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ADB:Vicelin

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Artikel „Vicelin“ von Carsten Erich Carstens in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 668–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vicelin&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:24 Uhr UTC)
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Vicelin, Apostel der Wagrier. Er war geboren in der Stadt Hameln, gegen Ende des 11. Jahrhunderts. Nähere Angabe findet sich nicht. Seine Eltern, bürgerlichen Standes, waren früh gestorben. Eine Gräfin v. Eberstein, in der Nähe von Holzminden, nahm sich des Jünglings an. Er hatte erst einigen Unterricht von den Domherren seiner Vaterstadt genossen, jedoch nur mangelhaft, und setzte jetzt seine Studien in Paderborn fort, namentlich war Mag. Hartmann hier sein Lehrer. Er ward nun erst Lehrgehülfe des Vorstehers der Klosterschule hier. Ein Oheim von ihm, der als frommer Priester in der Nähe lebte und wirkte, übte in dieser Zeit einen wesentlichen Einfluß auf ihn in seiner religiösen Stimmung. Dann folgte V. einem Ruf als Lehrer nach Bremen durch Erzbischof Friedrich. Ungeachtet er hier recht streng in seiner Disciplin gegen die Zöglinge verfuhr, fand seine Wirksamkeit doch reiche Anerkennung. Von hier soll er sich auf drei Jahre zu weiterer Ausbildung nach Frankreich begeben haben und namentlich durch die Gebrüder Laon sehr gefördert worden sein, wie sein Schüler, der Pfarrer Helmold von Bosau in seiner Chronik der Slaven berichtet. Dies ist freilich von Schirren in Zweifel gezogen, aber von W. v. Giesebrecht wieder als zuverlässig anerkannt. Zum Priester geweiht, erbat er sich vom Hamburger Erzbischof die Erlaubniß, den heidnischen Wenden das Evangelium zu verkünden. Eine ihm angetragene Domherrnstelle lehnte er ab. Der christliche Wendenkönig Heinrich nahm den Missionar freundlich auf und übergab ihm die Kirche in Alt-Lübeck. Seine Wirksamkeit war indeß nur eine kurze, indem, nach der Ermordung dieses Königs ein Bürgerkrieg ausbrach und V. nach Bremen zurück mußte. Inzwischen begleitete V. den Erzbischof Adalbert nach Meldorf und hier trafen Abgesandte aus dem Gau Faldern ein, [669] die um einen Geistlichen baten. V. ward infolgedessen das Pfarramt in Wippendorf (später Neumünster) übertragen 1125, an der Grenze des Wendenlandes und mit der Aufgabe von hier aus die Mission unter den Slaven zu fördern. Seine Wirksamkeit ist hier auch eine vielgesegnete gewesen. Es bildete sich eine klösterliche Genossenschaft, nach der Regel des Augustinus, ein monasterium (daher der Name Neumünster), zu dem Viele herbeiströmten. (Die Bestätigungsurkunde vom Jahre 1136 durch den Erzbischof bei Westphalen, monumenta inedita II, 9. Staatsbürgerl. Magazin VIII, 264.) Die von V. ausgesandten Priester kamen auch in den Besitz der Kirche von Alt-Lübeck und bei der Siegesburg d. i. Segeberg ward eine Missionsstation angelegt. Kaiser Lothar hatte nämlich dort auf dem Aelberg 1134 eine feste Burg zur Sicherung der deutschen Herrschaft und des Christenthums mit starker Besatzung anlegen und am Fuße desselben eine Klosterkirche erbauen lassen, die er dann zugleich mit der in Lübeck dem V. übergab. Dieser fing nun auch hier seine Wirksamkeit an. Aber nach dem bald erfolgten Tode Lothar’s, 1137, brachen neue Unruhen aus. Die Burg, die Heinrich v. Badwide inne hatte, ward von Pribislaus zerstört und die christlichen Priester mußten nach Wippendorf zurückfliehen. Graf Heinrich v. Badwide stellte indeß 1139 die Ruhe wieder her. Heinrich der Löwe sprach nun 1142 dem Grafen Adolf v. Holstein das ganze Wagrierland zu und dieser nahm es jetzt in Besitz. Er stellte die Siegesburg wieder her, rief deutsche Colonisten ins Land und gründete ein Neu-Lübeck an Stelle des alten wendischen. V. erhielt die früheren Kirchengüter zurück, verlegte jedoch das Kloster Segeberg nach Hagerestorp d. i. Högersdorf am jenseitigen Ufer der Trave. In Segeberg legte er eine Pfarrkirche an und die Christianisirung schritt im Ganzen fort. Auch die heidnischen Obotriten hielten Frieden, indem Graf Adolf sich mit ihrem Fürsten Niclas verbündete. 1147 traten jedoch neue Unruhen ein. Um nicht den Sachsen verdächtig zu werden, hob Adolf das Bündniß mit Niclas auf, worauf dieser einen Einfall in Wagrien machte, Tod und Zerstörung bringend, bis die Friesencolonie Süsel die Obotriten verjagte. Der Friede ward wieder hergestellt. V. bekam seine Besitzungen wieder und nahm sich nun der Armen kräftig an. Von seinen Klöstern aus war er bemüht, die Noth soviel als möglich zu lindern. Nachdem dann Heinrich der Löwe wieder die Oberherrschaft über das Slavenvolk gewonnen, stellte auch der Erzbischof von Hamburg, Hartwig die früheren Bisthümer wieder her und ernannte V. zum Bischof von Aldenburg (Oldenburg in Holstein) mit dem Kirchsprengel Wagrien 1149. Herzog Heinrich und Graf Adolf verweigerten ihm indeß die Anerkennung und sperrten seine Einkünfte, da er ohne ihr Zuthun ernannt war. V. setzte zwar erst seine Thätigkeit, wenn auch bereits mit Altersschwachheit und ohne gerade großen Erfolg fort, unterwarf sich jedoch zuletzt, um des willen, der sich für uns gedemüthigt, dem Grafen und ließ sich von ihm belehnen. Ihm wurde nun Buzoe (Bosau) überlassen, wohin er zog und wo er eine Kirche St. Petri baute. Es war nun Friede im Lande und durch Gottes Gnade wuchs die neue Pflanzung allmählich. Noch einmal machte V. sich auf und reiste 1152 zum Kaiser Friedrich Rothbart nach Merseburg, um den Investiturstreit zu Ende zu bringen. Er hielt sich dann noch eine Zeit lang in Bosau auf, in dessen Umgebung immer mehr für das Christenthum gewonnen wurden. Darauf kehrte er nach Wippendorf zurück, erlitt hier einen schweren Schlaganfall, an dem er 2½ Jahre litt, und während dessen er sich zum Gottesdienste mußte tragen lassen. Endlich am 14. December 1154 ist er heimgegangen. An seinen Namen knüpften sich Erscheinungen und Wundererzählungen, was für die Bedeutung zeugt, die er im Leben gehabt. Liebe und Achtung hat er in reichem Maaße genossen. Etwa 20 Kirchen tragen noch seinen Namen.

[670] Helmoldi chronicum Slavorum ed. Bongert 1659. – Leibnitz, Script. Brunsv. II, 537. – Monumenta Germ. XXI, von Weiland, aus Lappenberg’s Nachlaß und daraus separat v. Pertz, 1868. Uebers. von Laurent, Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, 1842. Bd. VII. – Vgl. Schirren, Beitr. zur Kritik älterer holst. Geschichtschreiber. Lpzg. 1876. – Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. 4. Auflage. 1878. S. 261. – W. v. Giesebrecht, Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit IV. 2. Aufl. 1877. S. 401. – L. Giesebrecht, Wendische Geschichten. Berl. 1843. Bd. III, S. 355 ff. – O. Voelkel, Die Slavenchronik Helmold’s. Danzig 1873. – K. Hirsekorn, Die Slavenchronik des Presbyter Helmold. Hamburg 1879. Von Hermann Kirchberg in deutsche Verse gebracht. – Versus antiqui de vita Vicelini ed. Beeck in Quellensammlung der Gesellschaft f. schlesw.-holst.-lauenb. Geschichte. Kiel 1874. Bd. IV, S. 127. – v. Bippen, Kritische Untersuchungen über die versus etc. Lübeck 1868. – Moller, Cimbria lit. II, 910. – Kruse, St. Vicelin. Altona 1826. – Rische, Das Leben Vicelin’s in Piper’s Evang. Jahrbuch 1860. S. 126. – Kolde in Herzog’s Realencyklopädie. 2. Aufl., Bd. XVI, S. 437. – R. Haupt, Die Sct. Vicelinskirchen. Kiel 1884. – Jensen Michelsen, Schlesw.-holst. Kirchengeschichte. Kiel 1873. Bd. I, S. 207 ff. – Laspeires, Die Bekehrung Nordalbingiens und die Gründung des Wagrischen Bisthums. Bremen 1864.