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ADB:Richter, Ernst Friedrich Eduard

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Artikel „Richter, Ernst Friedrich Eduard“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 455–457, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richter,_Ernst_Friedrich_Eduard&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:03 Uhr UTC)
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Richter: Ernst Friedrich Eduard R., geb. am 24. October 1808 zu Groß-Schönau bei Zittau in der Oberlausitz, † am 9. April 1879 in Leipzig, hat sich insbesondere als Kirchencomponist und Theoretiker wohlverdienten Ruf und große Verdienste erworben, war aber auch ein ausgezeichneter Lehrer, vortrefflicher Orgelspieler und tüchtiger Dirigent. Von rastloser Thätigkeit getrieben und jede Stunde des Tages bis zum späten Abend arbeitend ausnützend, war es ihm möglich, neben amtlichen, ihn vielfach beanspruchenden Stellungen und der Leitung verschiedener Vereine, noch eine große Anzahl Werke zu schreiben, die edel und würdig erfunden und empfunden, sich in schöner Form darstellen und wenn auch vom Geiste Mendelssohn’s und Hauptmann’s beeinflußt, Zeugniß von einer sehr bemerkenswerthen, schöpferischen Begabung ablegen und ihm, namentlich was seine Kirchencompositionen anlangt und seine vortrefflichen, in allen Musikinstituten eingeführten und in alle Sprachen übersetzten Lehrbücher, ehrendes Gedächtniß sichern. R. war, wie so viele seiner Collegen, der Sohn eines Schullehrers und erhielt von diesem auch den ersten Musikunterricht. Man weiß, wie sehr der musikalische Sinn in Sachsen entwickelt und schon von früher Jugend an in den Schulen gepflegt wird und wie selbst kleinere Städte eine reiche und interessante Musikgeschichte und ganz tüchtige und leistungsfähige Concertinstitute und Schulchöre besitzen. Zu den schon in früheren Jahrhunderten oftgenannten lausitzischen Musikstädten gehört auch Zittau, allwo von seinem zehnten Jahre an R. nun das Gymnasium besuchte. Inmitten des dortigen fortgeschrittenen [456] musikalischen Lebens fanden seine künstlerischen Neigungen und Bestrebungen vielfache, fördernde Anregungen. Noch unter der Aufsicht seines Vaters hatte er die ersten compositorischen Versuche gemacht, als Gymnasiast setzte er sie eifrig fort, leitete auch zugleich den Gymnasialsängerchor und veranstaltete mit ihm selbständige Aufführungen. Um Theologie zu studiren, bezog er 1831 die Universität Leipzig. Aber hier erging es ihm wie so manchem Studentlein, das in gleicher Absicht nach Pleiß-Athen gekommen war. Bald sah er sich durch das rege Musiktreiben dieser Stadt so befangen und gefesselt, daß er sein Brotstudium quittirte und sich die Tonkunst zum Lebensberufe erkor. Uebrigens war in den 30er Jahren Leipzigs musikalische Glanzzeit noch nicht angebrochen. Immer zwar wurde dort die Musik eifrig, gründlich und ernst cultivirt und die Concerte des Gewandhauses genossen bereits seit Jahrzehnten eines ehrenvollen Rufes. Aber erst nachdem Mendelssohn dort persönlichen, maßgebenden Einfluß gewonnen, Schumann seinen Wohnsitz hier aufgeschlagen, Hauptmann seine berühmten Motetten und Lortzing seine heitern Opern da geschrieben hatte, namentlich aber seit Gründung des Conservatoriums, wurde Leipzig die weltberühmte Musikstadt, als die sie heute noch immer gilt. Einstweilen wirkten daselbst der Thomascantor Chr. Th. Weinlig, der Nachfolger des wackeren J. G. Schicht, der Musikdirektor Ch. A. Pohlenz, der einflußreiche Redacteur der Allg. musik. Zeitung J. F. Rochlitz, der strenge und doch liebenswürdige und bescheidene G. W. Fink u. a. Vor allem wandte Weinlig dem wissensdurstigen Theologen seine Aufmerksamkeit zu. Er, der auch R. Wagner’s Lehrer war, wußte, wie dieser sagt, seinen Schülern spielend die Künste des Contrapunktes beizubringen und wenn auch nicht alle, wie er, binnen eines halben Jahres dahin gelangten, die schwierigsten Aufgaben des Tonsatzes mit Leichtigkeit zu lösen, besaß er doch jedenfalls für den theoretischen Unterricht besondere Begabung und viel Geschick. R. kam also in die besten Hände und er war nicht nur im Stande die Stellung, die einst sein Lehrer inne hatte, später in würdigster Weise auszufüllen, er vermochte ihn auch als Componist und Pädagog weit zu überflügeln. Vorläufig wurde er Gründer und Leiter des „Zittauer Gesangvereins“, eines Vereins, der für die zahlreichen Studenten, welche aus der Lausitz alljährlich nach Leipzig zogen, ein musikalischer Sammelpunkt werden sollte, später aber mit den „Paulinern“ sich verschmolz. Nach Pohlenz’ Tode (1842) ward ihm die Direction der Singakademie übertragen, die er 5 Jahre beibehielt. Mit der Gründung des Conservatoriums (1843) übernahm er neben Hauptmann den Unterricht in der Harmonielehre und in der Composition, ward auch bei der 25jährigen Jubiläumsfeier der Anstalt zum kgl. Professor ernannt. Nebenher führte er die Functionen eines Organisten seit 1851 an der Peterskirche, seit 1862 an der Neukirche und bald nachher an der Nicolaikirche. Endlich fand er feste, ehrenvolle Lebensstellung, nach Hauptmann’s Tode, 1868, als Cantor an der Thomasschule und Musikdirector der beiden Hauptkirchen. – R., ein kleiner, äußerst beweglicher Mann, mit lebhaften, geistvoll blickenden Augen, entfaltete, wie schon angedeutet, insbesondere als Lehrer eine segensreiche und verdienstvolle Thätigkeit. Ein tadelloser Charakter, bethätigte er Schülern und Freunden gegenüber stets liebenswürdiges Entgegenkommen und ehrlich offene Gesinnung, und war ein treuer, rastlos sorgender Familienvater. Seine über die ganze Welt hin zerstreuten Scholaren werden ihm immer aufrichtige Verehrung und das dankbarste und freundlichste Andenken bewahren. – Außer einigen kleineren Werken: „Die Grundzüge der musik. Formen und ihre Analyse“; „Die Elementarkenntniß zur Harmonielehre und zur Musik überhaupt“. „Katechismus der Orgel“, veröffentlichte R. seit 1860 drei in vielfachen Auflagen erschienene Lehrbücher des Tonsatzes: Bd. 1. „Lehrbuch der Harmonie“ (dazu schrieb sein Sohn Alfred R. [457] geb. am 1. April 1846, erst Lehrer am Leipziger, dann Londoner Conservatorium, ein Aufgabenbuch). Bd. 2. „Lehrbuch des einfachen und doppelten Contrapunktes“. Bd. 3. „Lehrbuch der Fuge“. Auch viele der Artikel über musikalische Theorie im Mendelschen musikalischen Conversationslexikon stammen aus seiner Feder. Von den praktischen Werken Richter’s, die allerdings nicht nach hunderten zählen, dafür aber durch Gediegenheit und innern Werth sich auszeichnen, vermag ich Op. 2–5 und Op. 28 nicht näher anzugeben. Ohne Opuszahl sind bekannt geworden: Oratorium: „Christus der Erlöser“ (aufgef. 8. März 1849). Hymne zur Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst. Cantate zur Schillerfeier (1859). Gebet für Sopran und Alt mit Orgel. 6 Hymnen für Alt oder Mezzosopran mit Quintettbegleitung. Eine Ouverture für großes Orchester, u. a. Außerdem mit Opusnummern Psalmen mit Orchester: 126. Ps. Op. 10; 116. Ps. Op. 16; 131. Ps. Op. 17. Hymne: Heilig und hehr, für Chor und Orchester, Op. 8. Ecce quomodo moritur für Chor u. Orch. Op. 57. Psalmen u. Motetten ohne Begleitung (R. hat in den letzten Jahren seines Lebens insbesondere in seinen doppelchörigen Tonsätzen a capella Hervorragendes geleistet): Op. 22, 3 Motetten; Op. 36, 4 Motetten 8st. (Ps. 100, 95, 114, 7); Op. 40, 3 Motetten; Op. 42, Ps. 22; Op. 45, Motette (Herr, höre mein Gebet); Op. 56, Ps. 68, beide 2-chörig. Motette für Männerstimmen (Wie lieblich sind deine Wohnungen), Op. 38. Missa, 4st. Op. 44; Missa, 2chörig Op. 46; Salvum fac regem, Op. 23; Stabat mater, Op. 47; Agnus Dei, 12st., Op. 49; 6 geistl. Gesänge, 6st. Op. 50. – 40 vierstimmige geistl. Gesänge für gemischte Stimmen: Op. 24, 41, 43, 52, 53, 54 und 55; 5 für Männerstimmen Op. 32 und 39; Dithyrambe v. Schiller für Chor u. Clavier Op. 48; 16 Lieder für gemischte (Op. 12, 14 u. 18) und 10 für Männerstimmen (Op. 1 und 51); 8 zweistimmige Lieder mit Clavier Op. 13 und 35; 16 einstimmige Op. 9, 11 und 15. – Streichquartett (e-moll), Op. 25; Sonate für Clavier und Violine (a-moll), Op. 26; für Clavier u. Cello (A-dur) Op. 37. Variationen über ein Originalthema, Op. 34 und 6 Clavierstücke, Op. 58, beides à 4 mains. Claviersonaten (cis-moll), Op. 27 und (Es), Op. 33. Kleinere Klavierstücke, Op. 6, 7, 30 und 31. Für Orgel: Fantasie und Fuge, Op. 19; 3 Präludien und Fugen, Op. 21; 6 u. 3 Trios oder Choralvorspiele, Op. 20 und 29. Präludium zum Chorale: Gott des Himmels und der Erden.