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ADB:Schilter, Johann

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Artikel „Schilter, Johann“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 266–268, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schilter,_Johann&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 19:27 Uhr UTC)
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Schilter: Johann S., Consiliarius der Reichsstadt und Ehrenprofessor der Universität Straßburg, einer der einflußreichsten und vielseitigsten Fachschriftsteller seiner Zeit; geb. zu Pegau a. Elster im Meißner Gebiete am 29. Aug. 1632, † zu Straßburg am 14. Mai 1705. Kaum 3 Wochen alt mußte S. mit seinem Vater Marcus, einem angesehenen Handelsmanne zu Pegau, und seiner Mutter Barbara, einer Schwester des bekannten Jenenser Juristen Strauch, infolge feindlicher Einfälle während des 30jährigen Krieges nach der väterlichen Geburtsstadt Leipzig, von da nach Dresden flüchten, wo Marcus S. einer dort herrschenden endemischen Krankheit binnen Jahresfrist erlag. Die Wittwe verheirathete sich zwar bald darauf mit Johann Hartmann, des Rathes und der Universität Leipzig Propstei-Verwalter, welcher indessen schon im ersten Jahre der Ehe verstarb. Im siebenten Jahre verlor S. seine Mutter. Der doppelt verwaiste Knabe kam nun in das Haus seines väterlichen Oheims, Dr. Joh. Schilter, Senior des Schöppenstuhls zu Leipzig, und erhielt mit dessen Sohn eine sorgfältige Erziehung. Im J. 1652 bezog er die Universität Jena, und machte im Studium der Philosophie solche Fortschritte, daß er bereits 1653 unter Slevogt’s Vorsitz eine These „de syllogismis ex hypothesi“ mit großer Gewandtheit vertheidigte. Die Disputation wirbelte in dem gelehrten Jena viel Staub auf; S. verließ vorzugsweise deshalb diesen Musensitz, ging nach Leipzig, um zwei weitere Jahre dem philosophischen Studium zu widmen, und erwarb 1655 dortselbst den Grad eines Doctors der Philosophie. Noch im nämlichen Jahre kehrte er nach Jena zurück und verlegte sich unter Leitung seines mütterlichen Oheims, Professor Johann Strauch, während fünf Jahren auf das Rechtsstudium, hielt wiederholt Disputationen, und trat gegen Ende des Jahres 1659 zu Naumburg in Gerichtspraxis. Dortselbst verlobte er sich im nächsten Jahre (1660) mit seiner nachmaligen Gattin Anna Sybilla, Tochter des Stadtrichters und Handelsmannes Bores zu Salefeld; sie wird von den Zeitgenossen als eine bitterböse Frau geschildert, welche ihrem Gatten manch schlimme Stunde bereitete, und 1699 das Zeitliche segnete. Aus dieser Ehe gingen 4 Kinder hervor, von denen nur Johann Gottfried, welcher gleich dem Vater die juristische Laufbahn wählte, letzteren überlebte. Nach dem Tode der Tochter Susanna Sybilla adoptirte S. die der Familie eng befreundete Amtmannstochter Susanna Katharina Dieudonné, welche später (1699) dem Wittwer den Haushalt führte und dem Sterbenden die Augen zudrückte. Die Naumburger Praxis vertauschte S. nach einigen Jahren mit der Erb- und Landes-Canzellei zu Zeitz, wurde 1668 Amtmann in Ruhla, 1671 Doctor beider Rechte in Jena (mit einer Inaug.-Disputation „de cursu publico et Angariis et Parangariis etc.“) und folgte bald darauf als Hof- und Consistorialrath einem Rufe des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar, welcher ihm auch die Kammersachen übertrug. Das Dienstverhältniß erlosch jedoch mit dem Tode des Herzogs (1678), worauf S. wegen seiner ehelichen Zwistigkeiten Anlaß nahm, seinen Hausstand in Jena aufzulösen und als Privatmann nach Frankfurt a. M. überzusiedeln. Als sich durch den Weggang des Professors Georg Kulpis (welcher zum Consistorial-Vicedirector in Stuttgart ernannt wurde), in Straßburg eine höhere Stelle erledigte, für welche ein hervorragender Gelehrter in Aussicht genommen werden wollte, trug man S. durch Vermittlung des ihm befreundeten Straßburger Professors Obrecht (s. A. D. B. XXIV, 114) die Stelle eines städtischen Consiliarius und Ehrenprofessors an der Hochschule an. In ersterer Eigenschaft hatte er ähnlich einem General-Staatsanwalte alle an den Senat von Straßburg gelangenden Rechtsangelegenheiten zu prüfen und vor der Beschlußfassung ein Gutachten abzugeben. Ende Juli 1686 erging die ehrenvolle Aufforderung an unsern Gelehrten, und wurden ihm überdies zu seinem „Aufzug“ 100 Thlr. angeboten. [267] Bestärkt durch Dr. Spener, damals Senior des Frankfurter Senates, sagte S. bereits am 3. August brieflich mit dem Bemerken zu, alsbald in Straßburg eintreffen zu wollen. Anfangs September hatte er auch in der That den Umzug bewerkstelligt und wurde alsbald in eidliche Pflicht genommen. – 1695 widmete er der Stadt seine „Introductio in jus feodale“ etc., wofür er als Ehrengabe ein in Silber getriebenes Gefäß mit dem Stadtwappen im Werthe von ungefähr 100 Thalern erhielt. Im Februar 1699 erledigte sich durch Schrag’s Tod an der Juristenfacultät der Straßburger Hochschule ein Lehrstuhl; bei diesem Anlasse wurde S. in ehrender Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen „dem Juristencollegio genauer vereinbaret“, d. h. er erhielt in der Facultät „Ordinarisitz“ und Stimme, außerdem als jährliche Specialgratification eine Fuder alten Weißweins aus den städtischen Kellern, nachdem er selbst den Wunsch hatte laut werden lassen, daß die Belohnung „etwa in einem trunke weißen, fürnemen weins bestehen möchte“.

In den letzten Jahren war S. von Gicht- und Steinschmerzen viel geplagt, mußte häufig das Bett hüten und im Bette seine Vorlesungen halten, so daß zuletzt sein Krankenzimmer zum Hörsaale wurde, der von seinen anhänglichen Schülern fleißig besucht ward. Am Nachmittage des 14. Mai 1705 erlag er seinen langjährigen Leiden in einem Alter von 72 Jahren und 9 Monaten. Die feierliche Beerdigung fand am 17. desselben Monats statt, wozu der Universitätsrector Johann Philipp Bartenstein in längerer Ansprache einlud, die mit den Worten schloß: „Vos cives Academici, tanti viri jacturam dolete, memoriam sacra veneratione colite, corpusque sepulchro inferendum frequenti multitudine sequimini.“ Am 14. Mai 1706, dem Jahrestage von Schilter’s Tode, hielt Dr. Johann Heinrich Feltz, Prof. der Rechte, die Oratio parentalis; dankbare Schüler verfaßten in deutscher wie lateinischer Sprache eine Reihe von Trauergedichten. – S. (von den Fachgenossen als deutscher Papinian gefeiert, dagegen von den Praktikern ironisch „Wortkönig“ geheißen), war nicht bloß ein kenntnißreicher Geschäftsmann und anregender Lehrer, sondern auch ein vielseitiger, scharfsinniger Schriftsteller, welcher namentlich durch seine lehenrechtlichen Forschungen neue Bahnen betrat, auf denen ihm spätere Gelehrten folgten. Das Verzeichniß seiner verschiedenartigen Schriften zählt 45 Nummern, von welchen einige heute noch wissenschaftliche Bedeutung beanspruchen. Unter seinen Werken über das römische Recht behaupten die erste Stelle die 1672 in Quart zu Jena veröffentlichten „Exercitationes theoretico-practicae ad L libris Pandectarum juris etc.“, welche S. später überarbeitete und mit neuem Titel herausgab. Die erste Abtheilung erschien unter dem Titel „Praxis juris Romani in foro germanico, juxta ordinem edicti perpetui et Pandectarum“, 1675, Leipzig und Jena in 4° (1678 mit neuen Zusätzen); die späteren Abtheilungen, die zweite bis vierte, erschienen gesondert in den Jahren 1680 und 1681. Das Werk erlebte im Ganzen acht Auflagen; zur vorletzten (Jena 1713 fol.) – neu aufgelegt Frankfurt 1738 fol. – schrieb Thomasius eine Vorrede mit litterarischen Angaben über S. Auf dem Gebiete des canonischen Rechtes sind seine „Institutiones juris canonici ad Ecclesiae veteris et hodiernae statum accomodatae“ ein heute noch geschätztes Werk, wovon J. H. Böhmer eine (1719 erneuerte) sehr sorgfältige, mit einer Vorrede vermehrte Ausgabe besorgte (Frankfurt und Leipzig 1713). Neben Schilter’s kirchen-, völker- und staatsrechtlichen, wie rechtspolitischen Schriften, welche durch die großen Umwälzungen, die Deutschland am Beginn dieses Jahrhunderts erfahren, ihren praktischen Wert verloren, sind seine im „Thesaurus antiquitatum Teutonicarum“ (Ulmae 1728 3 vol.) niedergelegten deutschrechtlichen Forschungen hervorzuheben. Das den 3. Band füllende, mit überraschender Gelehrsamkeit verfaßte „Glossarium ad scriptores [268] linguae francicae et alemanicae veteris“ würde allein genügen, dem Autor einen bleibenden Namen zu sichern. – Geradezu bahnbrechend sind unseres Gelehrten Leistungen über das Lehenrecht, indem er zuerst an der Hand der Quellen nachwies, daß es nicht ein universelles sogenanntes lombardisches Lehenrecht, sondern wie dieses auch ein alemannisches, sächsisches, fränkisches gab, jedes mit eigenthümlichem Charakter und selbständiger, volksgemäßer Entwickelung. Er veröffentlichte deshalb den ältesten Text des salischen Gesetzes und anderer Quellenschriften, und betonte die Notwendigkeit des geschichtlichen Studiums der deutschen Rechtsgewohnheiten früherer Jahrhunderte: Die „Introductio ad jus feudale utrumque germanicum et longobardicum“ kam in Straßburg 1695 heraus, ibid. 1721, dann 1727; wurde später von Gebauer, Lips. 1728 und J. G. Heineccius Berol. 1742 mit Zusätzen bereichert, und von mehreren Autoren in deutscher Sprache commentirt. Hierher zählt auch der „Codex jur. aleman. feudalis, germanice et latine cum comment. ad singula capitula“ etc. etc. Argent. 1697 in 4°. Eine spätere, sorgfältiger behandelte Ausgabe von 1728 unternahm Scherz, welcher sie mit einer Vorrede einleitete. Besondere Aufmerksamkeit wandte S. seiner zweiten Heimath, dem Elsaß, zu. Wie er der erste war, welcher die Franzosen mit den deutschen Rechtsgewohnheiten früherer Jahrhunderte und mit unseren Lehnsverhältnissen bekannt machte, so verdanken wir ihm die erste Drucklegung der für Elsaß wichtigen Königshover Handschrift („Die älteste teutsche sowol allgemeine als insonderheit straßburgische Chronika von Jacob v. Königshoven mit historischen Anmerkungen.“ Straßb. 1698 in 4°) und eine Abhandlung über das in Straßburg heimische „Schaufelrecht“ (Comment. juridica ad constitutionem Argentoratensem de emponematum jure“ Argent. 1698 in 4°), ferner veröffentlichte er einen Band „Consilia Argentoratensia, vel illustria juris responsa, – – a juris consultis Argentoratensibus consignata“ (Argent. 1701 in fol.), gewissermaßen eine Fortsetzung der von J. F. Schmid 1642 in zwei Bänden edirten Straßburger Consilien. Ein zweiter, von S. bearbeiteter Band ist leider Manuscript geblieben. Endlich findet sich in den Straßburger Archiven ein von S. 1700 handschriftlich zusammengestelltes „Jus statuarium municipale reipublicae Argentorat. in ordinem redactum cum paratitlis et observationibus etc.“ Das Exemplar der städtischen Bibliothek besteht aus zwei Foliobänden.

Von S. besitzen wir drei nennenswerthe Porträts; das eine in 4° ist in Schwarzkunst von J. J. Haid in Augsburg ausgeführt; das zweite, ein Hüftenbild in Folio, ist von Bernigeroth gefertigt, ein drittes, gleichfalls Folio, von J. A. Seupel gezeichnet und gestochen.

Ueber die Lebensschicksale Schilter’s finden sich einige zeitgenössische Angaben im 2. Bande des Thesaurus antiquit. teuton.; weitere Notizen giebt Thomasius am Eingange der praxis jur. Rom. (1713 u. 1733), endlich hat M. Ch. Giraud, Mitglied der französischen Akademie am 6. August 1845 an der Straßburger Jur. Facultät einen mit reichem biographischem Material ausgestatteten „Eloge de Schilter“ gehalten (31 S.), in dem auf S. 20–26 die von S. publicirten Werke nebst den verschiedenen Auflagen sehr erschöpfend aufgeführt sind (Eloge de Schilter. Discours d’ouverture prononcé par M. Ch. Giraud, membre de l’institut etc. etc. Strasbourg 1845). – Die Chroniken der deutschen Städte. 8. Bd. Leipzig 1870. S. 72.