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ADB:Schesäus, Christian

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Artikel „Schesäus, Christian“ von Georg Daniel Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 139–140, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sches%C3%A4us,_Christian&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:19 Uhr UTC)
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Schesäus: Christian S., Geschichtschreiber und Dichter, ist geboren in Mediasch, im Siebenbürger Sachsenland um das Jahr 1536, ein Sohn des Mediascher Stuhlsrichters Joachim S. Erwachsen unter dem Geisteswehen der eben im Sachsenland siegreich gewordenen Reformation, vorgebildet auf der, aus ihrem Leben gebornen neuen Kronstädter Schule, vom Frühjahr 1556 an auf der Universität in Wittenberg den höhern Studien sich widmend, spiegelt er in seinem Leben und Wirken den Geist wider, der mit der deutschen Kirchenverbesserung und dem deutschen Humanismus auch die Seele des fernen deutschen Stammes in Siebenbürgen zu neuem Leben führte und kräftigte. Nach seiner Rückkehr von der Hochschule Prediger in der eben evangelisch gewordenen, damals wesentlich noch deutschen Stadt Klausenburg, später Pfarrer in der rebenreichen sächsischen Landgemeinde Tobiasdorf, von der er ein liebliches Bild freundlichen Stilllebens gezeichnet, wurde er 1569 Stadtpfarrer in Mediasch, wo er am 30. Juni 1585 starb. Er ist einer der wenigen Zeitgenossen der Reformation in Siebenbürgen, von denen wir Mittheilungen über jene tiefe sittlich-religiöse Umgestaltung besitzen. Darin liegt in erster Linie die Bedeutung des Mannes, die sein Gedächtniß erhalten hat. Die groß angelegte Rede, die er dem Wunsch und Drängen seiner Freunde und Obern entsprechend, am 8. Mai 1580 vor der in Birthälm tagenden geistlichen Synode hielt: „De origine et progressu inchoatae et propagatae coelestis doctrinae in hac miserrima patria nostra“ ist der erste zusammenfassende, wenn auch in Einzelnem dürftige Abriß der Reformationsgeschichte Siebenbürgens, in dem S. zeigen will, „durch welches große Wunder die Lehre des göttlichen Wortes unter so vielen uneinigen Nationen, so vielen Ungeheuerlichkeiten menschlicher Meinungen, unter so vielen Bürgerkriegen und gefahrvollen Wechseln des Regiments in diesem, fast mitten im Rachen der Türken gelegenen Winkel der Welt durch Gottes besondere Gnade begonnen, verbreitet, vertheidigt, erhalten worden“. Die Arbeit, in zahlreiche handschriftliche Sammlungen des 16. u. 17. Jahrhunderts aufgenommen, in ihrem Werth bald erkannt und vielfach benützt, ist endlich in diesen Tagen auch durch den Druck veröffentlicht worden (G. D. Teutsch, Die Synodalverhandlungen der evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen. Hermannstadt 1883, S. 230–251). Gewissermaßen eine pastorale Ergänzung hiezu enthält das „Bild vom guten Hirten“ (Imago boni pastoris), in dem S. das seinem Freunde, Nicolaus Selnecker, Pfarrer in Leipzig, gewidmete Ideal des neuen evangelisch-geistlichen Amtes liebevoll zeichnet, nicht ohne im Hinblick auf die leidensvolle Zeit den guten Hirten selbst zu bitten: „Führ’ du uns, rett’ uns und schirme gegen den Feind uns, Niemand, wenn nicht du, schlägt ja die Schlachten für uns.“

Früher noch, als die geschichtliche Arbeitsfreude Schesäus’ im Gewand der feierlichen Rede Ausdruck fand, ist sie, der auch hier lebendigen humanistischen Bildung jener Zeit entsprechend, in der Form des epischen Gedichtes thätig gewesen. Die wechselvollen, an grausen Ereignissen so reichen Geschicke seines Vaterlandes, deren Zeuge er war, boten ihm den herben Stoff, den er nach [140] Virgil’s Vorbild, des Verses und der Sprache in ungewöhnlichem Maße mächtig, mit lebendigster innerer Theilnahme zum Heldengedicht gestaltete. So entstanden seine „Ruinae Pannonicae“, von welchen die ersten vier Bücher mit einem Anhang 1571 in Wittenberg bei Clemens Schleich erschienen. Sie enthalten siebenbürgische und ungarische Geschichten von 1540–52 – darin eine reizende Schilderung Siebenbürgens und die kurze Darstellung der reformatorischen Bewegung im Lande –, dann den letzten Feldzug Soliman’s in Ungarn (1566). Die beiden Aufgaben, die S. darin lösen wollte, zugleich Zeitgeschichte und ein Epos zu schreiben, haben natürlich eine der andern Eintrag gethan; so ernst er der Pflicht sich bewußt war, die jene ihm auflegte, die wirklichen Thatsachen, wie sie geschehen, voll und wahr darzustellen, so hat in ihrer Schilderung doch oft die Phantasie die Zügel ergriffen und die, immer auf geschichtlichem Boden stehenden Ereignisse und Personen mit dem vollen Licht und Reiz der Dichtung ausgestattet. So ist eine Reihe von Einzelgemälden entstanden, an Homerische und Vergilsche Schlachtbilder gemahnend, „Freskobilder, mit breitem, oft farbenprächtigem Pinsel gemalt“, in welchen „türkische und deutsche Kaisergewalt, asiatische Barbarei und christlich abendländische Cultur gegen einander drängen“, Heldenthaten und Verrath, edelste und dunkelste Seiten der Menschennatur in raschem blutigen Wechsel den Leser erschüttern, anziehen, abstoßen. Es ist kein Zweifel, daß das Werk aus der Freude ebenso an dichterischer Gestaltung, als an geschichtlicher Darstellung erwachsen ist; S. selbst bezeichnet als Zweck desselben unter anderem, daß andere fremde, von der mohamedanischen Fluth unversehrte und freie Nationen Geschrei und Klage der Gefesselten, der in der Finsterniß und im Schatten des Todes Sitzenden hören und zum Erbarmen bewegt werden mögen. Das flehende Wort, das er am Schluß des vierten Gesanges niederschreibt:

Doch du, Vater der Macht, des Vaterlandes gedenkend,
Bänd’ge die Herzen voll Haß und feßle die Stürme des Krieges!
Siehe, genug schon trank die Erde vom Blute der Bürger …
Mitten im wilden Gewog des grausamen Kampfes noch dauern
Wir, wie die Hand, die dort liegt hingestreckt auf dem Ambos:
Ueber ihr hebt sich des Hammers Last und zerschmetternder Schlag droht –

harrt heute noch zu nicht geringem Theil der Erfüllung.

Stephan Bathori, der König von Polen und Fürst von Siebenbürgen, dem S. die sechs letzten ungedruckten Bücher der Ruinae Pannonicae 1584 überschickt hatte, zeichnete ihn mit dem Lorbeer des Dichters aus. Die im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in Siebenbürgen entstandene „philohistorische Gesellschaft“ hat die vier ersten Bücher 1797 mit kritischen und andern erläuternden Noten und Excursen von der Meisterhand Karl Eder’s (s. A. D. B. V, 642) neu herausgegeben; in unseren Tagen hat die tiefergehende Forschung seine Bedeutung als Dichter und Humanist in ebenso werthvollen als anregenden Darstellungen gewürdigt (Mich. Albert, Die Ruinae Pannonicae des Christian Schesäus im Schäßburger Gymnasialprogramm von 1873; Fr. Teutsch, Aus der Zeit des sächsischen Humanismus im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Band XVI, 233–1881).

G. J. Haner, Scriptores rerum Hungaricarum et Transsilvanicarum. Viennae 1777. – Joh. Seivert’s Nachrichten von Siebenbürgischen Gelehrten. Preßburg 1785. – Jos. Trausch, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen, Band III, Kronstadt 1871. – G. D. Teutsch: Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 1885, XX, 211.