ADB:Schütze, Heinrich Karl

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Artikel „Schütze, Heinrich Karl“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 143–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%BCtze,_Heinrich_Karl&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 03:12 Uhr UTC)
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Schütze: Heinrich Karl S., Schulmann, Sohn des Pastors Christian Friedr. S. zu Hain in der Grafschaft Stolberg, geb. am 31. August 1700, † zu Wernigerode am 7. Juni 1781. Da sein aus Wernigerode stammender Vater schon ein Jahr nach H. Karl’s Geburt dorthin als Pastor an der Johanniskirche berufen wurde, so genoß er hier seine erste Vor- und Schulbildung. Als er zu Ostern 1718 die Oberschule der Stadt verließ, um darnach als gräflicher Stipendiat die Klosterschule in Ilfeld zu besuchen, wurde er von seinen Lehrern als hoffnungsvoller Jüngling bezeichnet. In Ilfeld war er bis 1721 und studirte von Michaelis 1724 bis Ostern 1727 in Halle Theologie, beschäftigte sich dabei aber auch eifrig mit den alten Sprachen. Vom Herbst 1729 bis 1738 versah er seine erste amtliche Thätigkeit als Conrector an derselben Wernigerödischen Oberschule, an der er den Grund zu seiner wissenschaftlichen Vorbildung gelegt hatte. Als in dem letzteren Jahre sein älterer Bruder Eustasius Friedrich eine Anstellung in Altona erhielt, rückte er an dessen Stelle als Rector der Schule in Wernigerode ein. In dieser Stellung entwickelte er nun eine so bedeutsame und erfolgreiche Thätigkeit, wie keiner seiner Vorgänger, so daß die bis dahin auswärts kaum gekannte Schule einen weiten Ruf erhielt und zahlreiche Zöglinge von nah und fern zu der Harzstadt zog, und zwar zu einer Zeit, als gar nicht weit entfernt zu Kloster Berge vor Magdeburg unter Steinmetz und zu Halle treffliche Schulen bestanden. Selbst dann noch hielt die Wernigeröder Lateinschule den Wettbewerb aus, als ganz in der Nähe zu Halberstadt unter Struensee die Domschule einen mächtigen Aufschwung nahm. Wegen der ausgedehnten Betheiligung von auswärts sah man sich veranlaßt, im J. 1745 eine kurze Nachricht von der Wernigerödischen Oberschule in Druck zu geben. Sehr zu statten kam es S., daß der damalige regierende Graf Christian Ernst zu Stolberg und die nächste Oberbehörde der Schule, der Superint. Lau und der Oberprediger Wern. Nik. Ziegler, sich der Anstalt mit eben so großem Eifer als Verständniß [144] annahmen und bei dem Entwurf eines neuen Lehrplans guten Rath gaben. Das Hauptverdienst gebührt aber entschieden S. als dem Leiter der Schule, ohne den auch der Lehrplan nicht den rechten Erfolg hätte haben können. Blicken wir auf die Vielheit der Lehrgegenstände, unter denen außer Religion, den alten Sprachen, Mathematik und dem Unterricht in der Muttersprache auch Geschichte, Geographie, Französisch, Heraldik und Genealogie, Philosophie und Physik, daneben noch Schönschreibekunst und verschiedene Handarbeiten und Fertigkeiten erscheinen, so wird dies zunächst befremden und Bedenken erregen, zumal die Schule in W. nur eine fünfclassige war. Es hat der Schule denn auch nicht an einem öffentlichen Tadler gefehlt, und zwar in der Person eines früheren Schülers (s. den Art. Joh. Christ. Meier). Dennoch ist dieses Urtheil, zumal soweit es sich auf S. selbst bezieht, ungerecht und schief. Männer der verschiedensten wissenschaftlich-geistigen Richtungen und Berufsarten, die Dichter Gleim und Unzer, die Theologen H. D. Hermes, Chph. Gottfr. Jacobi, Gottfr. Chr. Reccard, J. W. Streithorst, der Schulmann Kinderling, die Physiker C. Delius, Fr. W. Schröder und Chr. Fr. Kratzenstein, die Staatsrechtslehrer Runde, v. Selchow u. a. sind nicht nur aus dieser Schule hervorgegangen, sie haben es auch alle dankbar anerkannt und ausgesprochen, daß die Schule und S. ein entschiedenes Verdienst an ihrer wissenschaftlichen Entwickelung habe. Jene Ueberfülle der Lehr- und Uebungsgegenstände erscheint auch, näher betrachtet, in einem ganz anderen Lichte. S. behandelte nämlich, soweit dies überhaupt nur in einer öffentlichen Schule möglich war, jeden Zögling individuell, suchte in allen die Lust zum Lernen und zum Fleiß, in jedem einzelnen aber die Keime seiner besonderen Richtung und Anlage zu wecken und zu pflegen. Dazu benutzte er außer den Schulfesten besonders die sehr fleißig an den Sonnabenden mit den Schülern der oberen Classen angestellten Redeübungen. Hier wurde auch auf Stil und Ausdruck, worauf S. großen Werth legte, sorgfältig geachtet. Nicht an allen Lehrgegenständen, sondern nur an den nothwendigen, dem Unterricht in der Religion, in den alten Sprachen, der Muttersprache und Mathematik, waren alle Schüler theilzunehmen verpflichtet, im übrigen wurden Neigungen, Anlagen und der zukünftige Beruf der Schüler berücksichtigt. Den Hauptnachdruck legte S. auf das Lateinische, und die Methodik des lateinischen Unterrichts, wie sie im Lehrplan der Schule entwickelt ist, wird heute noch die Anerkennung der Sachkenner finden. Der Hauptschlüssel zu Schütze’s unleugbar sehr großen Erfolgen ist aber in seiner harmonischen Persönlichkeit zu suchen, die Ernst und Festigkeit mit wunderbarer geistiger Frische verbindend Geist und Gemüth der Schüler anzog und fesselte. Seine schriftstellerische Thätigkeit, die mit Ausnahme eines größeren Buches über den Aberglauben, das indessen auch aus einer Schulschrift hervorging und den lehrhaften Charakter nicht verleugnet, ist überall die des Lehrers, und seine Abhandlungen sind alle in Schrift gefaßte Lehrvorträge. In der früheren Zeit im lateinischen Gewande, später meist in der Muttersprache abgefaßt, befleißigen sie sich alle eines guten Stils und sorgfältig gewählten Ausdrucks. Seines Verdienstes um die Muttersprache wegen ernannten ihn die deutschen Sprachgesellschaften zu Helmstedt und Erlangen zu ihrem Mitgliede. Um nur einige seiner Abhandlungen zu erwähnen, so handelt die de prima mentis operatione in scholis inferioribus potissimum emendanda (1742) davon, wie schon in frühester Jugend auf die Wahl des zukünftigen Berufs Rücksicht zu nehmen und wie kein Jüngling, ohne wenigstens einen gewissen Begriff von diesem Berufe zu haben, zur Hochschule zu entlassen sei: Auch vom Anschauungsunterrichte wird gehandelt und dessen Werth nachdrücklich hervorgehoben. Daran schloß sich im nächsten Jahre sein Beweis, daß die erste Kraft des Verstandes, sich richtige Begriffe von den Dingen zu machen, vor allem in den niederen Schulen geübt und gebessert werden müsse. [145] Die Abhandlung de fide historica 1744 ist überaus klar und faßlich, und Schützes Bemerkungen über die geschichtliche Quellenkritik werden heute und zu allen Zeiten als treffend anerkannt werden. Von einem gesinnungstüchtigen Geschichtschreiber verlangt er, daß er die Wahrheit sage, ohne sich durch irgend welche äußeren Rücksichten bestimmen zu lassen. In der Schrift „De remediis suspensivis in causa contra praecoces academicos“ (1751) warnt S. dringend vor dem Rennen unreifer Jünglinge zur Universität, ein Uebelstand, der damals freilich, als die Abgangsprüfungen noch nicht eingeführt waren, ein weit größerer war, als seitdem. Der Vortrag: „De expedita facultate agendi, vulgo habitu (ἕξις, Fertigkeit)“ enthält treffende Bemerkungen über ein planmäßiges methodisches Lernen, dessen der Gelehrte ebenso bedürfe, wie der Handwerker und Künstler einer sorgfältigen Vorübung. In der Schrift „De paedantismo“ (1765) spricht S. den Lehrerstand im Großen und Ganzen von dem ihm allgemein gemachten Vorwurf der „Schulfuchserei“ frei, der freilich manche einzelne Lehrer treffen möge. An der Verkümmerung eines Theils des Lehrerstandes sei die bürgerliche Gesellschaft schuld, in der dem Lehrer eine würdigere Stellung einzuräumen sei. Namentlich dürfe im Hause nicht verächtlich von Lehrer und Schule gesprochen werden. Auch an die zu dürftige Besoldung der Lehrer erinnert er. Auf die Frage: ob dem allweisen Gott die Ursache zugeschrieben werden dürfe, wenn sich bei manchen Menschen Unwissenheit und Dummheit äußere (1771), wird ganz im erzieherischen Sinne geantwortet, daß sich bei rechtem und fleißigem Gebrauch und Uebung der Vernunft auch die Dummheit zu bessern pflege. Schütze’s Persönlichkeit ist auch um deßwillen bemerkenswerth, weil nicht oft ein so unermüdlich thätiger Lehrer bei allgemein anerkannter geistiger Frische ein so hohes Lebensalter erreichte. Im J. 1779 feierte S. bei ungebrochener Geistesfrische seine fünfzigjährige Thätigkeit im Schulamt, und obwohl ihm damals der regierende Graf, die Schulbehörde und seine Berufsgenossen die völlige Enthebung von allen Berufspflichten gönnten, so behielt er doch eine eingeschränkte Thätigkeit bis kurz vor seinem zwei Jahre später erfolgten Tode bei. Als dem einzigen in der langen Reihe der Vorsteher der Wernigerödischen Oberschule bis auf den gegenwärtigen Leiter ihrer Nachfolgerin, des fürstlichen Gymnasiums, wurde S. im J. 1762 der Titel Director verliehen und das Jubelfest seiner fünfzigjährigen Lehrerthätigkeit offenbarte in der reichsten Fülle den Dank und die Verehrung, welche der verehrte treue Schulmann bei den in verschiedenen Gegenden Deutschlands verbreiteten, theilweise in bedeutendem Ansehen stehenden Schülern genoß.

Nach den Schul- und Fürstl. Archivacten zu Wernigerode, sowie nach Schütze’s Schriften.