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ADB:Halem, Gerhard Anton von

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Artikel „Halem, Gerhard Anton von“ von August Mutzenbecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 407–409, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Halem,_Gerhard_Anton_von&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 20:36 Uhr UTC)
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Halem: Gerhard Anton v. H., geb. am 2. März 1752 zu Oldenburg, † am 4. Januar 1819 zu Eutin, war der Sohn des Stadtsyndicus und Justizraths Anton Wilhelm v. H., der zugleich eine ausgedehnte Anwaltpraxis bei den Oldenburgischen Gerichten und dem Reichskammergerichte betrieb. H. erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dem damals Johann Michael Herbart, der Großvater des Philosophen, als Rector vorstand, bezog Michaelis 1768 die Universität Frankfurt a. d. O. und trat, nachdem er Straßburg besucht, in Wetzlar einen mehrmonatlichen praktischen Cursus beim Reichskammergerichte durchgemacht und in Kopenhagen den Doctorgrad erworben hatte (1770), seinem Vater in der Besorgung seiner Anwaltgeschäfte zur Seite. Letzterer starb kurz nachher (1771), und als dann Oeder 1773 als Landvogt nach Oldenburg versetzt wurde und für die Verwaltung der ihm, dem Botaniker, seither völlig fremden gerichtlichen Geschäfte nach einer Hülfe sich umsah, lenkte A. G. v. Berger die Aufmerksamkeit auf H., der rasch den Ruf eines tüchtigen Juristen sich erworben hatte. H. ward bald Oeder’s rechte Hand, zuerst mehr als privater Mitarbeiter, demnächst (1775) aber als förmlich ernannter Assessor. Durch Oeder kam H. in freundliche Beziehungen zu H. P. Sturz; ein Aufsatz, den er für das deutsche Museum einsandte, begründete ein nahes Verhältniß zu[WS 1] H. Ch. Boje, und eine Reise nach Hamburg (1779) gab die Veranlassung, nach dem Vorbilde der dort von Klopstock gestifteten litterarischen Gesellschaft in Oldenburg mit G. A. Gramberg, Ch. Kruse und K. A. Widersprecher eine ähnliche Gesellschaft zu gründen, die noch jetzt besteht und die auf die Entwickelung des Geschmacks und des Litteraturinteresses in ihrem Kreise einen nicht geringen Einfluß geübt hat. Bald nachher (1780) zum Mitgliede der Regierungskanzlei und zum Kanzleirath ernannt, verheirathete er sich (1781) mit der Halbschwester seiner Mutter, eine Verbindung, zu deren Eingehung er erst auf Grund eines von Friedrich dem Großen ertheilten Dispenses und nach Einholung von Gutachten der theologischen Facultäten in Kiel und Göttingen die erforderliche Erlaubniß erhielt und die schon nach 1½ Jahren (Juni 1782) durch den Tod der Frau getrennt wurde. Um Erholung von diesem schweren Schlage zu suchen, machte H. eine Reise nach Holland, deren Beschreibung im deutschen Museum erschien (1783). In die nächste Zeit fällt seine Bekanntschaft mit Graf Friedrich Leopold Stolberg, der im J. 1783 zum Landvogt in Neuenburg berufen wurde; gemeinsame litterarische Interessen knüpften zwischen ihnen nähere und freundschaftliche Beziehungen, die in langjährigem Briefwechsel erhalten wurden, bis nach Jahren (1800) über sie die Katastrophe hereinbrach, die auch anderen Freunden Stolberg’s nicht erspart blieb. – Mit Bürger knüpfte H. auf einer Reise nach Weimar und Berlin (1786) freundliche persönliche Beziehungen an; auch Wieland scheint er damals näher getreten zu sein; in Berlin verkehrte er mit Nicolai. – Im J. 1787 verband sich H. mit G. A. Gramberg zur Herausgabe der Oldenburgischen „Blätter vermischten Inhalts“, einer periodischen Zeitschrift, die ein volles Jahrzehnt hindurch (1787–97) für die Bewegung der litterarischen Interessen in Oldenburg den gegebenen Mittelpunkt gebildet hat, und in den Beiträgen zu diesen Blättern begab sich H. zuerst auf dasjenige Gebiet, [408] auf welchem seine Verdienste und sein Ansehen noch heute unbestritten und sein Name dem gegenwärtigen Geschlecht geläufig geblieben ist, das Gebiet der oldenburgischen Particulargeschichte, auf welchem seine Arbeiten in der „Geschichte des Herzogthums Oldenburg“ (3 Bde. 1794–96) ihren Abschluß fanden. Im J. 1790 beschäftigte ihn die ihm gemeinschaftlich mit dem Generalsuperintendenten Mutzenbecher und dem Pastor Kuhlmann aufgetragene Redaction des „Gesangbuchs zur öffentlichen und häuslichen Andacht im Herzogthum Oldenburg“, und im Sommer desselben Jahres unternahm er in Gesellschaft zweier Freunde eine sechsmonatliche Reise, die ihn auf den Schauplatz der von ihm mit dem lebhaftesten Interesse verfolgten großen Ereignisse nach Paris führte und in nähere Verbindung zu C. E. Oelsner brachte. Seine „Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bei einer Reise im Jahre 1790“ enthalten eine begeisterte Lobrede auf die französische Revolution, deren Ausschreitungen ihn freilich demnächst mit schmerzlicher Trauer erfüllen mußten. – Im J. 1800 war C. L. Woltmann in Oldenburg; mit ihm vereinigte sich H. zur Herausgabe zweier Zeitschriften, von welchen die eine „Irene“ unter Halem’s Namen, die andere „Geschichte und Politik“ unter Woltmann’s Namen ins Leben trat. Die Irene, zuletzt unter dem Titel „Neue Irene“, brachte es während der fünf Jahre ihres Bestehens (1801–6) auf nicht weniger als 16 Bände. Daneben lieferte er nach wie vor Beiträge für andere Zeitschriften, den Genius der Zeit, den Göttinger Musenalmanach, für verschiedene Taschenbücher und Kalender, ersetzte die eingegangenen „Blätter vermischten Inhalts“ in Verbindung mit G. A. Gramberg durch die „Oldenburgische Zeitschrift“ (4 Bde., 1804–7), veranlaßte das Erscheinen des „Oldenburgischen Particularrechts im systematischen Auszuge“ (1804) und gab mit C. L. Runde eine „Sammlung der wichtigsten Actenstücke zur neuesten Zeitgeschichte“ (1806) heraus. – Im März 1807 trat H. als Director der Justizkanzlei und des Consistoriums an die Spitze der Rechtspflege seiner Heimath. Die vermehrten Geschäfte seines Berufs und die Vollendung eines zwölf Gesänge umfassenden hexametrischen Gedichtes „Jesus, der Stifter des Gottesreiches“ (1810) nahmen in den nächsten Jahren seine Thätigkeit und seine Muße in Anspruch, bis die Einverleibung Oldenburgs in das französische Kaiserreich (28. Februar 1811) ihn aus seiner dienstlichen Stellung und dem gewohnten Wirkungskreise riß. Eine Aufforderung des Herzogs Peter, in dessen persönlichem Dienst zu bleiben, lehnte er ab, weil er in seinem Alter und bei seinen Familienverhältnissen einer Uebersiedelung nach Rußland, wohin der Herzog sich zu begeben im Begriff war, nur mit Furcht entgegensehen konnte. Die Hoffnung, die Stelle eines Präsidenten bei dem neu errichteten Tribunal in Oldenburg zu erhalten, erfüllte sich nicht; nachdem er im Sommer 1811 als Mitglied der Huldigungsdeputation der Departements der Elbe, Weser und Ober-Ems Paris wiedergesehen hatte, wurde er zum Mitglied des kaiserlichen Gerichtshofes in Hamburg ernannt, welcher zugleich höchstes Gericht für das Herzogthum Oldenburg war. Nach der in Folge der Befreiung Deutschlands erfolgten Auflösung desselben (November 1813) kehrte er in den oldenburgischen Staatsdienst zurück, indem er zum Justizrath und ersten Rath bei der Regierung des Fürstenthums Lübeck ernannt wurde. Auch von Eutin aus wendete er der Bewegung auf dem Gebiete der Litteratur rege Theilnahme zu und war wie früher thätiger Mitarbeiter an Zeitschriften und Journalen. Bei einer geschichtlichen Arbeit über Vicelin, den glaubenseifrigen Bischof von Oldenburg in Wagrien, ereilte ihn der Tod nach kurzer Krankheit. – Im J. 1798 hatte er sich zum zweiten Male, 1816 zum dritten Male verheirathet.

H. war ein äußerst fruchtbarer und vielseitiger Dichter und Schriftsteller. Auf den Gebieten der Lyrik und Epik, ernster Geschichtschreibung und leichter [409] belletristischer Prosa war er in gleichem Maße zu Hause; daneben blieb ihm Muße für publicistische und particularrechtliche Arbeiten von bedeutendem Umfange, und der Ruf des tüchtigen Geschäftsmannes litt unter den litterarischen Interessen nicht, die zugleich einen umfassenden ununterbrochenen Briefwechsel mit zahlreichen Freunden in allen Theilen Deutschlands im Gefolge hatten. „Die starke Seite seiner geistigen Veranlagung bestand vor allem in einer hochentwickelten Empfänglichkeit für die Ideenströmungen, welche die Zeit bewegten, in einem ausgebildeten Sinne für poetische Form und in einer großen Leichtigkeit der Darstellung. Dabei kam ihm eine ungewöhnlich umfassende und vielseitige Belesenheit, die Gabe leichter und sicherer Aneignung in den verschiedensten Gedanken- und Empfindungskreisen zu Hülfe, und seine litterarische Wirksamkeit war getragen von dem Feuereifer, welcher das Zeitalter bezeichnete. Wirkliche Ursprünglichkeit der Empfindung war ihm am wenigsten eigen, und das Gepräge frischer Naturwahrheit geht seinen Schöpfungen durchweg ab. Deshalb sind auch seine poetischen und belletristischen Schriften heutzutage so gut wie vergessen; aber das mindert weder das Verdienst des Verfassers, noch den Werth seiner Schriften für ihre Zeit und den Kreis, auf welchen sie wirkten. „Den Geschichtschreiber H. weiß noch heute nach seinem Werth zu schätzen, auch wer den Dichter H. nur von Hörensagen kennt.“ (Jansen.) – Die Gedichte und kleineren Schriften finden sich gesammelt in „Poesie und Prosa“ (1789), „Dramatische Werke“ (1794), „Blüthen aus Trümmern“ (1798), „Schriften“ (5 Bde. 1803–7), „Töne der Zeit“ (1814). Unter den prosaischen Schriften verdienen seine historischen Arbeiten hervorgehoben zu werden, neben der „Geschichte des Herzogthums Oldenburg“ insbesondere „Andenken an Oeder“ (1793), „Lebensbeschreibung des russischen kaiserl. Generalfeldmarschalls B. C. Grafen v. Münnich“ (1803), „Leben Peters des Großen (3 Bde. 1803 und 1804).

G. A. v. Halem’s Selbstbiographie, bearbeitet von seinem Bruder L. W. Ch. v. Halem und herausgegeben von C. F. Strackerjan, Oldenburg 1840. – Jansen: Aus vergangenen Tagen, Oldenburg 1877. – Ein Verzeichniß von Halem’s sämmtlichen Schriften gibt Strackerjan im Anhange zur „Selbstbiographie“ S. 145–203.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zn