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ADB:Rinach, Hesso von

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Artikel „Rinach, Hesso von“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 620–625, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rinach,_Hesso_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 11:16 Uhr UTC)
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Band 28 (1889), S. 620–625 (Quelle).
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Rinach: Hesso v. R., Minnesänger, gehört einem aargauischen Dienstmannengeschlechte an, das nacheinander unter den Lenzburger, Kiburger und Habsburger Grafen gestanden, aber auch vom Stifte Beromünster Güter zu Lehen getragen hat. Die Stammburg, die untere oder alte R., lag im oberen Winonthale, 20 Minuten südwestlich von dem heutigen Flecken Reinach (Kt. Aargau), auf einem aussichtsreichen Hügel und war von mehreren – wenigstens zwei – vermuthlich bodenzinsfreien Höfen umgeben, aus denen nachher (1751) die politische Gemeinde „Burg“ entstanden ist. Die Reste dieses Stammsitzes, namentlich eine mit Gesträuch und einzelnen Tannen bewachsene Thurmscharte, waren noch übrig, als zu Ende 1871 die Familie Fischer in Reinach ihr Eigenthumsrecht schenkweise an die genannte Gemeinde abtrat, welche dann die Ruine abbrechen und mit Benutzung der Mauersteine auf der alten Stelle ein neues stattliches Schulhaus errichten ließ (1874). Die frühere Geschichte der Burg und des Geschlechtes ist unsicher; urkundlich erscheinen zuerst 1210 die Brüder Arnold und Hesso v. R. als Zeugen bei einem Gütertausche zwischen Graf Rudolf dem Alten von Habsburg und dem Abte Heinrich I. von Engelberg (Geschichtsfreund IX, 200 und XX, 212). Diese Brüder stifteten zwei Linien: Arnold und seine Söhne Jakob und Heinrich bewohnten die alte Burg; Hesso erbaute anderthalb Stunden südöstlich von derselben die obere oder neue R., welche sich in anmuthiger Gegend über dem Baldeggersee auf einem östlichen Ausläufer des Höhenzuges zwischen dem See- und dem Winonthale erhob. Noch jetzt ragt dort auf dem im Hochsommer mit Enzianen bestandenen Burghofe der Rest eines Thurmes empor; nach drei Seiten schließen sich Mauertrümmer an, aus denen sich die Grundform des Baues errathen läßt; südwärts zeigt sich ein tiefer kellerartiger Raum mit theilweise erhaltenem Gewölbe. Da diese neue Burg, deren Name in einem nahen Weiler fortlebt, auf Gütern von Beromünster stand, so war sie dem Stifte anfangs zinspflichtig, bis dasselbe am 27. Sept. 1302 „auf alle Forderungen an die Burg R., die obere“, gegen Abgabe eines Pfundes Wachs verzichtete (Neugart, Codex diplom. II, 361). Eine dritte, um die Mitte des 14. Jahrhunderts erwähnte und gleichfalls von Angehörigen dieses Geschlechtes bewohnte Burg, Hinter-R., lag eine Stunde südwestlich von Alt-R. im Banne des luzernischen Dorfes Mullwil auf einem ziemlich steilen, annähernd konisch gebildeten und bewaldeten Hügel. Spuren des Hochbaues zeigen sich hier nirgends mehr; doch erkennt man in den mit Gras und Moos überwachsenen Grundmauern noch jetzt die kreisrunde Form des ehemaligen Bergfriedes (J. L. Aebi im Anzeiger f. schweizer. Geschichte 1878, S. 5–7). Alle drei Burgen wurden im Juni 1386 von den Luzernern zerstört; bei Sempach (9. Juli) fielen bekanntlich mehrere des Geschlechtes, wie denn auch Halbsuter’s Schlachtlied, nicht eben in freundlicher Weise, desselben zweimal gedenkt (Str. 11 u. 65 des Tschudischen Textes: bei v. Liliencron, Histor. Volkslieder I, 127 b u. 139 a). Nach der Verwüstung ihrer Schlösser zogen die Rinacher theils auf die Trostburg, welche ihnen durch Heirath zugefallen war, theils nach Beromünster, wo sie ein eigenes Haus auf dem Stalden besaßen. Von da an verkauften sie allmählich ihre liegenden Güter, besonders seit die Eidgenossen den Aargau erobert und die Berner die Trostburg zerstört hatten (1415), und wanderten nach dem Sundgau und dem Elsaß aus, wo sie in der Folge zu neuem Ansehen gelangten. – Was nun den Dichter betrifft, so will ihn v. d. Hagen (Minnesinger IV, 147 f.) in dem oben angeführten älteren Hesso von 1210 erkennen, wie dies auch noch R. König in seiner Litteraturgeschichte (S. 180) thut. Aber schon im vorigen [621] Jahrhundert hat sich der General v. Zurlauben (Stemmatogr. Helvet. XLI, 195) für einen jüngeren Hesso erklärt, und die neueren Litterarhistoriker, voran K. Bartsch und J. Bächtold, sind aus sprachlichen Gründen zu derselben Ansicht gelangt, wobei der Umstand, daß es sich hier um einen Geistlichen handelt, keine Schwierigkeit bietet, da ja auch ein Abt von St. Gallen (wahrscheinlich Wilhelm, 1281–1301), Bruder Eberhard von Sax (1309), der freilich sein Talent in den Dienst der Jungfrau Maria stellt, und Rost, Kirchherr von Sarnen († am 21. Dec. 1330), Minnelieder gedichtet haben. So geben denn nun die Litteraturgeschichten folgende, aber, wie sich zeigen wird, mehrfach zu berichtigende Auskunft: Hesso der jüngere ist von 1239–1247 Leutpriester von Hochdorf, 1250 Chorherr in Beromünster und 1254 in Zofingen, erscheint von 1265–1276 wiederholt urkundlich als Propst zu Werd und stirbt um das Jahr 1280. – Ueber seine Abkunft hat sich niemand geäußert, und in der That läßt sich darüber kein sicherer Nachweis geben. 1247 waren seine Eltern schon todt und lagen in Hohenrain (Kt. Luzern) bei den Johannitern begraben (Geschichtsfr. XXVII, 289). Wie sie hießen, erfahren wir leider nicht; doch sind es wahrscheinlich der obige Arnold und seine Gattin Margarita von Rued gewesen. Gleich zehn anderen seines Geschlechtes, darunter zwei Heinriche, Arnold († 1302), Berthold († 1303), Matthias († 1310) und Jakob (Propst von 1313–1362, † am 10. Mai 1363), trat er als Chorherr in das Stift Beromünster ein, dessen Schule er wol vorher besucht hatte. Zum ersten Male erscheint er 1234 als Leutpriester in Hochdorf (Kt. Luzern), dessen Kirchensatz dem Stifte gehörte. Damals erbot er sich, den Proceß wegen eines dem letzteren bestrittenen Gutes in Ottenhausen (Dörfchen bei Hochdorf) auf seine Kosten zu führen, wenn man ihm das Gut, falls er obsiege, auf Lebenszeit überlasse. Das Stift genehmigte diesen Vorschlag, als er noch 2 Schillinge jährlichen Zins zu geben versprach (Riedweg a. u. a. O. 77). Es scheint daher unbedenklich, ihn auch in dem Hesso (Can. beron., ohne den Zusatz „von R.“) zu erblicken, welcher am 21. April 1235 Zeuge ist, da Abt Heinrich II. von Engelberg von dem Ritter Ulrich von Büttikon um 17 Mark Güter kauft (Herm. v. Liebenau, Versuch e. urkundl. Geschichte d. reichsfr. Stiftes Engelberg, Luzern 1846, S. 140, Regest 43), um so mehr, als er auch später einmal (1265) nur „Hesso, Propst zu Werd“, heißt. Am 23. Mai 1239 bezeugt er, wiederum als Leutpriester von Hochdorf, mit vollem Namen eine Engelberger Urkunde (a. a. O. 74); 1247, nach dem 24. Sept., erklärt er in der Eigenschaft eines Chorherrn und Leutpriesters („Ego Hesso, canonicus Ecclesiae Beronensis et plebanus de Hoctorf – facio manifestum“), daß er von dem Johanniterhause Hohenrain um 8 Mark ein Gut gekauft habe, das nach seinem Tode an die Spitalbrüder zurückfallen solle, unter der Bedingung, daß in Hohenrain, wo seine Eltern und sein Bruder begraben lagen, deren Jahrzeit künftig am 9. Sept. feierlich begangen und daß an diesem Tage der Tisch der Brüder mit gutem Wein (de nobili vino) und Fleisch versehen werde (Geschichtsfr. XXVII, 289). Am 17. Nov. 1250 bezeugt er mit elf anderen Chorherren, darunter auch sein wahrscheinlicher Oheim Heinrich von R. (nicht sein Bruder, wie Bartsch, Germania IX, 146, meint), einen Ausgleich zwischen Bischof Eberhard von Konstanz und Beromünster wegen der bischöflichen Quart in Hochdorf, Pfäffikon und Sarnen und wegen der Verpflegung des vierten Jahres, zwei Rechte, auf welche ersterer gegen eine Güterabtretung im Werthe von 200 Mark verzichtet. Ferner handelt es sich offenbar um ihn und denselben Heinrich von R. (Kopp, Eidgen. Bünde II, 2, 501, Anmerk. 4, glaubt: um Arnold von R., der aber erst später auftritt), wenn nach langem Streite des Stiftes mit dem Kiburger Untervogt Arnold von Richensee, welcher sich vielfache Uebergriffe und Gewaltthätigkeiten gegen jenes erlaubt hatte, in dem endlich [622] 1255 zu Stande gekommenen Spruche der Vogt beschuldigt wird, die Herren von R. vor das weltliche Gericht gezogen und sie zum Hohne „Schulbuben“ (scolares) genannt zu haben (Neugart, Codex diplom. II, 205; Kopp a. a. O. 501). 1265, zwischen dem 2. und 9. Febr. (infra octavam Purificationis), heißt er zum ersten Male Propst zu Werd (praepositus Werdensis): in dieser Eigenschaft ist er mit 4 anderen Geistlichen zugegen, als Hugo von Jegistorf, Chorherr zu Beromünster, eine mit der Stiftung seiner Jahrzeit verbundene Gütervergabung an die Cistercienserabtei Frienisberg (Kt. Bern) am Hochaltare der Stiftskirche Beromünster feierlich erneuert (Fontes rerum Bernensium, 2. Bd., Bern 1877, S. 622 f.). Seine Wahl zum Propste von Werd kann nicht lange vorher geschehen sein, da sein Amtsvorgänger Heinrich am 7. Sept. (1264) gestorben ist. Das nunmehr von ihm geleitete weltliche Chorherrenstift Werd (Clarowerda, Ecclesia Werdensis, Herbst 1874 aufgehoben) im heutigen Kanton Solothurn bestand bis 1576 aus einem Propst und 12 Kanonikern. Eine Stunde von Aarau entfernt und gleich dem umliegenden Dorfe seit dem 16. Jahrhundert „Schönenwerd“ geheißen, war es im 12. Jahrhundert aus einer schon 778 erwähnten Celle hervorgegangen und vermuthlich bei seiner Umwandlung von einer rechtsuferigen Halbinsel der Aare, dem „Werde“, nach einem nahen Felsenhügel verlegt worden. Die schöne, leider durch spätere Umbauten entstellte Stiftskirche, wol ein Werk des 12. Jahrhunderts, ist eine römische Pfeilerbasilika mit drei Absiden und noch heute vorhanden (R. Rahn im Anzeiger für schweizer. Alterthumskunde 1873, S. 438). Bei Hesso’s Amtsantritt befand sich das Gotteshaus in einer mißlichen Lage; denn wie einst Arnold von Richensee gegen Beromünster, so hatte auch hier der Stiftsvogt, der Edle G(erhard II.) von Göskon, dessen Stammburg sich in ihren Trümmern noch jetzt Schönenwerd gegenüber auf dem linken Aareufer erhebt, mancherlei Eingriffe in den Besitz und die Rechte des Gotteshauses verübt. Es zeugt von Hesso’s Muthe, daß er es wagte, jenen bei Rudolf, Grafen von Habsburg und Landgrafen im Elsaß (dem späteren Könige), zu verklagen. Dieser erschien hierauf in Aarau und schlichtete dort am 31. August 1265 die zwischen Werd und dem Vogte obwaltenden Streitigkeiten. Gerhard gab zu, daß das Dorf (villa) und die Leute von Werd des Stiftes Eigenthum seien, versprach die Immunität und Freiheit des Gotteshauses nicht ferner anzutasten, nicht mehr gewaltsam in die Häuser und Höfe der Chorherren einzudringen, sich dort an niemanden, weder Lebenden noch Todten, zu vergreifen und als Ersatz des durch ihn bewirkten Schadens 2 Huben von seinen Gütern in Göskon und der Nachbarschaft abzutreten (Solothurner Wochenblatt 1821, S. 379–381). Unter Hesso’s Verwaltung mehrte sich auch der Besitz des Stiftes; denn am 3. August 1266 urkundet H(artmann), Graf von Froburg, daß die edle Frau Amphalisa, Schwester Johann’s und Werner’s von Ifenthal, ihre Erbgüter in Stüßlingen, Winznau und Lostorf (bei Schönenwerd) durch seine als des zeitlichen Herrn Hand kaufsweise dem Stifte Werd übergeben habe (Soloth. Wochenbl. a. a. O. 550 f.). Zwei lateinische Urkunden von 1271 und 1273 nennen den Propst nur mit dem Anfangsbuchstaben seines Namens (Kopp a. a. O. 430, Anmerk. 4); 1272 zeugt er in einer lateinischen Urkunde mit vollem Namen (Zurlauben’sche Sammlung in Aarau) und beurkundet in gleicher Weise einen Güterwechsel am 4. Juli 1273 (Soloth. Wochenbl. a. a. O. 381 f.). 1275 gehörten ihm außer den Pfründen von Beromünster, Werd und Hochdorf noch sechs andere. Den Beweis liefert ein für das Konstanzer Bisthum angefertigtes Steuerbuch (Liber decimationis pro Papa de anno 1275, abgedruckt im „Freiburger Diöcesan-Archiv“, 1. Bd., Freib. i. Br. 1865, S. 15–245), das seine Entstehung einem Beschlusse des zweiten Lyoner Concils von 1274 verdankt. Danach mußte der gesammte Klerus zum Zwecke [623] eines neuen Kreuzzuges sechs Jahre lang (24. Juni 1274 bis 24. Juni 1280) den zehnten Theil seiner Einkünfte dem Papste als Steuer überlassen. Das Buch verzeichnet den „Propst in Werd“ als Inhaber der Pfarreien Hochdorf, Pfäffikon, Klein-Wangen, Klein-Dietwil (Tůtwile), Birrwil, Hägglingen (Hegelingen) und Bürgeln (a. a. O. 176 f., 234 u. 235). In den sechs ersten Dörfern – sie liegen alle in den Kantonen Luzern und Aargau – hatte Beromünster den Kirchensatz. Wann und durch wen Hesso in den Besitz der Pfarrei Bürgeln (in Uri?) kam, läßt sich nicht nachweisen. Es versteht sich, und das Steuerregister bezeugt es überdies, daß er diese Pfründen durch Stellvertreter (vicarii) verwalten ließ. Er selbst gibt das jährliche Einkommen der drei ersten nebst Hägglingen und Bürgeln auf 60 Mark Konstanzer Gewichtes an; als Steuer zahlte er davon für das ganze Jahr 6 Mark. Die Einkünfte der Werder Chorherrenpfründen schätzt er insgesammt auf 72 Mark, diejenigen der Propstei auf 10 Pfund, entrichtete aber für sein Capitel und dessen Pfründen jährlich nur 4 Mark, weil ein Theil des Ertrages aus der Baseler, nicht aus der Konstanzer Diöcese floß. Aus einer anderen Quelle ergibt sich ferner, daß er als sogen. nichtresidirender Chorherr von Beromünster jährlich 12 Pfund bezog (Riedweg a. u. a. O. 169). Wenn dann aber neuere Schriften anführen, er sei 1254 auch noch Chorherr des Mauritiusstiftes in Zofingen gewesen, so thun sie dies ohne urkundlichen Nachweis, den selbst C. Brunner (Das alte Zofingen u. sein Chorherrenstift, Aarau 1877, S. 7, 41 f. u. 64) schuldig bleibt. Vermuthlich handelt es sich hier um eine Verwechslung mit seinem oben berührten Verwandten Heinrich von R., der 1249, 1254 und 1255 als Chorherr daselbst erscheint. Dagegen hat er wol eine solche Pfründe zu Münster in Granfelden (Monasterium grandis vallis, Moutier-Grandval, im bernischen Jura) bekleidet: wenigstens hat ihn ein päpstliches Breve zu einer solchen empfohlen. Auf Bitte des Grafen von Neuenburg ersuchte nämlich Innocenz IV. am 17. Juni 1247 von Lyon aus den Propst und das Capitel des genannten mit Werd engverbundenen Stiftes den H(esso) von R. („dicti Comitis clericum specialem“) in die Zahl der Chorherren aufzunehmen (Elie Berger, Les registres d’Innocent IV, no. 3091; Pertz, Epistolae saeculi XIII., tom. II., p. 300). Das Breve nennt ihn „durch Adel des Geschlechtes, durch Charakter und Kenntnisse (scientia) empfohlen“ und erklärt damit nebenbei die Pfründenhäufung, deren nur hervorragende Geistliche zur Vermehrung ihrer Einkünfte theilhaftig wurden, wirft aber auch ein willkommenes Licht auf seine politische Gesinnung zu der Zeit, da nach dem ersten Lyoner Concil (1245) der Kampf zwischen Kaiser und Papst am heftigsten entbrannt war. Was man schon von vornherein annehmen darf, daß nämlich Hesso als kiburgischer Vasall auf päpstlicher Seite gestanden habe, das bestätigt das Breve, indem es erklärt: „er scheine durch viele Beweise des Gehorsams und aufrichtiger Ergebenheit gegen den römischen Stuhl eine Gabe der Huld und Gnade verdient zu haben“ (sincere devotionis intentis obsequiis apud nos gratiosi donum dicitur meruisse favoris). Der Graf von Neuenburg aber, der sich für Hesso beim Papste verwendete, ist kein anderer als Rudolf III., der Sohn Ulrich’s (1225–1258), in der Weingartner Handschrift nach seinem Schlosse am Bielersee Rudolf von Fenis geheißen, in welchem neulich auch K. Bartsch (a. u. a. O. XV) nach dem Vorgange Siegfr. Pfaff’s den Minnesänger dieses Namens erkannt hat. – 1276 kommt Hesso noch zu drei verschiedenen Malen als Propst zu Werd vor: er besiegelt eine Urkunde im Hause Ulrich’s von Obernau, als Walther von Williswiler und seine Ehefrau Hemma um 20 Mark Silbers ein Haus kaufen, es den Johannitern von Hohenrain zum Pfande setzen und es um den jährlichen Zins von 6 Pfenningen zurückempfangen (Kopp a. a. O. 178, Anmerk. 3); er waltet als Obmann mit zwei anderen Schiedsrichtern „in Herrn [624] Konrads Haus von Heidegg in seiner Stube da zu Hitzkirch“ (Kt. Luzern) bei einem Güterstreite zwischen den Spitalbrüdern in Hohenrain und Johannes von Heidegg (Geschichtsfr. I, 34; Facsimile der zierlich geschriebenen deutschen Urkunde am Schlusse des Bandes; Bartsch a. u. a. O. LXXVII f.) und siegelt endlich für Heilwig, die Hausfrau Arnold’s von Liebegg, der an Hohenrain 4 Schuposen zu Beinwil (am Hallwilersee, Kt. Aarau) um 26 Mark verkauft (Kopp a. a. O. II, 1, 433). Alle drei Urkunden zeigen ihn uns in der Umgebung von Beromünster. An diesem Orte wird er überhaupt oft verweilt haben, da er dort ein Haus ob der sogen. Schulherrei zwischen dem Stalden und der Kirche besaß. Dasselbe gehörte später seinem Verwandten, dem gelehrten Custos Heinrich von Dießenhofen († 1376 als Dompropst in Konstanz), der von mütterlicher Seite ein Vetter des oben erwähnten Propstes Jakob von R. war. Von diesem Hause „Hesso’s, weiland Propstes zu Werd“, mußten, als dasselbe in andere Hände übergegangen war, 8 Schillinge Bodenzins für eine Jahrzeit am Allerseelentage (2. Nov.) gegeben werden (Geschichtsfr. V, 146). – Wann Hesso gestorben ist, wird sich kaum jemals genau bestimmen lassen, da in den noch erhaltenen Bruchstücken des älteren Jahrzeitbuches von Werd (Staatsarchiv Solothurn) die auf ihn bezügliche Stelle fehlt; doch muß sein Tod zwischen 1276 und 1282 fallen, denn sein Nachfolger in der Propstwürde, Konrad von Göskon, tritt zum ersten Male am 20. Sept. 1282 urkundlich auf (Soloth. Wochenbl. 1821, S. 383). Irrig läßt ihn das Jahrzeitbuch von Beromünster am 31. Juli 1274 sterben, ein Datum, das sich offenbar nur auf das von ihm gestiftete Seelgeräthe – 1 Malter Spelt und 2 Malter Hafer – beziehen soll (Geschichtsfr. V, 129). Hier heißt er „Propst zu Werd und Chorherr von Beromünster“ (praepositus Werdensis et huius Ecclesiae canonicus), ein fernerer Beweis, daß die bisher geläufige Stufenfolge seiner geistlichen Würden nicht Stich hält: er ist vielmehr von Anfang an Chorherr in Beromünster und bleibt dies bis zu seinem Tode. – Wo er seine Liederkunst erlernt hat, läßt sich natürlich nicht feststellen: vielleicht unter dem Einflusse des erwähnten Grafen Rudolf von Neuenburg, zu dem er als Caplan (clericus specialis) augenscheinlich in engeren Beziehungen stand; vielleicht auf der Kiburg, wo offenbar Dichter und Sänger verkehrten, wenn auch die dortigen Grafen trotz dem von Wengen sich kaum durch „Milde“ auszeichneten; vielleicht auch in Beromünster selbst, wo Sinn für Gesang herrschte, wie der lateinische Dichter Rudolf von Liebegg (s. A. D. B. XIX, 802 f.) und das nach Donaueschingen gekommene Bruchstück der „Klage“ beweisen. In dem Bilde der ehemaligen Pariser, jetzt Heidelberger Handschrift C steht Hesso reichgekleidet vor einer Burg und empfängt eine Menge Armer und Lahmer beiderlei Geschlechtes, die zum Theil an Krücken gegen ihn herankommen, eine Darstellung, die seinem geistlichen Amte entspricht, obwohl die Tracht nicht geradezu den Kleriker verräth. Das Wappen derselben Handschrift ist das dem habsburgischen ähnliche rinachische: im goldenen Felde ein aufrecht stehender, nach rechts schauender rother Löwe mit blauem Haupte. Die beiden dem Dichter gehörenden Lieder haben zwar vor anderen jener Zeit nichts besonders Eigenthümliches voraus, sind aber von edler Einfachheit und großer Sauberkeit der Form und schon deshalb nicht dem älteren Hesso zuzuschreiben. Beide zeigen dreitheiligen Strophenbau ohne „verwandtschaftliche Beziehung von Stollen und Abgesang“. Das erste, trochäische, enthält eine Liebesklage mit Schilderung der Reize der Geliebten und der Bitte, daß sie den Dichter trösten möge, das zweite, jambische, eine Aufforderung zur Frühlingslustbarkeit mit der Hoffnung auf Erhörung von Seite der Geliebten. Aus der formelhaften Schlußwendung des letzteren: „Wenn sie spräche: Ich bin dir hold, – ich nähme es für des Kaisers Gold“, läßt sich eine Zeitbestimmung für die Entstehung des [625] Liedes – vor 1250 – nicht herauslesen, obwol es immerhin in Friedrich’s II. Regierung, d. h. in Hesso’s jüngere Jahre, fallen wird. Ein Facsimile des ersten Liedes gibt König’s Litteraturgeschichte (nach S. 180); ein früher Druck desselben (vielleicht zugleich mit dem zweiten) in einem fliegenden Blatte o. J. nach der Handschrift C ist leider jetzt verschollen (Bartsch im Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit, N. F., 26. Bd., 1879, Sp. 36). Eine gelungene neuhochdeutsche Uebersetzung des zweiten Liedes von E. Groos hat Jos. Bader mitgetheilt (Badenia, 3. Jahrgang, Karlsruhe 1844, S. 152, Anmerk. 11).

K. Bartsch, Die Schweizer Minnesänger. (A. u. d. T.: Bibliothek älterer Schriftwerke d. deutschen Schweiz. Hrsg. von J. Bächtold u. F. Vetter. 6. Bd.) Frauenfeld 1886. S. LXXV–LXXIX, 110–112 (Lieder) u. 426 (Lesarten). Den an erster Stelle genannten Quellen sind noch beizufügen: Egb. Fr. v. Mülinen, Helvetia Sacra, 1. Thl., Bern 1858, S. 56. – M. Estermann, Die Stiftsschule von Bero-Münster, Luzern 1876, S. 18. – A. Bircher-Bruggisser, Ein Minnesänger aus d. Wynathal – in: Programm d. Bezirksschule Reinach, Menziken 1878, S. 11–15. – Matthias Riedweg, Geschichte d. Kollegiatstiftes Beromünster, Luzern 1881, S. 77, 81, 83, 176 u. 457. – M. Estermann, Geschichte d. Pfarrei Rickenbach. Der Heimathskunde für d. Kt. Luzern IV. Lief., Luzern 1882, S. 106–108. – Derselbe, Geschichte d. alten Pfarrei Pfäffikon. Der Heimathskunde für d. Kt. Luzern V. Lief., Luzern 1882, S. 20 f., 107, 164–167. – J. Bächtold, Geschichte d. Deutschen Litteratur in d. Schweiz, 2. Lief., Frauenfeld 1887, S. 153 u. Anmerkungen S. 41. – Außerdem gef. Mittheilungen der Herren: Staatsarchivare Dr. Th. von Liebenau in Luzern, Dr. H. Herzog in Aarau u. J. Amiet in Solothurn, Studiosus Walther Merz von Menziken u. Fabrikant Franz Bally in Schönenwerd.