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ADB:Rost, Johann Leonhard

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Artikel „Rost, Johann Leonhard“ von Siegmund Günther, Max von Waldberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 274–276, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rost,_Johann_Leonhard&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 04:11 Uhr UTC)
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Band 29 (1889), S. 274–276 (Quelle).
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Rost: Johann Leonhard R., Astronom, geboren am 14. Februar 1688 zu Nürnberg, † ebenda am 22. März 1727. R. besuchte folgeweise die Schule zu St. Sebald, das Aegidiengymnasium und die Universitäten Altdorf (1705–8), Leipzig (1708–9) und Jena (1709–12). Immatriculirt war er für Philosophie und Rechte, daneben aber betrieb er eifrigst die astronomischen Studien, mit welchen er schon als Schüler unter der Leitung des wackern Eimmart begonnen hatte. Später lebte er in Nürnberg, ohne sich als wohlhabender Mann um ein Amt zu bewerben. Einen Theil seiner Zeit widmete er der schönen Litteratur (s. u.), sein Hauptaugenmerk aber blieb nach wie vor auf die Sternkunde gerichtet. In der bekannten Breslauer Sammlung veröffentlichte er eine Anzahl meteorologischer Beobachtungen über Nebensonnen, Polarlichter, Hagelfälle u. s. w.; auch über den Zeitunterschied zwischen gregorianischem und julianischem Kalender verbreitete er sich in einem besondern Schriftchen. Weit bedeutender sind dagegen Rost’s Lehrbücher. Man darf behaupten, daß das „Astronomische Handbuch“ (Nürnberg 1718, mit einem Supplement 1726) das erste streng wissenschaftliche Compendium der Astronomie in deutscher Sprache ist; dies wurde auch anerkannt, die Berliner Akademie ernannte R. darauf hin zu ihrem correspondirenden Mitgliede, und noch viel später konnte v. Kordenbusch das Rost’sche Handbuch in verbesserter vierbändiger Auflage (Nürnberg 1771–77) herausgeben. Recht tüchtige Leistungen sind auch der „Atlas coelestis portativus“ (Nürnberg 1723) und „Der aufrichtige Astronomus“ (ibid. 1727).

Auch Rost’s jüngerer Bruder Johann Karl (24. November 1690 bis 29. September 1731), der als praktischer Arzt in Nürnberg lebte, war ein eifriger Meteorologe. Im Jahrgang 1728 der „Fränk. Acta erudita“ veröffentlichte er ganz interessante phaenologische Tabellen, sonst noch mehreres in dem erwähnten Breslauer Sammelwerke.

[275] Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1730, S. 151 ff. – Hellmann, Repertorium der Deutschen Meteorologie, Berlin 1888, Sp. 416 ff.

Rost’s schöngeistige Leistungen bewegen sich vorwiegend auf dem Gebiete des am Beginne des 18. Jahrhunderts so beliebten Rococoromans. Seine künstlerische Bedeutung steht im umgekehrten Verhältnisse zur Fülle seines Schaffens. Im Vereine mit Bohse (Talander), Hunold (Menantes) u. a. versorgte er das lesegierige Publicum mit galanten Heldenromanen, bei denen die Entscheidung schwer fällt, ob die verworrene Composition, die langweilige Wiederholung derselben Motive, oder die Unnatur der Sprache an ihnen das schlechteste sei. Die einfachsten künstlerischen Grundsätze der Erzählung werden mißachtet, und nur rohe Häufung der Effecte oder plumpe Frivolitäten, welche die Althing’sche Richtung vorbereiten, sind die Mittel, um recht „curiöse“ Wirkungen zu erzielen. Rost’s Romane, die er hauptsächlich unter dem Pseudonym „Meletaon“ veröffentlichte, sind theils Uebersetzungen aus dem Französischen (z. B. „Venda, Königin in Pohlen“, Nürnberg 1715) oder Englischen („Leben und Thaten der englischen Coquetten und Maitressen“, London [Nürnberg, Raspe] 1721), theils Originalwerke („Die getreue Bellandra“, Nürnberg 1707; „Liebenswürdige und galante Novis in einem Heldengedichte“, Leipzig 1711 und zahlreiche andere). Alle diese Romane stehen unter französischem Einfluß und repräsentiren eine Fortsetzung und weitere Entwicklung des dort gepflegten heroisch galanten Romans, der in sich das „genre soutenu“ und das „genre galant“ vereinigte. Wie dort werden auch hier die sogenannten „personnages deguises“ eingeführt, in idealer Ferne und entlegenen Zeiten mit überflüssigem historisch-ethnographischem Beiwerk nahe Geschehnisse und Personen geschildert, die zu errathen das Hauptvergnügen der Leser bildete. Andere „Heldengedichte“ (z. B. „Eines nordischen Hofes Liebes- und Heldengeschichte“, Cölln 1714 oder „Die Helden- und Liebesgeschichten dieser Zeit“, Nürnberg 1715) die „verdeckte Lehren der Wahrheit“ zu geben prätendiren, enthalten oft die fortgeerbten abenteuerlichen Motive der griechischen sophistischen Liebesromane in die geschraubten und verkünstelten Formen des damaligen Hoflebens gesteckt und mit apokryphem, historischem und anderem Klatsch combinirt.

Rost’s Romane haben bei ihrem Erscheinen großen Beifall gefunden und manche wie „Der verliebte Eremit“ haben mehrere Auflagen erlebt. Bei seiner großen Production mußte er es sich gefallen lassen, daß ihm oft Werke gleichen Calibers zugeschrieben wurden. Gegen die Zumuthung, Sarcander’s Scandalroman „Amor auf Universitäten“ verfaßt zu haben, wehrte er sich jedoch energisch in der „Abgenöthigten Entschuldigung wegen vermeynter Verfertigung des Tractätgens: Amor auf Universitäten“, o. O. 1710. Er selbst hat aber ein Jahr darauf im „Schau-Platz Der Galanten und Gelährten Welt, Welcher die mancherley Begebenheiten auf Universitäten In einem Roman fürstellet“ … den gleichen Stoff mit gleicher Tendenz bearbeitet. In heftige litterarische Conflicte war er auch mit dem berüchtigten erotischen Schriftsteller Celander (J. G. Gressel) gerathen. Beide fochten ihre Kämpfe in den geschwätzigen umfangreichen Vorreden der einzelnen Romane aus. Wie die meisten Lohnschreiber jener Zeit gab R. auch eine ganze Reihe von Briefstellern heraus, die neben der belehrenden oft auch unterhaltende Tendenz haben. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in manchen dieser galanten Briefe Copien des eigenen Briefwechsels vermuthet, die der gewinnsüchtige Besitzer – wie es auch Hunold gethan hat – nutzbringend wieder verwendet. Als typischer Vertreter der Unterhaltungslitteratur [276] im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts und einer culturgeschichtlich interessanten litterarischen Richtung verdient Meletaon immerhin historische Beachtung.