Zum Inhalt springen

ADB:Rost, Johann Christoph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rost, Johann Christoph“ von Max von Waldberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 276–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rost,_Johann_Christoph&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 15:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rost, Johann Leonhard
Band 29 (1889), S. 276–278 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Christoph Rost in der Wikipedia
Johann Christoph Rost in Wikidata
GND-Nummer 118791273
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|29|276|278|Rost, Johann Christoph|Max von Waldberg|ADB:Rost, Johann Christoph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118791273}}    

Rost: Johann Christoph R., deutscher Dichter, wurde in Leipzig als Sohn des Küsters der dortigen Thomaskirche am 7. April 1717 geboren. Günstige Vermögensverhältnisse gestatteten dem Vater, seinem Sohne eine sorgfältige Erziehung zu gewähren und hervorragende Lehrer der Leipziger Universität wie Ernesti u. a. förderten seine Ausbildung, als er sich dem Studium der schönen Wissenschaften, Philosophie und Rechte widmete. Besonders warm schloß er sich an Gottsched an, der an dem zwar lebenslustigen aber talentirten, fleißigen und vielseitigen Jüngling großen Gefallen fand. Gottsched und seine Frau Adelgunde waren es auch, die R. – als Lamprecht sich an der Haude und Spener’schen Zeitung durch das Lob, das er Hagedorn, König und Brockes spendete, unmöglich machte – als einen „muntern Kopf“, der „in vielen Sachen, insonderheit aber in der Philosophie, französischen Sprache, im Style und in den humanioribus sehr geschickt“ sei, für die gelehrten Artikel dieser Zeitung empfohlen hatten. R. blieb jedoch 1742 nur kurze Zeit in Berlin und sein Aufenthalt daselbst ist nur durch die dort erfolgte erste Veröffentlichung seiner Gedichte erwähnenswerth. Sie erschienen unter Titel „Schäfer-Erzählungen“ mit einer Dedication an den kursächsischen Residenten in Berlin, Hofrath Siepmann, in demselben Jahre, sodann 1744 und endlich unter geändertem Titel „Versuch von Schäfergedichten und anderen poetischen Ausarbeitungen“ vermehrt und verbessert in zahlreichen Ausgaben und Nachdrucken, bis zum Jahre 1767, mit Ausnahme der letzten stets ohne Namensnennung des Autors. R. wußte Gottsched wenig Dank für dessen Bemühungen und wohlwollende Gesinnung, und als er von Berlin fortzog, schlug er sich bald auf die Seite der Gegner seines Gönners, der vorher in seinem Eifer für die Reform der deutschen Schaubühne, mit seiner früheren Genossin Karoline Neuber sich überworfen hatte. Die tragikomische Episode dieser Streitigkeiten, die Aufführung des von der Neuberin verfaßten Vorspiels „Der allerkostbarste Schatz“, in welchem Gottsched als „Tadler“ auf der Bühne erschien, gab R. die Anregung zu einem satirischen Gedichte „Das Vorspiel“, zu dessen Ausführung und Vollendung er von den einflußreichen Gegnern des Leipziger Professors angeregt wurde. Zuerst in Handschriften verbreitet, wurde das „Vorspiel“ 1742 gedruckt auf Gottsched’s Veranlassung confiscirt, worauf sich dessen schweizer Widersacher des Gedichtes bemächtigten und 1743 in einer Sammlung antigottschedianischer Schriften, in den „Kritischen Betrachtungen und freien Untersuchungen zum Aufnehmen und zur Verbesserung der deutschen Schaubühne“ in Bern wiederholt abdrucken ließen. In den von C. H. Schmid ohne Nennung seines Namens 1769 herausgegebenen „Vermischten Gedichten von Herrn J. C. Rost“, die durch den darin enthaltenen ersten Abdruck von Goethe’s Versen an den Kuchenbäcker Händel erhöhten litterarhistorischen Werth erhalten, ist das „Vorspiel“ wieder veröffentlicht worden und dann noch öfter.

Nach einem abermaligen Aufenthalte in Berlin, der diesmal etwas länger währte, kehrte R. wieder heim und wurde auf Empfehlung seines Gönners, Hofrath Siepmann, Secretär und Bibliothekar beim sächsischen Staatsmanne Grafen Brühl, mit dem er durch die Gegnerschaft gegen Gottsched manche persönliche und geistige Berührungspunkte hatte. In dieser ziemlich behaglichen Stellung, die sich noch materiell immer besserte, begründete er einen eigenen Hausstand, scheint dagegen litterarisch wenig thätig gewesen zu sein. Erst 1753, als der bekannte Streit wegen der Weiße’schen Operette „Der Teufel ist los“ entbrannte, [277] trat R. mit seinem vielleicht vom „Epitre du Diable à Mr. Voltaire“ angeregten Gedichte: „Der Teufel. An Herrn G., Kunstrichter der Leipziger Schaubühne. Utopien 1755“ hervor, das in einem schlechten Abdruck in Schmidt’s „Anthologie der Deutschen“, später genauer von F. Nicolai in Biester’s „Neuer Berlinischer Monatsschrift“ und dann noch öfter veröffentlicht wurde. Das Gedicht wurde Gottsched – auf den es gemünzt war – da er gerade zu jener Zeit eine Reise unternahm, auf jeder Station überreicht und da er sich beim Grafen Brühl wuthschnaubend beschwerte, wußte dieser es boshaft zu veranstalten, daß Gottsched selbst in Gegenwart des Verfassers das Pamphlet laut vorlesen mußte, worauf er mit dem mageren Troste, daß es nur eine Posse sei, entlassen wurde. Gottsched’s „werte Gehülfin“, die tapfere Adelgunde, rächte sich sodann durch ein Epigramm, das seine Spitze gegen R., vielleicht auch gegen seinen Gönner richtete: „Hört Christen eine neue Mähr: Rost ist des Teufels Secretär! Dies Amt ist ihm gar eben recht, Denn wie der Herr, so ist der Knecht“.

Von Rost’s späteren litterarischen Leistungen seien zunächst nur noch das berüchtigte Gedicht „Die schöne Nacht“ – später unter dem Titel „Die Brautnacht“ gedruckt –, ein im „Taschenbuch für Dichter und Dichterfreunde“ veröffentlichtes Lied „Kalliste“, und zwei vor seinem Tode gedichtete geistliche Lieder hervorgehoben. Die nach seinem Ableben erschienenen „Briefe, nebst einer vorläufigen Abhandlung von deutschen Briefen. Von dem Verfasser des Versuchs in Schäfergedichten. Franckfurt und Leipzig 1766“ sind werthlos, unbedeutend und zum großen Theil aus dem Französischen übersetzt. Im J. 1760 wurde R. zum Obersteuersecretär ernannt, und verblieb in dieser Stellung bis zu seinem Tode, der am 19. Juli 1765 in Dresden erfolgte. Läßt sich über Rost’s moralische Zuverlässigkeit, trotz der von Späteren versuchten Rettung kaum etwas Günstiges sagen, so ist anderseits seine poetische Begabung, wenn sie auch, ohne strenge kritische Schulung und bei mangelndem sittlichen Halt, sich nicht an würdigere künstlerische Aufgaben wagte, nicht zu unterschätzen. Er geht allerdings in seinen Schäfergedichten nicht weit über das abgebrauchte Schema dieser Gattung hinaus, er kennt und übt die technischen Mätzchen der pastoralen Lyrik und der petite poësie, hat mancherlei den damals viel nachgeahmten Contes des Lafontaine abgeguckt, aber trotzdem weiß er auch seine eigenen Wege zu gehen, und von der um jene Zeit aufblühenden anakreontischen Dichtung, die Wein predigte und Wasser trank, stand er abseits. Hinter der spielenden Lüsternheit seiner Schäfergedichte, die er mit den Dichtern der zweiten schlesischen Schule gemein hatte, glüht doch oft auch echte Leidenschaft, z. B. in der „Schäferstunde“, die sich auch durch rhythmischen Wohlklang und durch Naturempfindung auszeichnet. In einzelnen Gedichten, z. B. in der „Brautnacht“, erreicht er in der Schlüpfrigkeit oder auch in nackter Erotik Grecour und des Hofpoeten J. v. Besser’s „Ruhestatt der Liebe“, die überhaupt nicht ohne Einfluß auf R. gewesen sein müssen. Die der gewöhnlichen Rede angepaßte Sprache, die scheinbar harmlose Fröhlichkeit und sächsische redselige Gemüthlichkeit, mit der er im „Zeisignest“ einen lasciven Gedanken durchführt, ließen sogar auf Gellert als Verfasser rathen. In der Technik ihres Stils sind auch Beide von Lafontaine abhängig und R. deutet gelegentlich auf dieses Vorbild hin. Oft werden alte Motive neu gewendet und manchmal weiß er dadurch, daß er seinen derben Lascivitäten ein leichtes Tugendmäntelchen umhängt, seine heiteren Wirkungen zu erzielen. In solchen Uebergängen von scheinbar ernster Betrachtung zu lüsterner Leidenschaft bildet er eine litteraturhistorisch wichtige Vorstufe Wielands.

Künstlerisch gänzlich unbedeutend ist sein „Schäferspiel“, das von R. zuerst [278] unter dem Titel „Die gelernte Liebe“ veröffentlicht wurde, später als „Der versteckte Hamel“ in Berlin von der Schönemann’schen Gesellschaft mit großem Erfolge 16mal hintereinander gespielt wurde. R. hatte, nach einem Briefe an Gottsched zu schließen, die Absicht, das Stück nach dessen Rathschlägen umzuarbeiten, aber auch die späteren Drucke zeigen nicht die angedeuteten Aenderungen. Trotzdem ist „Der versteckte Hammel“ für die Entwicklungsgeschichte des Schäferspiels von Bedeutung, weil es mit seinen Schäfertypen und schablonenhaften Situationen das Schema repräsentirt, nach welchem diese Gattung von Gleim, Gellert, ja selbst von Goethe gedichtet wurde. – Die nachhaltigsten – wenn auch immer nur vorübergehenden Erfolge, erzielte R. mit seinen satirischen Gedichten. Das „Vorspiel“, an dem nur auszusetzen ist, daß so viel Witz und Geist an einem unbedeutenden Stoffe verschwendet wird, gehört zu den gelungensten Satiren der deutschen Litteratur, und verdiente anhaltenderen Nachruhm, als es erlebte. Selbst die zahlreichen persönlichen Beziehungen, die es enthält, können dieser poetischen Erzählung nichts von ihrer heiteren Wirkung rauben. Die lebendige scharf umrissene Zeichnung der einzelnen Personen, namentlich Gottsched’s, Schwabe’s und Corvinus’, verrathen eine über das gewöhnliche hinausgehende Begabung zu scharfer Charakteristik. Die Sprache ist gewandt, die Verse zeugen für ein großes Formtalent. Denselben rücksichtslosen Gebrauch seiner satirischen Begabung bekundet R. auch in seiner Epistel des Teufels an Gottsched, nur daß hier durch geschickte Verwendung der Hans Sachsischen Knittelverse äußerlich drastischere Wirkungen erzielt werden. Gegenüber der im 17. Jahrhundert geläufigen Kunstübung, durch überhastetes ruheloses Poltern, durch grobianischen Knüppelstil oder durch die auf spanische Muster zurückgehenden formlosen litterarischen Strafgerichte die Satire zu pflegen, bedeutet Rost’s satirische Dichtung in künstlerischer Beziehung einen unleugbaren Fortschritt, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Goethe’s Vorliebe für den Knüttelvers durch R. geweckt wurde. Wiederholt wurde Liscow als Verfasser der Rost’schen Satiren angesehen, weil selbst die Zeitgenossen dem sonst nicht als hervorragend bekannten Dichter die Kunst nicht zutrauten, in so leichter, gefälliger Form so scharfe Wirkungen zu erreichen. Bodmer jedoch im Hasse gegen Gottsched mit R. geeint, weiß in seinem kritischen Gedichte „Die Drollingerische Muse“, als er auf R. zu sprechen kommt, vom „Satyr mit der Geißel“ zu erzählen, „womit er peitschend spielt und lachend Wunden schlägt“. Auch Samuel Hentzi begrüßt das Vorspiel Rost’s in einem jubelnden Gedichte (Archiv für Litteraturgesch. X, 365). Dagegen werden ihm die Sünden gegen die gute Sitte, die er in seinen erotischen Gedichten begangen, noch von Jacobi nachgetragen, der sich in der „Iris“ über R. äußert: „Es sei ein Nahme, den kein unschuldiges Mädchen ausspricht, denn ihm war auf jungfräulichen Wangen die holde Schamröthe nicht heilig.“

Christian Heinrich Schmid, Nekrolog oder Nachrichten von dem Leben und den Schriften der vornehmsten verstorbenen teutschen Dichter, II, 435 ff., Berlin 1785, auf den alle späteren Darstellungen von Rost’s Leben zurückgehen.