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ADB:Samo

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Artikel „Samo“ von Ludwig Oelsner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 309–310, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Samo&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:22 Uhr UTC)
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Samo, ein Franke aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts, ursprünglich Kaufmann, später König der an der oberen Elbe und westwärts bis zur Saale, im heutigen Böhmen und Königreich Sachsen, ansässigen Wenden, der „deutschen“ Slaven, wie Zeuß sie nennt. Sein Reich grenzte im Westen an Austrasien, zunächst Thüringen, im Süden und Osten an das über Oesterreich und Ungarn sich erstreckende Land der Avaren oder Hunnen. Wann die Wenden in den Besitz dieser Gegenden gelangt und welches ihr politisches Verhältniß zu den beiden Nachbarstaaten war, entzieht sich unserer Kenntniß; beide beanspruchten eine Oberhoheit über das zwischen ihnen gelegene Gebiet, und zwar die Avaren, indem sie seit Jahrzehnten einen unerträglichen Druck ausübten, die Franken, indem ihnen der friedliche Verkehr im Lande als eine stillschweigende Anerkennung ihrer Herrschaft genügen mochte. So erschien denn in den Jahren 623-624 auch S. an der Spitze zahlreicher anderer Handelsleute geschäftshalber bei den Wenden, und als er das Land in hellem Aufruhr gegen die Avaren und deren Oberhaupt oder Chakan fand, gesellte er sich den Aufständischen zu, gelangte unter ihnen bald zu einer führenden Stellung und machte sich um die Befreiung der Wenden so verdient, daß diese ihn zu ihrem König erhoben. In wiederholten Treffen kämpfte das Volk unter seiner Leitung auch später noch gegen die Avaren und blieb jeder Zeit Sieger. Aber auch mit den westlichen Stammesgenossen gerieth S. in Streit: wieder waren fränkische Händler ins Land gekommen und viele derselben beraubt und getödtet worden. Ein Abgesandter König Dagobert’s I., Sicharius, der Genugtuung fordern sollte, vermochte nur [310] in slavischer Verkleidung sich bei S. Zutritt zu verschaffen. Dieser machte Gegenforderungen geltend; Sicharius, seine Vollmacht überschreitend, stieß Drohungen aus, weil S. und sein Volk dem Könige Dagobert Dienstbarkeit schulde. S., der dies einräumte, verlangte dagegen ein freundschaftliches Verhalten Dagobert’s. Da trat zum nationalen noch der religiöse Gegensatz: Christen und Knechte Gottes, erklärte Sicharius, könnten mit heidnischen Hunden keine Freundschaft halten. „Wenn ihr denn Gottes Knechte seid und wir die Hunde Gottes, erwiderte S., so dürfen wir euch wegen eures gottwidrigen Betragens mit unseren Bissen zerfleischen.“ Der Gesandte wurde hinausgewiesen, und der Krieg begann, der, nach dieser Unterhandlung zu urtheilen, von S. gern vermieden worden wäre. Der Ausgang des Kampfes war ihm auch diesmal günstig: auf dem Hauptschauplatze wenigstens, bei der Belagerung von Wogastisburg (vielleicht Voigtsberg im Voigtlande oder Voigtsdorf bei Freiberg), unterlagen die Austrasier nach dreitägigen Gefechten und mußten unter schweren Verlusten die Flucht ergreifen. Es folgten nun von Seiten Samo’s, zu dem jetzt auch der Sorbenhäuptling Dervan überging, mehrfache Verwüstungszüge ins fränkische Gebiet, die erst dadurch zum Stillstand gelangten, daß König Dagobert 633-634 Austrasien von seinem fränkischen Gesammtstaate abtrennte und seinem Sohne Sigibert mit eignem Majordomus unterstellte, ja auch Thüringens Selbständigkeit unter Herzog Radulf erneuerte. Samo’s Stellung blieb bis an sein Ende unerschüttert; der erste größere Slavenstaat, den die Geschichte kennt, war von einem Franken – denn wenn die moderne czechische Geschichtsschreibung ihn für die slavische Nationalität in Anspruch nimmt, so beruht dies auf unkritischer Beurtheilung der Quelle – gegründet worden, und sowohl die Macht der Avaren, als auch die Einheit des Frankenreiches hatte durch ihn einen schweren Stoß erlitten. 35 Jahre lang, also bis 658, herrschte S. glücklich über die Wenden; er hinterließ von 12 slavischen Frauen, die er geheirathet, 22 Söhne und 15 Töchter. Von seinen Nachkommen aber und den weiteren Geschicken seines Reiches verlautet während der folgenden anderthalb Jahrhunderte nichts; erst in den Tagen Karl’s des Großen taucht der slavische Name in der Geschichte wieder auf. –

Die einzige Quelle über S. ist die Chronik des sog. Scholasticus Fredegar, die nun in der mustergültigen Ausgabe von Krusch vorliegt. Von S. handeln: Palacky in den Jahrbüchern des böhmischen Museums I, 387 ff. („Ueber den Chronisten Fredegar und seine Nachrichten von S., König von Böhmen“) und in der Geschichte von Böhmen I, 76-82; Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme S. 636-38; Roepell, Geschichte Polens I, 32; Schafarik, Slavische Alterthümer II, 415-20; Büdinger, Oesterr. Geschichte I, 75-76; Kaufmann, Deutsche Geschichte II, 166; sehr eingehend Ranke, Weltgeschichte V, 1, 253-255.