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ADB:Rothfischer, Franz Ignatius

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Artikel „Rothfischer, Franz Ignatius“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 361–363, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rothfischer,_Franz_Ignatius&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:24 Uhr UTC)
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Rothfischer: Franz Ignatius R., ein durch seinen Glaubenswechsel seiner Zeit sehr bekannt gewordener Wolfischer Philosoph, wurde 1721 zu Altmannstein in der Oberpfalz geboren, wo sein Vater die Stelle eines Marktschreibers versah. Dieser brachte den Knaben, als er 10 Jahre alt war, nach [362] Ingolstadt zu einem kinderlosen Freunde, der ihn wie seinen eigenen Sohn hielt. Er besuchte die Schule der Jesuiten, bei denen er sich, da er zum geistlichen Stande bestimmt war, im Alter von 14 Jahren zum Eintritte meldete. Er wurde von ihnen anfangs in Ingolstadt, dann in Dillingen unterrichtet. Nach etwa 3 Jahren aber erklärte er mit Entschiedenheit, dem Orden nicht beitreten zu wollen. Er entwich nach Haus, ließ sich hier aber doch bewegen, sich aufs neue bei den Benedictinern zu St. Emmeram in Regensburg zu melden, welche ihn zunächst einen zweijährigen philosophischen Cursus in dem Kloster Roth am Inn durchmachen ließen. Im J. 1739 begann er sein Probejahr, 1740 legte er das Gelübde ab und nahm nun den Namen Gregorius an. Von jetzt ab widmete er sich auf das eifrigste dem Studium der Theologie, anfangs unter ganz ungenügender Anleitung in Regensburg, seit 1742 aber mit bestem Erfolge in Salzburg, wo er sich besonders auch mit Kirchengeschichte beschäftigte und nach einem Jahre ein philosophisches und theologisches Examen gut bestand. Sein Wunsch, ein weiteres Jahr in Salzburg auf die Rechtswissenschaft verwenden zu dürfen, ward nicht erfüllt; er mußte zurück, um Priester zu werden, und wurde, nachdem ihm von Rom die venia aetatis ausgewirkt war, Beichtvater für die Gegend um Regensburg. Im J. 1743 wurde er als Lehrer der Philosophie in seinem Stifte beschäftigt, während er selbst sich von einem Convertiten Osterwald in der Mathematik unterrichten ließ und sich insbesondere dem Studium der Wolfischen Schriften mit Eifer hingab. Er schrieb auch eine Dissertation: „De praestantia philosophiae eclecticae prae sectaria“, zu deren Veröffentlichung ihm aber die Genehmigung versagt wurde. Seine Wirksamkeit erregte in Regensburg großes Aufsehen und zog ihm zumal von Seiten der anderen Orden zahlreiche Anfeindungen zu. Er gedachte sich zu entfernen, nach St. Maur in Frankreich oder sonst einem Orte zu gehen, wo er ungestört seinen Studien leben könnte. Doch das gute Leben im Stifte hielt ihn hier zurück. 1745 wurde ihm das Lehramt der Theologie übertragen; er war der Erste unter den römischen Katholiken, welcher dieselbe auf der Wolfischen Philosophie aufbaute, was natürlich viel Anstoß erregte; er las auch über Kirchengeschichte, mußte dies jedoch schon nach kurzer Zeit wieder aufgeben. Daneben trieb er fleißig Rechtswissenschaft und studirte u. a. Wolf’s Naturrecht. Dem achten Bande desselben, in welchem die Gewalt über die Religionsverfassung und die Kirchengüter des Staats dem Landesfürsten zugeschrieben wird, trat er mit einer Dissertation entgegen: „De potestate circa sacra, qua perill. Wolfii principia de ecclesia examinantur“. Die Schrift fand großen Beifall bei dem Cardinale Querini, der 1748 Regensburg besuchte, nicht minder auch die Persönlichkeit und Gelehrsamkeit Rothfischer’s selbst, was diesem zunächst bei seinem Abte sehr förderlich war. Bei Bearbeitung einer zweiten Auflage des Buches stiegen aber dem Verfasser so bedenkliche, die Grundlage der katholischen Lehre berührende Zweifel aus, daß er von einer Veränderung der Schrift abstand. Im Jahre 1748 wurde er auf die Propstei zu Haidling bei Straubing versetzt, wo er im Verkehre mit katholischen und protestantischen Geistlichen namentlich die letzteren schätzen lernte. Schon im folgenden Jahre wieder nach Haus berufen, durfte er den theologischen Unterricht nach eigenen Grundzügen fortsetzen. Sein Ruf war so bedeutend, daß ihm 1750 die bairische Benedictinercongregation für das folgende Jahr einen theologischen Lehrstuhl übertragen wollte, aber er lehnte ihn ab, weil er sich nicht dazu verstehen wollte, die thomistischen Schulsätze nach dem Buchstaben beizubehalten. Bald nachher wurden ihm ähnliche Stellungen in Salzburg wie in Erfurt angeboten. Die Gelehrte Gesellschaft der Unbekannten in Olmütz ernannte ihn 1751 zu ihrem Mitgliede. Dabei währte aber die Feindschaft der Jesuiten, die ihn sogar in Fastnachtsspielen verhöhnten, nur um [363] so erbitterter fort. Bertling’s Veröffentlichung wider das Jubeljahr und den Ablaß (1749) veranlaßte ihn zu einer Gegenschrift, deren erster Abschnitt 1751 erschien. Bei dieser Arbeit mehrten sich ihm, je tiefer er in die Quellen drang, die Zweifel an der Wahrheit der katholischen Kirchenlehre; in ehrlichem Streben rang er sich allmählich zu dem Entschlusse durch, zur protestantischen Kirche überzutreten. Im November 1751 führte er denselben in der Thomaskirche zu Leipzig aus, nachdem er sich von Dr. Stemler in der neuen Lehre hatte unterweisen lassen. Er vertauschte jetzt auch wieder den Vornamen Gregor mit seinem ursprünglichen Taufnamen Franz. Von Göttingen aus bot man ihm eine außerordentliche Professur an; er zog es aber vor, ordentlicher Professor der Philosophie in Helmstedt zu werden. Am 5. April 1752 wurde er hier von dem zeitigen Prorector Professor Bertling, seinem ehemaligen litteratischen Gegner, als solcher eingeführt. Vollkommen mittellos, und den Todeskeim im Herzen trat er sein Amt an. In der zuvorkommendsten Weise wurde er von der braunschweigischen Regierung unterstützt; er erhielt Geld zur Einrichtung, wiederholte Vorschüsse auf seinen Gehalt, die zu erbitten ihn kostspielige Curen, die er durchzumachen hatte, nöthigten; auch die Kosten seiner Promotion zum Magister u. a. wurden für ihn übernommen. Von katholischer Seite dagegen wurde er jetzt noch heftiger als vordem angegriffen; gemeine Beweggründe suchte man seinem Uebertritte unterzu1egen; er glaubte als einen seiner erbittertsten Gegner Osterwald zu erkennen. Diese Anklagen und Klatschereien machten jedoch das gute Zeugniß zu Schanden, das ihm der Abt von St. Emmeram wie Cardinal Querini ausstellten. Letzterer suchte ihn in friedlicher Weise durch mehrere Briefe zur Rückkehr zu bewegen. Als dieselben erfolglos waren, wandte er sich 1753 an den Herzog Karl I. zu Braunschweig und Lüneburg, wurde aber von diesem in würdigster Weise abgewiesen. R. hat in verschiedenen Schriften Nachricht von seinem Religionswechsel gegeben, u. a. auch in dem 2. und 3. Theile seines „Ablaß- und Jubeljahrs“ (1754), welche er dem ersten im katholischen Sinne verfaßten Abschnitte vom protestantischen Standpunkt aus entgegensetzte. Da der Gesundheitszustand Rothfischer’s, der an der Auszehrung litt, immer ängstlicher sich gestaltete, so nahm er Anfang des Jahres 1755 Urlaub und ging nach Göttingen, um sich hier von Brendel durch die von diesem entdeckte Operation mittelst der Haarschnur heilen zu lassen. Aber schon am 20. Febr. ist er hier seinen Leiden erlegen. Die Universität Göttingen, insbesondere Prof. Ribow, der ebenfalls Wolfianer war, sorgten für ein ehrenvolles Begräbniß, dessen Kosten der Herzog übernahm; zugleich ließ man zum Gedächtniß Rothfischer’s ein von J. M. Gesner geschriebenes Programm erscheinen. Ebenso veröffentlichte auf ihn die Universität Helmstedt ein Programm, das den Professor Wernsdorf zum Verfasser hatte.

Vgl. die genannten Programme der Helmstedter und Göttinger Universität, letzteres wiederholt in Gesneri Biograph. acad. Gotting. I. p. 215 ff. wo S. 243 wie am Schlusse des Helmstedter Programms auch die Schriften Rothfischer’s verzeichnet sind. – Meusel, Lexikon der von 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller XI, S. 447 ff. und die dort angeführten Schriften.