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ADB:Unger, Friedrich Gottlieb

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Artikel „Unger, Friedr. Gottl.“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 291–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Unger,_Friedrich_Gottlieb&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:04 Uhr UTC)
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Unger: Friedr. Gottl. U., 5. Sohn von Joh. G. U. (s. S. 296), geb. in Berlin 1753. Er lernte das Buchdrucken beim Hofbuchdrucker Decker, wandte sich aber ziemlich frühzeitig dem Formschneiden zu. Seine beiden ersten Veröffentlichungen, in denen er Proben seiner Kunst ablegte, gehören dem Jahre 1779 an. Die eine, in Breslau erschienene „Sechs Figuren für die Liebhaber der schönen Künste“ mit einer Abhandlung F. J. Wippel’s über märkische Formschneider, in der auch über U., Vater und Sohn ein paar Worte vorkamen, enthielt nach Zeichnungen Meil’s höchst charakteristisch aufgefaßte und lebendig durchgeführte Straßentypen: Lumpensammler, Bettler, Trinker. Die andere, in Berlin veröffentlicht: „Schattenrisse sechs Berlinischer Gelehrter in Holz geschnitten“ und zwar: Engel, Krünitz, Oerlichs, Ramler, Spalding, Teller gab individuell gehaltene Porträts. [292] Den Kunstblättern stellte er eine kurze Bemerkung voran, des Inhalts, daß er nicht, wie ein Hamburger Vorgänger nach wirklich metallenen Platten auf eine besondere Art gestochen und geätzt, sondern diese Manier in Holzschnitt nachgeahmt habe, was für den Kupferstecher den Vorzug besitze, „daß viele tausend Abdrücke von einer Platte, ohne sie nachzustechen, gemacht werden könnten“. Eine ziemliche Anzahl anderer Holzschnitte wurde später von U. herausgegeben: Vignetten verschiedenster Art, Kinderspiele, geschichtliche Darstellungen; sie sind bei Nagler 19, 244 verzeichnet, können aber nicht einzeln aufgezählt werden. U. brachte sein Leben ohne größere Unterbrechungen in Berlin zu. Er war ein unternehmender Drucker. Die von ihm erfundenen besseren in Stahl geschnittenen Typen, die s. g. Unger’schen Lettern, die er auch durch eine kleine Schrift empfahl, durch welche die Ecken weggeschafft wurden, das Ganze an Helle und Deutlichkeit gewann, bedeuteten für Deutschland eine Reform, konnten aber weder an Schönheit noch an Deutlichkeit die Didot’schen, mit denen sie wetteifern wollten, erreichen. Auch eine allgemeine Einführung dieser Typen in Deutschland, auf die er wol gehofft hatte, konnte U. nicht durchsetzen. Eine von ihm herrührende Schrift: „Innere Verfassung der Unger’schen Buchdruckerei“ (o. O. u. J.) ist im Katalog der Berliner k. Bibliothek verzeichnet, leider aber verloren. Ebenso wenig zugänglich war mir eine 1791 erschienene Schrift Unger’s: „Vorschlag wie Landkarten auf eine sehr wohlfeile Art können gemeinnütziger gemacht werden. Mit einer Karte von neuangelegten Orten im Oppelnschen Kreise“, aus deren Titel man jedenfalls schließen darf, daß U. auch für diese Veröffentlichungen Reformen vermittelst der Holzschneidekunst plante und mit deren Ausführung begann.

Außer als Holzschneider und Drucker, sowol für den Verlag der Collegen als für seinen eignen war U. als Schriftsteller und Verleger thätig. Seine Schriftstellerei war freilich nur eine gelegentliche. Außer den vorher erwähnten technischen Broschüren, denen noch zwei Abhandlungen über Buchhandel, Buchdruck, Holzschneidekunst (Monatsschrift der Künste und mechanischen Wissenschaften 1788) hinzuzufügen sind, rühren zwei kleine Schriften von ihm her. Sie standen im Zusammenhange mit den beiden berüchtigten Edicten am Anfange der Regierung Friedrich Wilhelm II., dem Censur- und Religionsedict. Jenes veranlaßte ihn zu der Broschüre: „Einige Gedanken über das Censuredict“ (Berlin 1789). Er rügte darin die durch die Censur dem Drucker auferlegten Kosten und Zeitversäumnisse und bemängelte namentlich den Paragraphen des Edicts, der einzelne dem Censor entgangene Stellen für nachträglich straffällig erklärte und Privatpersonen berechtigte, wegen Beleidigungen Verleger und Drucker zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses rief die merkwürdige Schrift hervor: „Proceß des Buchdruckers U. gegen den Oberconsistorialrath Zöllner in Censurangelegenheiten wegen eines verbotenen Buches“ (Berlin 1791). Es handelt sich darin um die Schrift des ersten reformirten Predigers an der Jerusalemerkirche in Berlin J. G. Gebhard (1743–1802): „Prüfung der Gründe des Verfassers der Schrift: Ist ein allgemeiner Landeskatechismus nöthig?“, die nach Schmidt-Mehring’s Angabe wirklich 1796 bei U. erschien, die aber ursprünglich, nachdem sie von Zöllner ein günstiges Urtheil erhalten und das Imprimatur erlangt, durch Wöllner verboten worden war. Da U. aufgegeben war, sich wegen Erstattung der Druckkosten an Gebhard und Zöllner zu halten, so verklagte er beide, wurde aber in beiden Processen abgewiesen. Alle Anklage-, Vertheidigungsschriften, Entscheidungen sind nun mit einigen weniger bedeutenden Beigaben in der Schrift gedruckt. In dieser kam es U. nicht darauf an, sich das Geld, auch wenig darauf, sich Recht zu verschaffen, sondern es war ihm hauptsächlich darum zu thun, gegen die Ungerechtigkeit des Religionsedictes Front zu machen. Daher [293] ging Zöllner, der Beklagte, eines der Häupter der Berliner Aufklärung als Sieger aus der Schrift hervor, die Hauptstelle war S. 126–134, in der die Berechtigung von Zöllner’s Imprimaturertheilung gegeben wurde, eine Glorification der Grundsätze der Aufklärung. – U. als Buchhändler vertrat die freisinnige Richtung in Litteratur, Religion, Politik. Die vornehmen Zeitschriften, wie die „Jahrbücher der preußischen Monarchie“, Woltmann’s „Geschichte und Politik“, der Kalender der Akademie erschienen bei ihm. 1784 versuchte er, den beiden älteren dreimal wöchentlich erscheinenden Berliner Zeitungen eine dritte, die täglich ausgegeben werden sollte, entgegenzusetzen, wurde aber mit seinem Gesuche abgewiesen mit der Begründung, daß die vorhandenen Zeitungen das Bedürfniß reichlich deckten, daß aber der Censurbehörde eine so große Vermehrung ihrer Arbeitslast nicht zugemuthet werden könnte. – Unger’s Verlag beschränkte sich durchaus nicht auf Erzeugnisse Berliner Schriftsteller. Mit Schiller (vgl. Schiller’s Geschäftsbriefe ed. Goedeke 1875 von S. 199 an) stand U., seitdem Göschen und Crusius zurückgetreten waren, in nahem Verkehr. „Agnes von Lilien“, der Roman von Schiller’s Schwägerin erschien bei ihm; von einem „deutschen Theater“, das Schiller herausgeben sollte, einem Theaterkalender, der Bearbeitung eines chinesischen Romans, dem Text zu einem historischen Kalender war die Rede (doch kam davon nichts zu Stande); zu Unger’s „Sammlung der Romane“ gab Schiller’s Gattin einzelne Beiträge. Die „Jungfrau von Orleans“ erschien als Kalender bei U. Zwischen dem Buchhändler und Dichter kam es auch zu persönlicher Annäherung; U. schickte Geschenke, machte Besorgungen; er zeigte sich bereit, Schiller’s Stücke an Theater zu verkaufen, womit er freilich kein Glück hatte. Zu dem von Halem herausgegebenen Journal „Irene“ wußte sich U. von Schiller und Goethe Beiträge zu verschaffen, trotz Schiller’s Ingrimm über den Herausgeber und seine Genossen, vgl. Brief an Goethe vom 17. März 1802. Denn auch mit Goethe, den er 1800 in Leipzig kennen lernte, stand U. in geschäftlicher Beziehung. Goethe’s „neue Schriften“ 7 Bände, die zweite Ausgabe, die Goethe überhaupt veranstaltete, Wilh. Meister und die neuen Gedichte enthaltend 1791–1800, erschienen bei ihm, auch der „römische Carneval“ war von ihm veröffentlicht worden, auf Goethe’s Veranlassung hatte er 1798 auch eine englische Uebersetzung der Iphigenie übernommen. Zu den sieben schon früher bekannten Briefen Goethe’s von 1798–1803 sind in den Briefbänden 10–12 der großen Weimarer Goetheausgabe vier bisher unbekannte von 1795 bis 1797 hinzugekommen. Sie beweisen ein freundliches Verhältniß des großen Schriftstellers, beziehen sich im wesentlichen auf die schon erwähnten „Neuen Schriften“ Goethe’s, über deren Inhalt und Fortschreiten sie gute Nachrichten geben. Eine von Goethe angebotene französische Uebersetzung Wilh. Meisters durch den Franzosen de Pernay lehnte U. ab. Dagegen wäre er gern auch der Verleger von Goethe’s naturwissenschaftlichen Schriften geworden. Er übermittelte Goethe gern Berliner Erzeugnisse, z. B. Zeichnungen Schadow’s und empfing dafür außer freundlichem Dank manche Mittheilungen aus Goethe’s Treiben. U. war seit 1800 Mitglied der Akademie der Künste, zu deren Senat er gehörte, Professor der Holzschneidekunst, starb am 26. December 1804.

Nagler, a. a. O. – Schmidt u. Mehring, Neuestes gelehrtes Berlin 1795, II, 245 ff. – Notizen bei Meusel, Geiger, Berlin passim bes. I, 406 ff. II, 12.