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ADB:Schaper, Dietrich

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Artikel „Schaper, Dietrich“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 572–575, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schaper,_Dietrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:35 Uhr UTC)
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Schaper: Dietrich (Theodoricus) S., † 1466, Propst des Benedictinerinnenklosters Lüne bei Lüneburg, war die Seele des Widerstandes der sog. Pleter- (d. h. plärrenden, zeternden) Prälaten (praelati rusticales) gegen die Maßregeln des Lüneburger Rathes, welche die gesammten Stadtschulden auf die Sülzbegüterten abzuwälzen bezweckten. Diese, die „Pfannenherren“, waren vorzugsweise auswärtige Stifter, Klöster, Kirchen und Stiftungen, von den beiden ersteren allein 50, dazu 57 Adelsgeschlechter. Der Widerstand führte zu dem sog. Prälatenkriege, auf welchen in Art. Springintgut näher einzugehen ist. Von Schaper’s Gegnern wird angegeben, er sei ein armer Schüler, doch wohl zu St. Johannis in Lüneburg, gewesen und danke alle Beförderung dem Rathe. Das kann nicht ganz richtig sein, da 1450 seine Schwester Gertrud in dem für Patricier- und Adelstöchter vorbehaltenen Kloster Lüne als Nonne genannt wird. Jedenfalls hat ihn, der bis dahin Scolarius war, der Rath von Lüneburg schon vor 1436 als seinen Secretarius und Protonotarius, d. h. Stadtschreiber und [573] Archivar, angenommen, und durch seinen Einfluß auf die Lüner Nonnen, deren Convent durch Prior Johann Weigergang 1373 vom Papst Gregor II. das Recht erlangt hatte, seinen Prior selbst zu wählen, nach dem Tode des Konrad Tzerstede (1433–1440) diese bewogen, den äußerst brauchbaren und gewandten Mann zum Prior anzunehmen, zumal er seit 1436 dort schon eine Vicarei besaß. Hatte der Rath gemeint, nun in seinem früheren Beamten ein willfähriges, in seinen ewigen Streitigkeiten mit der Geistlichkeit gut zu verwendendes Werkzeug zu gewinnen, so hatte er sich vollständig geirrt und von dessen zäher, ja halsstarriger Energie und seiner agitatorischen Gabe keine Ahnung gehabt. Zunächst errang S. sich die feste Zuneigung der Domina und des Conventes; er ließ eine schöne Orgel bauen; gelobt wird der Aufschwung, den er in die Viehzucht der Klostergüter brachte; vor allen Dingen aber stand das Kloster hinter ihm, als er seit 1445 sich unbeugsam der Forderung des Rathes auf die Abtretung der Hälfte der gesammten Sülzeinkünfte der Prälatur zur Abtragung der unerschwinglich gewordenen Stadtschulden widersetzte. Seine Kenntniß der Acten von der Sülze und dem Verfahren des Rathes, welche auch ganz absonderliche Behauptungen wahr erscheinen ließ, gab ihm eine ebenso gefährliche Waffe in die Hand, wie sein Wissen von der Stimmung der niedern Bürgerschaft gegen die Sülzjunkeraristokratie und dem Mißvergnügen eines Theiles der letzteren gegen die im Amte befindlichen Genossen. Eine Gesellschaft Unzufriedener wußte er um sich zu sammeln, darunter seinen Bruder Ulrich, den herzoglichen Salzzollerheber Hanz Dalenborch, den herzoglichen Stadtvogt Nienborch und mehrere aus den angesehensten Geschlechtern, die nun höhnend nach ihrem Versammlungsorte „Gardenbröder“ (Gartenbrüder, mit dem zweideutigen Begriffe „Gardende“ oder Bettelbrüder) genannt wurden. Der Rath suchte den gefährlichen Mann unschädlich zu machen; sein Aufwand gab den Anlaß zu einer Bezichtigung wegen Unterschleifs beim Bischofe Johann III. von Verden (s. A. D. B. XIV, 434). Er sollte 16 000 rheinische Gulden Klostergelder für sich und die Seinen verbraucht haben. Johann beauftragte den Propst Leonhard Lange zu St. Johannis in Lüneburg mit der Untersuchung, und dieser verurtheilte jenen zur Entsetzung und beauftragte Lüder Leerten mit der Verwaltung, bis der Bischof einen neuen Propst ernannt habe. Der Convent erkannte aber weder das Urtheil noch das Provisorium an, indem er sich nicht mit Unrecht auf das Privileg von 1373 berief. Auf Anrufen Lange’s schritt nun der Rath zur Execution, 1450, die Nonnen aber verschlossen das Kloster; der Rath ließ dann mit Gewalt einsteigen, aber S. entkam in einem Mistwagen. Schon vorher war ihm das Betreten der Stadt verboten gewesen, auch Ulrich Schaper und andere Gartenbrüder wurden nun ausgewiesen. Jetzt trat die wilde, ja dämonische Energie des schwer gekränkten Dietrich erst recht hervor; die Nonnen hielten fest zu ihm, er kam gelegentlich wieder nach Lüne, reiste aber sonst von Prälatur zu Prälatur und brachte eine feste Verbindung gegen den Lüneburger Rath zu Stande, an deren Spitze die Domcapitel von Hamburg, Lübeck und St. Blasii zu Braunschweig standen, und der sich alle bisher Schwankenden anschlossen. In Lüneburg selbst wurden alle Hebel gegen die Stadtaristokratie in Bewegung gesetzt. Alle Versuche des Raths 1451 und 1452 zu einer Einwilligung der Prälaten zu gelangen, scheiterten in Lüneburg und Mölln an dem Einspruche von S., trotz des Vermittelungsversuches des Cardinallegaten Konrad de Monte Policiano und der Mühen des Herzogs Adolf von Schleswig-Holstein und der Räthe von Hamburg und Lübeck. Der Rath von Lüneburg drohte mit Gewalt, dafür hatte aber S. in Rom durch eine Klage der Prälaten und durch eine eigene, wegen der Vertreibung aus Lüne, Vorsorge getroffen. In beiden erreichte er zum Theil durch die Sorglosigkeit oder Widerwilligkeit des Patriciates ein obsiegendes [574] Urtheil. Der intrudierte Propst Leerten fiel in den Bann und wurde verjagt, und auch über Lüneburg wurde 1453 der Bann verhängt, gegen die Appellation in Rom mit allen Mitteln, ja mit Ueberfall und Hausfriedensbruch vorgegangen, dann das Urtheil vom Papste Nicolaus V. bestätigt. Die ganze Curie war in Aufregung; S. hatte mit seiner Partei verstanden, ihr die lange noch nachwirkende Meinung beizubringen, der Versuch gegen die Sülzgüter der Prälaten sei der Anfang einer angestrebten Beraubung der Kirche: man fürchtete in Rom eine Art Hussiten-Bewegung. Auch Kaiser Friedrich III. drohte jetzt mit der Acht, der Papst verlangte „Herausgabe des Raubes“, die Appellation des Lüneburger Abgesandten Albrecht von der Mölen (s. A. D. B. XXII, 94) an ein künftiges allgemeines Concil machte die Sache noch schlimmer. Vermittelungen scheiterten; mit S. selber sich auseinander zu setzen und ihn zu versöhnen, konnte der Rath sich nicht überwinden. Als es nun endlich im September 1554 zur Execution des Bannes und Ende October und im November zum Aufstand mit dem in den Hansestädten üblichen Verlauf kam, war S. eine Zeit lang Herr der Lage, vom Papst Calixt III. wurde eine Bestätigung aller Maßregeln gegen den alten Rath am 1. Juni 1455 erwirkt. Aber im Sommer 1456 kam es allmählich durch den Unwillen der besitzenden Bürger und die Noth der Prälaten, die alles zu verlieren fürchteten, zum Umschwung. Durch ganz Deutschland hin wurden die Folgen der Wirren gespürt und mit Unwillen getragen. Da über Lüneburg die Handelsstraße von Lübeck und Hamburg nach dem Süden ging und umgekehrt, war durch die Sperrung in Folge des Bannes der ganze Verkehr lahm gelegt, selbst der Geld- und Wechselverkehr bedroht. Als nun der revolutionäre neue Rath die Stadt den Lüneburger Herzogen in die Hand spielen wollte, kam es zum Gegenaufstand der besitzenden Classen, der am 19. November 1456 den alten Rath wieder einsetzte. Am 24. December ernannte nun auch der Kaiser den Markgrafen Albrecht von Brandenburg als Commissar zum Austrag der Sache, dessen Bevollmächtigte im Mai 1457 den sich unterwerfenden schwere Vermögensbußen auferlegten und sie darnach der Stadt verwiesen, die übrigen aber dem heimlichen Verfahren überantworteten. S. scheint sich damals nach Lüne zurückgezogen zu haben. Sein Bruder und der Zöllner Dalenborch verfielen dem peinlichen Verfahren, sie mußten die Rache des siegreichen Patriciates, das seine eigenen hartbetheiligten Mitglieder schonte, büßen. 1458 wurden sie auf dem Markte neben dem „Kaak“ (Schandpfahl) enthauptet, ihre Leiber auf dem Armsünderkirchhof zu St. Gertrud begraben. Jetzt schritt Bischof Johann von Verden auch gegen S. ein, setzte ihn abermals ab und ernannte den frühern Sachwalter des alten Raths zu Lüneburg beim römischen Hofe, Nikolaus Grawerock 1458 zum Prior. Auch dieser mußte erst gewaltthätig eingesetzt werden, S. „wurde eines Abends aus dem Kloster geworfen“; die Priorissa Susanne Münters aber stellte ihm einen Wagen zur Fahrt nach Adendorf auf der Straße nach Lauenburg. Die Klosterlegende hat überliefert, daß S., als seine Schwester Gertrud von ihm Abschied nehmen wollte, er dieses „in heiligem Eifer“ verhindert habe, damit sie nicht um seinetwillen das gesetzliche Stillschweigen breche. Es bleibt aber fraglich, ob sich diese Tradition nicht auf 1450 beziehe. S. lebte bis 1466 in Braunschweig; die Nonnen unterwarfen sich aber auch dem neuen Propste nicht, erst 1472 wurde Grawerock von Papst Sixtus IV. bestätigt. Auch die Prälaten fügten sich erst 1462 so ziemlich alle, der Streit lebte aber in anderen Formen bis 1466 wieder auf. Der Lüneburger Rath hatte endlich den vollständigen Sieg davon getragen, nachdem noch die Päpste Pius II. und Paul II., König Christian I. von Dänemark, die Bischöfe von Brandenburg und Halberstadt und der Erzbischof von Magdeburg in die Sache hineingezogen waren. Die Lüneburger Chroniken des 16. Jahrhunderts [575] haben alle, selbst die demokratische Hamelmann’s, mit Nachdruck den Mann verurtheilt, der soviel Unheil über ihre Stadt gebracht hatte.

Vergl. die Bruchstücke aus Hamelmann bei Staphorst, Hamburg. Kirchengesch. I, 4, S. 881 ff. – Dr. Francke, Der Lüneburgische sog. Prälatenkrieg (Jahrb. des Museumsvereins für d. Fürstenth. Lüneburg, 1882/83, S. 1–49). – Die Lüner Nachrichten bei Müller in Ann. der Braunschw.-Lüneburg. Churlande (1793) VII, 4, S. 645 ff. – S. unten den Art. Springintgut.