard Heyck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 433–435, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richental,_Ulrich_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:12 Uhr UTC)
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Richental: Ulrich (v.) R., Chronist des Constanzer Concils. – Für Richental’s äußere Lebensumstände liegen nur ganz vereinzelte Notizen aus seiner eigenen Chronik und aus Archivalien zu Karlsruhe und Constanz vor. Ein Stadtschreiber, Johannes Richental zu Constanz, kommt mehrfach in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts urkundlich vor; er besaß 1373 dasselbe Gut „an dem Hard“, das später Ulrich R. besaß, der letztere war also des Stadtschreibers Erbe und vermuthlich sein Sohn. U. R. war kein Geistlicher, wie man früher durchweg annahm. Er nahm 1410 vom Stephansstift zu Constanz 5 Juchart Acker im Tegermoos zu Erbzinslehen, besaß nach Urkunde von 1413 ein Haus am Ziegelgraben – er selbst nennt in der Chronik sein Haus „zum guldin bracken (bräcklin)“ –, verkauft 1433 und 1434 verschiedene ländliche Grundstücke. Er war Bürger zu Constanz (Chronik und Urk. von 1434); seine Ehefrau Anna wird in Urkunden von 1410 und 1434 als lebend erwähnt; Leibeserben scheint er nicht besessen zu haben. Schwerlich war R. von Adel: im Geschlechterverzeichnisse seiner Vaterstadt erscheint sein Name nicht, auch der leichte Wechsel seines Siegels spricht gegen seine adliche Abkunft (der Stadtschreiber Johannes R. führte im Siegel ein Aehrenbüschel (Urkk.), Ulrich R. zeigt 1415 dem Rath an, er habe sein Siegel verloren und beabsichtige jetzt ein anderes Siegelbild zu wählen; 1434 führt er im Siegel zweier Urkunden einen Rehkopf). Der Name der beiden R. heißt in den Siegelumschriften „Joannes dictus Richendal“ resp. „Ulrich Richental“; das „von“ erscheint vor Beider Namen nur in den selteneren Fällen und ist ohnehin in dieser Zeit keine eigentliche Adelsbezeichnung (eben deswegen ward dem Stehen oder Fehlen des „von“ keine Beachtung geschenkt). Richental’s Verwandtschaft mit den im 13. und 14. Jahrh. in Urkk. oft vorkommenden Constanzer Domcapitularen de Richental, deren Vornamen fast ausschließlich Ulrich ist, bleibt daher immerhin recht zweifelhaft; wahrscheinlicher ist dagegen die mit dem deutlich bürgerlichen Chorherrn zu St. Johannes in Constanz, Ulrich Richental, der in Urkunde von 1396 als Zeuge genannt ist. Diesen Chorherrn selbst als den Verfasser der Chronik zu betrachten, ist durch sehr viele Gegengründe ausgeschlossen. Richental [434] heißt übrigens ein Ort im Canton Luzern. – R. spricht von gemachten größeren Reisen und war z. B. in Böhmen (Chronik); er verstand gut Latein und ward (nach seiner Chronik) einmal – wenn nicht öfter – zu Kanzleigeschäften für das Concil zugezogen. Graf Eberhard v. Nellenburg schrieb im December 1413 von Lodi aus unserem R., daß die Wahl für das Concil auf Constanz gefallen sei, und rieth ihm, sich mit Vorräthen zu versehen; so erfuhr R. als Erster in Constanz von dem der Stadt bevorstehenden großen Ereigniß. Bald darauf beritt er dann im Auftrage des Rathes die Umgegend von Constanz mit den eingetroffenen päpstlichen Quartiermeistern; während des Concils beherbergte er in seinem Hause (nur!) einen Bischof der Gnesener Erzdiöcese; König Sigmund veranstaltete auf dem Hardgute Richental’s am 23. Juni 1415 mit großem Gefolge ein Mahl im Grünen. Fürstlichkeiten unterhalten sich gelegentlich während des Concils mit R. und benutzen ihn auch für Besorgungen und Erkundigungen; im ganzen aber bleibt R. unter der Zuschauermenge. Als die Diener des pfälzischen Kurfürsten den Huß auf dem letzten Gange zwischen sich führen, winken sie den allbekannten und überall anwesenden R. herbei und er gesellt sich ihnen zu, so daß er am Richtplatz sich nützlich machen und zugleich alles gut beobachten kann. – Wir verdanken R. die vom Standpunkt des städtischen Augenzeugen – in seinem Constanzer Dialect, völlig in Uebereinstimmung mit der Sprache der gleichzeitigen Constanzer Urkunden – geschriebene Concilschronik, eine höchst anschauliche, lebendige und zuverlässige Schilderung aller öffentlichen Ereignisse der großen Versammlung, der weltlichen und geistlichen Feierlichkeiten und Aufzüge, und des ganzen bunten Treibens in der menschenüberfüllten Reichsstadt. Sie bietet zugleich eine eingehende und allseitige Statistik: die Namen der Concilstheilnehmer bis in die Gefolge und Dienerschaften herab, die Daten des Eintreffens, die Quartiere des Einzelnen, die Zahlen der herbeigeeilten Händler und Gewerbtreibender aller Art, die Kosten der Feierlichkeiten, die Schwankungen in den Lebensmittelpreisen, jedes feierliche Geläut u. s. w.; R. denkt auch an den Einfluß des großen Menschenconfluxes auf die öffentliche Sicherheit und ermittelt die Zahl der bei Verbrechen in dieser Richtung ergangenen Verurtheilungen. Für alle diese Dinge muß er sorgliche Listen zur Verfügung gehabt haben, die ihm entweder von den städtischen Behörden für die Chronik zur Verfügung gestellt wurden, oder die er selbst in einer amtlich-städtischen Stellung angelegt hatte; die geschehene Unterstützung seiner Chronik durch die Stadtbehörden zeigt sich durch die Erwähnung seiner Erkundigungen bei den Heimlichern des Gerichts. Für die eigentlichen Verhandlungen des Concils ist er auf Mittheilungen Anderer angewiesen, doch werden ihm amtliche Schriftstücke (auch „libri papales“) zugänglich gemacht; in einem Falle, wie er erzählt, auf Umwegen, er zahlt einem Courtisan einen Gulden. Seine Bekanntschaften nutzt er nach Kräften aus und einen Herold lädt er einmal zu Tisch, um ihn auszufragen. Wenn nun auch die Chronik auf tagebuchartigen Aufzeichnungen und auf Listen beruht, die während des Concils gemacht wurden, so muß sie doch erst nach Schluß desselben auf Grund des zusammengebrachten Materials ausgearbeitet sein, wie die zusammenfassenden Statistiken und gewisse Wiederholungen zeigen. – Ich habe, nebenbei gesagt, aus der Lectüre der Chronik den steten persönlichen Eindruck empfangen, ihr Verfasser müsse wenigstens noch zur Zeit des Concils eine Stellung im städtischen Kanzlei- und Rechnungswesen bekleidet haben. –

Die überlieferten Handschriften der Chronik enthalten zahlreiche figürliche Darstellungen und Wappen, die den costüm- und sittengeschichtlichen Werth der Chronik noch erhöhen. Den ältesterhaltenen, von 1431 redigirten Text überliefert ein Aulendorfer Codex (mit 119 Bildern und 804 fertigen, 31 angefangenen [435] Wappen; Lichtdruckausgabe durch Dr. H. Sevin, Karlsruhe 1881). Die Constanzer Handschrift des R. hat einen nach 1433 überarbeiteten Text, der von R. nur in der dritten Person spricht und seine persönlichen Bemerkungen durchweg ausgemerzt hat, sie enthält noch mehr Bilder als die Aulendorfer, indeß von jüngerer Technik (photographische Ausgabe Stuttgart 1869). Zwei vom Constanzer Codex abhängige Handschriften in Karlsruhe. Eine Petersburger (fürstlich Gagarin’sche) Handschrift, 1875 veröffentlicht, enthält nur 72 Bilder mit Erklärungen; zu Winterthur und zu Ottobeuren sollen Handschriften existirt haben.

Einzige neuere und gute Textausgabe von Dr. M. R. Buck, Bibliothek des litterar. Vereins in Stuttgart CLVIII (1882). – Die obigen biographischen Angaben beruhen zum Theil auf Notizen, die ich aus dem Karlsruher Gen.-Landesarchiv geschöpft. – Neuere Litteratur: Buck in den Verhandlungen des Ver. für Kunst und Alterth. in Ulm, 1871. – Marmor im Freiburger Diöcesan-Archiv, VII (1873). – M. Gmelin im Anzeiger für Kunde d. d. Vorzeit, N. F. XXV (1878). – Buck in der Einleitung seiner Ausgabe (1882). Darauf ganz beruhend: Histor.-politische Blätter, 93. Bd. (1884), S. 818–20. – Ed. Heyck in den Forschungen z. deutsch. Gesch. XXV (1885). – Buck in der Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins, N. F. II (1887). – (Lorenz, Geschichtsquellen, 3. Aufl., Bd. I, 95 ff. u. Nachtrag im Bd. II; mehrere Irrthümer.) – Erwähnungen Richental’s in der Concilien- und der Constanzer Stadtlitteratur. – Nach Einsendung obiger Mitth. für die Allg. D. Biogr. erschien: Ph. Ruppert, Konstanzer Beitr. z. bad. Gesch., Konst. 1888, darin „Ulrich Richenthal“. Hält R. für einen Kaufmann, † 1437 oder 1438 vor Mai, bringt einige neue Nachrichten aus Konstanzer Archivalien über Besitzverhältnisse Richental’s und weist einen Auszug seiner Chronik in einer Stuttg. Handschr. des G. Dacher nach.