ADB:Strauch, Johann
Christian I. von Sachsen, welche zu Colditz ihren Wittwensitz aufgeschlagen hatte. Hier empfing St. den ersten Unterricht, besuchte sodann das Zeitzer Gymnasium und ging 1630 zum Besuche philosophischer und juristischer Vorlesungen auf die Hochschule nach Leipzig. Er wohnte daselbst bei Johann Schilter, einem seiner Familie befreundeten Rechtsgelehrten, der Beisitzer am obersten weltlichen Gerichtshofe wie am geistlichen Consistorium war, und auf das Studium des strebsamen Jünglings fördernd einwirkte … 1633 kam St. auf die Jenenser Hochschule. Von Professor Friedrich Hortleder, einem nahen Verwandten, gastlichst aufgenommen, erhielt er durch dessen Vermittlung Zutritt zu dem Weimaraner Archiv. Er benutzte es hauptsächlich zu seinen in Juristenkreisen viel verbreiteten und sehr geschätzten Dissertationen „juris publici sc. exotericae“, worin er die wichtigsten staatsrechtlichen Fragen des 16. Jahrhunderts [529] quellenmäßig darstellt. (Das Werk erschien 1666 in Jena 4°; 1679 mit etwas geändertem Titel in Gießen 4°.) Nach dreijährigem Verbleiben in Jena zog es St. wieder nach Leipzig, wo ihm die beiden Carpzow, Johann Benedict, der Theologe und Benedict, der Jurist, eine gastliche Aufnahme bereiteten. Hier erwarb er 1638 den Grad eines Magisters philosophiae; bald darauf wurde er am großen Fürstencollegium angestellt und Beisitzer der philosophischen Facultät, in welcher Eigenschaft er Vorlesungen über lateinische Sprache und Geschichte hielt. Damals verfaßte er für seine Privatvorträge die „Dissertat. undetriginta theoretico-practicae ad universum jus Justinianeum“, welche das gesammte Gebiet des römischen Privatrechtes umfassen und auf Carpzow’s Rath 1647 zu Leipzig im Drucke erschienen. Dieses erste juristische Werk unseres Gelehrten fand lebhaften Beifall und hat zur Verbreitung seines Namens wesentlich beigetragen. Die 2. Ausgabe von 1659 ist von Jena datirt, die dritte veranstaltete 1666 der spätere Beisitzer des Reichskammergerichtes, Professor Joh. Jakob Avianus mit einem Index dissensionum et decisionum Electoralium etc. 1682 veröffentlichte Christ. Thomasius als Erstlingsschrift „Annotationes theoreticae-practicae in Joh. Strauchii dissertationes XXIX“, und hebt in der Vorrede dessen Methode hervor, welche sich von der pedantischen „methodus causarum“ frei halte. Die letzte Ausgabe besorgte Ephraim Gerhard, Jena 1718. Die folgenden Arbeiten Strauch’s sollen am Schlusse kurz besprochen werden. Ums Jahr 1647 gründete St. seinen Hausstand, indem, er nach Annahme der einen die Tochter von Friedrich Leibnitz, Professor der praktischen Philosophie in Leipzig, nach andern die Tochter des Juristen Schmuck zum Traualtar führte. Nachdem er 1651 mit der Abhandlung „de accessionum quibusdam maxime controversis speciebus“ (Jena 1651. 4°) in Jena den juristischen Doctorhut erworben, wurde er dort im folgenden Jahre (1652) ordentlicher Professor der Rechte und Facultätsbeisitzer; seine Disput. pro loco behandelte die „operis novi nuntiatio“. St. bekleidete während seines achtjährigen Aufenthaltes dreimal das juristische Decanat und genoß als Lehrer allgemeines Ansehen … Auswüchse des damaligen Pennalismus und ein deshalb entstandener Auflauf, welcher Jenas Ruf nach außen schädigte, verleideten ihm den Aufenthalt. Er zögerte nicht, von dem ihm befreundeten Struve überdies ermuntert, die ihm angetragene Stelle eines Syndikus von Braunschweig anzunehmen, und verabschiedete sich mit einer, ernste Mahnworte enthaltenden Rede „de Berytho“ von der Musenstadt. Er hatte das Thema gewählt, weil die Akademie der phönicischen Hafenstadt Berythos, nun Beirut, durch Unbotmäßigkeit ihrer Schüler in Verfall gerathen war. St. konnte jedoch in Braunschweig nicht recht heimisch werden. Die Braunschweiger hielten sein höfisch-glattes Wesen – eine Leipziger Angewohnheit – für Falschheit und begegneten ihm mit Mißtrauen. Hierzu traten noch häusliche Zwiste, indem seine zweite Frau, eine Tochter des Jenenser Juristen Erasmus Ungebauer, welche er nach dem am 30. August 1654 erfolgten Ableben seiner ersten Gattin geehelicht hatte, viel lieber im väterlichen Hause zu Jena als im eheherrlichen in Braunschweig verweilte, und nur durch wiederholte ernste Drohbriefe zurückgerufen werden konnte. Als sich nun 1668 durch Georg Adam Struve’s Berufung als geheimer Rath an den Weimaraner Hof in Jena eine Professur erledigte, ergriff St. mit Eifer die Gelegenheit, auf Struve’s Verwenden nach Jena zurückzukehren, wo ihm, unter Verleihung des Hofrathstitels, die Professur des Codex, der Novellen und des Staatsrechtes, der Beisitz am Hofgerichte, nebst dem Vorsitze in der Facultät wie am Schöppenstuhle übertragen wurde. Noch im erwähnten Jahre siedelte er nach Jena über; kurz darauf ernannte ihn Herzog Ferdinand Albrecht von Braunschweig zum Hofrath, Herzog Bernhard von Sachsen-Jena zum Kanzler und Präsidenten des geistlichen Gerichts, bald [530] darauf zum Geh. Rath des Jenenser Hofes. St. verwaltete die verschiedenen Aemter neben der Professur mit Umsicht, verfaßte nebenbei zahlreiche Dissertationen, zog sich aber durch freimüthige Sprache manche Feinde zu. – 1671 erschien das „Lexicon particularium juris“ (2. Auflage 1684. 4°); 1674 „duo semest. amoenitatum juris canon.“, welche wiederholt herausgegeben wurden. Als zu jener Zeit der Ordinarius Christ. Phil. Richter mit Tod abging, wurde an dessen Stelle – mit Umgehung Strauch’s – der um sieben Jahre jüngere Struve berufen; ersterer, hierdurch aufs tiefste gekränkt, zumal er seit Jahren den verstorbenen Richter in Ordinariatsgeschäften öfter vertreten mußte, zog sich von seinen Collegen und allmählich von der Universität ganz zurück. Zu dieser ernsten Verstimmung gesellte sich ein zweites Ereigniß, welches Strauch’s Stellung in Jena geradezu unhaltbar machte. Herzog Bernhard war zum Kummer seiner Gemahlin von einer heftigen Neigung entbrannt, welche bei der Mehrzahl der Bevölkerung Anstoß erregte, von St. aber gebilligt wurde. Diese Haltung unseres Gelehrten wurde von seinen Gegnern als Charaktermangel ausgebeutet und trübte selbst das Verhältniß zum Herzog, bei dem die rasch entstandene Neigung ebenso rasch ins Gegentheil umschlug. – Bei dieser Sachlage erkannte es St. dankbar an, daß ihm ein früherer Zuhörer einen Ruf an die Gießener Hochschule erwirkte, und ließ sich ohne Zaudern – im Herbste 1676 – als Prokanzler und Professor der Rechte in Gießen nieder. Dort beschloß er den noch kurzen Rest seiner Tage, indem er am 2. December 1679 in einem Alter von 65 Jahren entschlief. In Gießen zählte zu seinen Schülern und Verehrern Johann Georg Kulpis (siehe diesen), dem er aus Anlaß der Doctorpromotion 1678 ein Gratulationsschreiben widmete, wogegen Kulpis nach Strauch’s Tod dessen „spec. instit. jur. publ.“ mit Erläuterungen neu veröffentlichte (Frankfurt 1683). St. hinterließ zwei Söhne; der ältere wurde Geistlicher in Hessen, der jüngere bekräftigte den Satz, daß großer Männer Söhne selten zu gerathen pflegen. Von den beiden Töchtern heirathete die eine den Jenenser Syndikus Martin Neuburger. Des Verlebten Vermögen bestand hauptsächlich in seiner Bibliothek, welche die Stadt Frankfurt a. M. erwarb.
Strauch: Johann St., Rechtsgelehrter, geboren zu Colditz, einem Meißnischen Städtchen, am 12. September 1614, † zu Gießen am 2. December 1679. Strauch’s gleichnamiger Vater war Rentmeister der Fürstin Sophie, Wittwe des KurfürstenVon schriftlichen Arbeiten unseres Juristen sind noch zu erwähnen: a) „Diss. X super titulum Dig. ultimum de regulis juris“. Eine neue Auflage veranstaltete T. Spitz, Professor in Jena 1674, eine dritte soll von Professor Dr. Andreas Wiege in Straßburg (1714) herrühren. Der zweiten jener 10 Dissertationen war das „Problema“ angehängt „Pontificem Joannem VIII. vehementer & contenter non nemo negat, sexum mentitum; nihilominus verisimile sit.“ Wegen dieses Problems durfte, wie die Allern. Nachr. v. jurist. Büchern 1743, S. 264, versichern, über Dissert. 2 in Straßburg nicht disputirt werden. b) Lexicon particularum juris, 1671, 4°, worin die Bedeutung deutscher und lateinischer Wörter im juristischen Sprachgebrauche durch Quellen- und Litteraturcitate dargelegt wurde. c) „Amoenitatum juris canon. semestria duo“ (Jena 1674), ein beliebtes Werk, das 1675, 1718, 1732 in neuen Auflagen erschien. d) Zahlreiche Dissertationen, welche sich auf Rechtsalterthümer, Kirchen-, Civil- und Staatsrecht beziehen. Unter diesen wird in 15 das Leben römischer Juristen besprochen. F. A. Hamberger, der eine größere Biographie Strauch’s verfaßte, und C. G. Knorr (ersterer Jena 1715, 4°, letzterer Halle 1729, 4°) haben Sammlungen Strauchscher Dissertationen edirt. – St. zählt nach Stintzing zu den Juristen 2. Ranges, nimmt jedoch unter diesen eine hervorragende Stellung ein, da er sich um Fortentwicklung des Rechtes unleugbare Verdienste erworben. Neben Klarheit der Methode und Genauigkeit seiner Dissertat. XXIX wird seine gediegene philologische und geschichtliche Bildung gerühmt, welche ihm eine quellenmäßigere Behandlung des Rechtes ermöglichte. Sein College Struve, mit dem er stets freundschaftlichen Verkehr unterhielt, sein Neffe Johann Schilter, sein Schüler [531] Kulpis sprachen gleich Thomasius (Annot. ad Str. Dissertat. Praef.) mit ungetheilter Verehrung von ihm, da durch seine Methode die Herrschaft des ramistischen Formalismus gebrochen. Gundling (Gundlingiana VIII, 196, 1716) bemerkt, daß St. „mit seinen Amoenit. jur. canon. alle seine Landsleute übertroffen habe, – – daß aber die Wenigsten verstehen, was Deutschland an St. verloren.“ Schurzfleisch endlich (arc. I, p. 12–14) nennt ihn den deutschen Cujacius, von Wissen und Gelehrsamkeit überströmend. – Das in Kupfer gestochene Porträt ist als Titelbild Gerhard’s Dissertat.-Ausgabe beigefügt.
- Brevis de Vita Jo. Strauchii narratio in Laur. Andr. Hambergeri opusc. Jena und Leipzig 1740. – Allerneueste Nachr. v. Jurist. Büchern f. d. J. 1739, VII. Thl., 708–13. – Zeuner, Vitae Prof. Jenensium. p. 164. – Stintzing, Gesch. d. d. RW. II, 232–38.