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ADB:Woltmann, Karl Ludwig von

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Artikel „Woltmann, Karl Ludwig von“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 188–190, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Woltmann,_Karl_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 10:39 Uhr UTC)
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Band 44 (1898), S. 188–190 (Quelle).
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Woltmann: Karl Ludwig von W., Historiker und Dichter, wurde am 9. Februar 1770 in Oldenburg geboren, wo sein Vater in Diensten des dänischen Statthalters Grafen Lynar stand, ein Verhältniß, das auf Woltmann’s Gedankenkreis vielfach einwirkte. Die Grundlage seiner Bildung erhielt er durch seinen Vater, die weitere Ausbildung auf dem Gymnasium zu Oldenburg, wo besonders der Historiker Christian Kruse (s. A. D. B. XVII, 262) nachhaltigen Einfluß auf ihn übte. Durch den Tod einer geliebten Mutter früh wehmüthig gestimmt, von Krankheiten oft heimgesucht, durch den ernsten Vater mit den Bildern einer großen Welt vertraut, in die Fesseln des frömmsten christlichen Sinnes geschlagen, gerieth er von Jugend auf in eine melancholische Schwärmerei, die sich erst verlor als seine Gesundheit festere Dauer erlangte. Durch Uelzen, Halem und Graf Friedrich Leopold zu Stolberg wurde er frühzeitig in die litterarischen Kreise eingeführt. Im Herbst 1788 bezog er die Universität Göttingen zum Studium der Rechte, faßte aber bald den Plan, sich ganz der Geschichte zu widmen und vertiefte sich in die Quellen derselben. Im Frühjahr 1792 kehrte W. auf Wunsch seines Vaters nach Oldenburg zurück und begann hier Vorlesungen für Gymnasiasten über deutsche Geschichte. Im folgenden Jahre ging er jedoch wieder nach Göttingen, wo er auf Anregung Bürger’s und Spittler’s sich von neuem in historische Arbeiten vertiefte. 1795 folgte er einem Rufe als außerordentlicher Professor der Philosophie nach Jena, wo wiederum zahlreiche geschichtliche Werke entstanden, und wo er in anregenden Verkehr mit [189] Schütz, Hufeland, Goethe, Schiller u. A. kam. Wiederholt von Krankheit heimgesucht, verließ er im Mai 1797 Jena wieder und ging zunächst zu seiner Erholung nach Oldenburg, dann nach Berlin, wo er nach mehrfachem Wechsel seines Aufenthaltes 1800 die „Zeitschrift für Geschichte und Politik“ begann und die Stelle eines Residenten des Landgrafen von Hessen-Homburg[WS 1] am Berliner Hofe erhielt und bald darauf auch Geschäftsträger der freien Reichsstadt Bremen wurde. Auch in dieser Zeit seiner diplomatischen Verbindungen – zu den bisherigen war 1804 noch die Vertretung Nürnbergs sowie des Kurerzkanzlers und 1805 die der beiden andern Hansestädte hinzugekommen – war W. fortgesetzt mit historischen Arbeiten beschäftigt und wurde 1805 in den Adelstand erhoben. Am 25. October desselben Jahres vermählte er sich mit der geschiedenen Gattin Müchler’s, Karoline geborene Stosch (s. u.). „Mit ihrem Geist und Leben waren von da an seine Arbeiten und fast alle seine Stunden in so innigem Zusammenhang, wie selten Bildung und Kraft der Frau dem Manne gestatten“. Die nächsten Monate widmeten sich beide vereint ihren poetischen Neigungen, dann aber nahm W. seine geschichtlichen Arbeiten wieder auf, soweit ihm die diplomatischen Geschäfte dazu Zeit ließen, die ihm, der einst unleugbar gute Seiten der Revolution und Napoleon’s[WS 2] so offen anerkannt hatte, nicht eben leicht fielen. Eine Verdeutschung des Tacitus[WS 3] und sein bestes Werk (nach seiner Meinung), die „Geschichte des westphälischen Friedens“, „die ohne sein Wissen als eine Fortsetzung der Geschichte des dreißigjährigen Krieges von Schiller herausgegeben ward, mit welcher sie in Hinsicht auf Stil, Composition, Quellenstudium nicht die fernste Aehnlichkeit hat“, fallen in das Jahr 1807, in das Jahr 1809 sein „Geist der neuen preußischen Staatsorganisation“. Die politischen Ereignisse dieser und der folgenden Jahre und die Umgestaltungen Deutschlands brachten den oft von Krankheit Geplagten auch in materielle Bedrängniß durch den Verlust seiner diplomatischen Stellungen. Als Staatsangehöriger des erweiterten französischen Reiches in dessen Dienste zu treten, verschmähte er jedoch und wandte sich, Beschäftigung suchend an den Freiherrn vom Stein. In Breslau, wohin er vor den französischen Heeren geflohen war, arbeitete er seine Ideen über eine künftige politische Verfassung der Deutschen aus, in der er Oesterreich als das vorherrschende und Preußen als das erregende Princip Deutschlands bezeichnet. Das Anrücken der Franzosen vertrieb ihn im Sommer 1813 auch von hier, er floh nach Prag, wo er seiner zunehmenden Krankheit wegen dann auch bleiben mußte, als die Verhältnisse in Deutschland ihm die Rückkehr gestattet hätten. Aus einer Anstellung im österreichischen Staatsdienste, die er noch Ende 1814 lebhaft erwartete, ist ebensowenig geworden wie aus einer Verwendung in preußischen Diensten durch Hardenberg. Nach langem Siechthum starb er am 19. Juni 1817 in Prag.

Als Geschichtschreiber wandelte W. mehr in den Bahnen Schiller’s und der litterarisch-ästhetischen Richtung, die besonders auf eine künstlerische, interessante und anmuthige Darstellung das Schwergewicht legte, als in denen der strengen und tiefen Forscher. Dies zeigt sich vornehmlich in seinen größeren historischen Werken, wie in der objectiv und klar, anschaulich und anziehend geschriebenen, allerdings viel von eigenen Urtheilen durchzogenen „Geschichte der Reformation in Deutschland“ (3 Theile, 1800–1805), wie in seiner mehr wissenschaftlich gehaltenen „Geschichte des Westphälischen Friedens“ (2 Bde., 1808–1809) und in seinen Darstellungen der Geschichte der verschiedenen europäischen Staaten. Auch seine Beschäftigung mit der Theorie der Geschichtschreibung führte ihn besonders zur Forderung der künstlerischen Form; daher überwiegt bei ihm wol auch überall, selbst in seinen mehr grundrißartig gehaltenen kürzeren Zusammenfassungen, die Sittengeschichte das eigentliche Politische, daher das Raisonnement [190] die wissenschaftliche Erklärung, obgleich er sich selbst viel mit den Quellenwerken beschäftigt hat. Hat er doch mit Johannes v. Müller sogar den Plan zur Herausgabe einer Sammlung der Quellen verfolgt, wie er dann, ohne seine Mitwirkung, in den Monumenta Germaniae zur Ausführung gekommen ist.

Als Romanschriftsteller ist W. ohne jede Bedeutung. Von seinem Roman „Mathilde von Merveld“ mit dem Anhang „Julia, Mathildens Mutter“ (1799) läßt sich sagen, was er selbst über den ersten Versuch seiner Gattin sagt, er hat eine sehr dürftige Fabel und schwächliche Charaktere, alle Personen darin sind kraft- und saftlose Gestalten, die Darstellung verräth eine fast ans Komische streifende Naivetät. In seinen „Memoiren des Freiherrn von S–a“ (1815 bis 1816) gibt er einestheils interessante Schilderungen vieler seiner Zeitgenossen und Betrachtungen über die zeitgenössische Litteratur, anderntheils mit lebhafter Sinnlichkeit vorgetragene abenteuerliche Erlebnisse einiger höheren Diplomaten bei und neben ihren Amtsgeschäften. Von einem Kunstwerke kann aber, diese Memoiren als Ganzes betrachtet, nicht die Rede sein. Seine Gedichte, aus Liedern, lyrischen Ergüssen und philosophischen Betrachtungen bestehend, haben sehr gewandte reine Verse und melodischen Klang; sie sind im Stile Goethe’s gehalten, dem er oft nahe gekommen ist.

Eine genaue Aufzählung seiner Schriften gibt Goedeke’s Grundriß, 2. Aufl., Bd. 6, S. 318 ff. und 384 f. Zu der dort genannten Litteratur über ihn ist noch Wegele, Gesch. d. deutschen Historiographie und Wurzbach’s Lexikon, Bd. 58, hinzuzufügen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe Wikipedia: Friedrich V. (Hessen-Homburg) (1748–1820)
  2. Französischer Kaiser; Siehe Wikipedia: Napoléon Bonaparte (1769–1821)
  3. Römischer Historiker; Siehe Wikipedia: Publius Cornelius Tacitus (ca. 55–116 n. Chr.)