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ADB:Runge, Christoph (gest. 1607)

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Artikel „Runge, Christoph“ von J. Braun in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 680–682, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Runge,_Christoph_(gest._1607)&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 03:36 Uhr UTC)
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Runge: Christoph R., vermuthlich aus Frankfurt a. O. gebürtig, war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Buchdrucker zu Tham oder Neudamm in der Neumark, wo er u. A. im J. 1572 die Schrift Sim. Musaeus, Melanchol. Teufel, nützlicher bericht wie man alle melancholische, teuflische gedancken von sich treiben sol. Tham in der Newenmarck“ druckte. Infolge einer Aufforderung des Kurfürsten Joachim Friedrich III. kam er im J. 1599 nach Berlin, wo von 1593–99 eine Pause in der Druckthätigkeit der Stadt eingetreten war, nachdem R. Voltz von 1586–93 die einzige Buchdruckerei daselbst betrieben hatte. Erst durch die Berufung Runge’s erhielt Berlin wieder eine Officin, die derselbe bis 1607 fortführte, und aus der u. A. im J. 1600 des Johannes Magirus „Compendium fortificatorium Oder Kurtzer Begriff der gantzen Fortification In welchem, wie man einen jedweden Ort künstlich vnd bester massen Befestigen, Belägern, Vnd wann er belägert, defendiren soll, angewiesen wird. Allen Liebhabern dieser Kunst zu gut zusammen getragen vnd in Druck gegeben 1600.“ (Im Besitze des Germanischen Museums in Nürnberg.) Nach dem Tode Christoph Runge’s wurde das Geschäft unter großen Anstrengungen von seinem Sohne Georg R. fortgesetzt, nachdem er vom Kurfürsten Georg Wilhelm die Bestätigung des Privilegiums seines Vaters erhalten hatte. Abgesehen davon, daß R. die Druckerei bis an sein Ende nach Geßner’s Angabe „mit großem Fleiße“ betrieb, hat er sich ein besonderes Verdienst dadurch erworben, daß er neben vielen Schriften auch die erste Berliner Zeitung gedruckt hat, und zwar vom Jahre 1615 ab. Die ältesten erhalten gebliebenen Nummern stammen aus dem Jahre 1617. Einen Titel führte die Zeitung anfänglich nicht, erst vom Jahre 1619 ab; derselbe lautet: „Zeitung Auß Deutschlandt, Welschlandt, Franckreich, Böhmen, Hungarn, Niederlande vnd andern Orten Wöchentlich zusammen getragen Im Jahr 1619“. Diese erste Berliner Zeitung wurde von dem Botenmeister Christoph Frischmann herausgegeben. Der Botenmeister hatte die Aufsicht über die Boten, die zu jener Zeit die Posten ersetzten und bei ihm mußten sie auch sämmtlich ihre Sendungen abliefern. Von der Ankunft dieser Boten war also auch die Ausgabe der Zeitung abhängig, die aus den Berichten und Briefen derselben zusammengestellt wurde. Da aber diese Ankunft den Umständen gemäß nicht immer mit gleicher Regelmäßigkeit erfolgen konnte, so war es auch nicht möglich, die Zeitung regelmäßig erscheinen zu lassen. Als im J. 1628 von Wien aus gegen die Zeitung eine Beschwerde bei dem Kurfürsten Georg Wilhelm angebracht wurde, scheint die Zeitung einige Jahre ihr Erscheinen eingestellt zu haben; dagegen wird aus dem Jahre 1632 [681] ausdrücklich berichtet, daß der Botenmeister Veit Frischmann, der Bruder des obigen, um eine neue Erlaubniß zur Herausgabe einer Zeitung eingekommen sei, dieselbe auch erhalten habe, jedoch unter der Bedingung, daß „nichts von pasquillen, sie seyen auch wider wen sie wollten, oder sonst etwas, so einen oder den andern, zumahl Standespersonen, anzüglich, darinnen sein soll“ (Preuß, Leben Friedrich’s d. Gr. III, 250). Aus der Zeitung ist zwar nicht zu ersehen, daß R. der Drucker derselben war, doch dieselbe zeigt besonders in den Majuskeln ähnliche Typen, wie die zwei folgenden Drucke: „Von den Bildern. Zusammengetragen durch Georgium Gothefredi Berolinensem March. SS. Th. Studiosum. Gedruckt zu Berlin durch George Rungen, im Jahr 1615“; „Der Chur Brandenburg Reformation Werck Anno 1615. Gedruckt zum Berlin durch George Rungen, In Verlegung Johann Rallen, Buchhändlern und Buchbindern daselbst“. Wenn nun auch in der Zeitung theilweise zierlichere Typen verwendet sind, so bestätigt doch noch ein anderer Umstand die Annahme, daß dieselbe aus der Officin von R. hervorgegangen sei. Einige Nummern des Jahrgangs 1617 haben nämlich am Schlusse eine Vignette, einen in einer schildartigen Fläche mannichfach verzierten Kopf darstellend, die sich auch in einem späteren Runge’schen Drucke findet. Derselbe ist betitelt: „Rhabdologia Neperiana. Das ist, Newe vnd sehr leichte art durch etliche Stäbichen allerhand Zahlen zu Multipliciren. Gedruckt zum Berlin im Grawen Kloster, durch George Rungen, Im Jahr Christi 1623“. (In der Bibliothek des Seminars zu Wittenberg.) Trotz seines Fleißes muß R. doch stets nach den Mittheilungen seiner Zeitgenossen Schwierigkeiten begegnet sein. Zu besonders hohem Ansehen brachte die Druckerei erst sein Sohn Christoph R., geboren 1619. Während seiner Minderjährigkeit führte seine Mutter das Geschäft; 1644 trat er es selbst an. Dreimal verheirathet, sah er all seine Kinder vor sich ins Grab sinken. Er selbst starb im December 1681 als „churfürstlicher Hoff- und Erbbuchdrucker“. Er sorgte für schöneres Schriftenmaterial und entwickelte mit seiner trefflich ausgestatteten Officin eine bedeutende Thätigkeit. Die Druckerei hatte sich seit 1599 im „grauen Kloster“ befunden, als aber der Kurfürst Friedrich Wilhelm den Ort seiner Wirksamkeit zur Errichtung eines Zeughauses brauchte, mußte R. aller Vorstellungen ungeachtet weichen. Er kaufte sich 1659 ein eigenes Haus und erhielt darauf vom Kurfürsten ein Exemtionsprivilegium. Auch dieser Christoph R. war der Herausgeber der Berliner Zeitung, die nach Prutz im J. 1655 regelmäßig wöchentlich ein Mal zu erscheinen begann. Die Regierung nahm, vielleicht in Rückerinnerung an die früheren Beschwerden, das Unternehmen in ihre besondere Aufsicht, ertheilte ihm ein kurfürstliches Privilegium und dem bisherigen Gebrauch entgegen, einen eigenen Censor. Aber bei alledem konnten auch diese „Avisen“ ihrem Verhängnisse nicht entgehen; nach 17jähriger Dauer wurden sie 1672 aus politischen Ursachen wieder unterdrückt. Von besonderer Wichtigkeit ward aber Runge’s Verlag durch den Druck von Gesangbüchern. Schon 1640 hatte seine Mutter das erste lutherische Gesangbuch Berlins gedruckt: „Newes vollkömmliches Gesangbuch Augsburgischer Confession“ von Joh. Crüger (s. A. D. B. IV, 623). 1644 erfolgte durch Christoph R. der erste Druck von Crüger’s berühmter „Praxis pietatis melica“. Mit Crüger und nach dessen 1662 erfolgtem Tode mit dem kurfürstl. Instrumentalisten Jakob Hintze veranstaltete R. selbst noch 20 Auflagen dieses Werkes; weitere folgten zunächst durch seine Wittwe. In diesem Werk und in Crüger’s gleichfalls bei R. zuerst 1650 gedruckten „Geistlichen Liedern und Psalmen“ erschienen successive die Lieder Paul Gerhard’s, meistens mit Crüger’schen Melodien. Aber auch eigene Kirchenlieder reihte R. diesen Sammlungen ein: die vier ersten in der letzten von Crüger selbst besorgten 10. Ausgabe der Praxis von 1661; ihre Zahl stieg in den [682] späteren Ausgaben auf 73. In der 13. Auflage sind ihrer 30 im Anhang zusammengestellt unter dem Titel: „Christoph Rungens 25 geistliche Parodien über Martini Opitii 25 weltliche Oden. Nebst einigen mehr Gesängen“. Manche von ihnen haben allgemeine Verbreitung in den Gesangbüchern gefunden; z. B. „Ach, daß doch mein Heiland käme“; „Der Glaube macht allein gerecht“; „Der Herr hat alles wohl gemacht“; „Du hast auf unsern Wegen“; „Ich will gar gerne sterben“; „Jesu meine Liebe, die ich oft betrübe“; „Wir legen uns nun schlafen hier“ u. s. w.

Die Wittwe Christoph Runge’s heirathete später David Salfeld, der die Officin fortführte und von diesem kam dieselbe an Johann Lorentz, der dann auch wieder ein Privilegium zur Herausgabe einer Zeitung erhielt. Aber auch diesem wurde dasselbe nicht nur zeitweise entzogen, sondern im J. 1721 plötzlich ganz genommen, worauf es ein Jahr später an Joh. Andreas Rüdiger übertragen wurde. Nach Geßner’s Berichten war im J. 1706 in Berlin wieder ein Christoph R. als Buchdrucker thätig, der die Officin von seinem Vater geerbt hatte. Es scheint dieser also ein Sohn des letztgenannten Christoph R. gewesen zu sein; derselbe lebte noch im J. 1740 und gab damals eine Schrift „Incunabula typographiae, actu publico solemni in Gymnasio Mar. Magdaleno exhibita“ heraus, die auch in der Festschrift der Stadt Breslau zur Erinnerung an die Erfindung der Buchdruckerkunst Aufnahme gefunden hat.

Vgl. Joh. Fried. Gottl. Unger, Sechs Figuren für Liebhaber schöner Künste nebst Abhandlung über in der Mark gedruckte Bücher. Breslau 1779. – G. Friedländer, Beiträge zur Buchdruckergeschichte Berlins. S. 31, 32. Berlin 1834. – Geßner, Buchdruckerkunst II, 7; III, 56, 139, 233. Leipzig 1740. – C. B. Lorck, Handbuch I, 153. Leipzig 1882. – J. O. Opel, Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse, S. 116–141. Leipzig 1879. – R. E. Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus, I, 226–229. Hannover 1845. – Schwarzkopf, Ueber politische Zeitungen, S. 346. Berlin 1801. – Goedeke, Dichter I, 26; II, 470. – Weller, Annalen II, 95, 100, 103 u. s. w.