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ADB:Schmaler, Johann Ernst

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Artikel „Schmaler, Johann Ernst“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 617–619, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmaler,_Johann_Ernst&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 05:53 Uhr UTC)
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Band 31 (1890), S. 617–619 (Quelle).
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Schmaler: Johann Ernst S., wendisch Smoler, von den übrigen Slaven „Smolar“ genannt, Buchhändler und Vorkämpfer für die Wiederbelebung der wendischen Sprache und Litteratur in den Lausitzen, geboren am 3. März 1816, † am 13. Juni 1884. S. wurde als Sohn des Lehrers und Cantors S. in dem Kirchdorfe Merzdorf (wendisch Łućo) in der preußischen Oberlausitz geboren. Seit dem Jahre 1821 lebte er in Lohsa (Łaz), wohin sein Vater versetzt worden war. Zu Ostern 1830 bezog er das unter dem Rector Siebelis stehende Gymnasium zu Bautzen. Einer Aufforderung des durch umfassende Sprachkenntnisse ausgezeichneten Conrectors Hoffmann († 1867) Folge leistend, fing er dort im J. 1834 an, seinen wendischen Commilitonen Unterricht in ihrer Muttersprache zu ertheilen. Seine Uebersiedelung nach Breslau zu Ostern 1836 machte diesen Uebungen ein Ende. In Breslau studirte er zunächst evangelische Theologie, besuchte aber daneben auch die geschichtlichen Vorlesungen des Professors Stenzel und die germanistischen von Hoffmann v. Fallersleben und erweiterte gleichzeitig im Umgange mit dem berühmten Physiologen und čechischen Patrioten Purkyné und dem Dichter Čelakovký seine slavischen Sprachkenntnisse. Auf Schmaler’s Betrieb und unter dem Protectorate Stenzel’s bildete sich in Breslau unter den lausitzer Studenten ein „Verein für lausitzische Geschichte und wendische Sprache“. Stenzel und Hoffmann, welche über Schmaler’s Kenntniß des Wendischen hocherfreut waren und sie für ihre wissenschaftlichen Zwecke zu verwerthen gedachten, forderten ihn auf, auch noch das Čechische und Polnische sich anzueignen. S. ging bereitwilligst auf ihren Wunsch ein, da es in Breslau Gelegenheit genug gab, derartige Sprachstudien [618] zu betreiben. Er erhielt nunmehr den Auftrag, die čechischen und polnischen Werke auf der Breslauer Universitätsbibliothek zu catalogisiren und wurde zum Custos an ihr ernannt. Die im J. 1838 gemachte Bekanntschaft mit dem preußischen Vice-Oberceremonienmeister, dem Freiherrn v. Stillfried, für welchen S. zahlreiche čechische Familienurkunden übersetzen mußte, war für S. insofern von hoher Wichtigkeit, als ihm auf Vermittlung des Freiherrn im J. 1840 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ein Stipendium von 400 Thalern auf vier Jahre verlieh, um in Breslau slavische Philologie zu studiren, für welche dort vor kurzem erst ein eigener Lehrstuhl errichtet worden war. Als Frucht dieser Studien haben wir seine Sammlung wendischer Volkslieder anzusehen, welche er gemeinsam mit dem Görlitzer Pastor Leopold Haupt[WS 1] in den Jahren 1841–1843 in 10 Heften herausgab und seinem Wohlthäter , dem König Friedrich Wilhelm IV., widmete. Als Anerkennung für diese seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung, die mit einem ausgezeichneten wissenschaftlichen Apparat versehen ist, erhielt S. im J. 1862 das Comthurkreuz des russischen Annenordens. Seit dem Jahre 1846 finden wir S. in Leipzig als Redacteur der zuerst von Johann Peter Jordan herausgegebenen „Slavischen Jahrbücher“ thätig, nebenbei als Corrector in der Brockhaus’schen Verlagsbuchhandlung beschäftigt. Noch vor seiner Uebersiedelung nach Leipzig rief S. den wendischen Volksschriftenverein („Maćica Serbska“,[WS 2] d. i. wendischer Mutterfond) zur Verbreitung populärer und wissenschaftlicher Bücher ins Leben, welchen die sächsische Regierung am 26. Februar und die preußische am 30. April 1847 bestätigten. (Die Statuten der „Maćica Serbska“ sind abgedruckt in den Jahrbüchern für slavische Litteratur, Jahrgang 1853. N. F. S. 41–50.) Da ihm das staubige Klima in Leipzig nicht zusagte, zog S. zu Pfingsten 1848 nach Bautzen um die Redaction der wendischen Wochenblätter („Tydźeńskje nowing“, später „Serbske Nowing“[WS 3]) zu übernehmen, die er in durchaus loyalem, königstreuem Sinne leitete, obwol ihn im J. 1849 Bakunin als Abgesandter Tzschirner’s des Hauptes der sächsischen Revolutionspartei, auf die Seite der Königsfeinde zu ziehen suchte, indem er sein panslavistisches Ehrgefühl zu erregen suchte. Wie wenig man von Seiten der sächsischen Regierung den Versuchen, Schmaler’s politische Wirksamkeit zu verdächtigen, Gewicht beilegte, beweist der Umstand, daß der damalige Kronprinz Albert während seines anderthalbjährigen Aufenthaltes in Bautzen (1850) sich von S. im Wendischen unterrichten ließ. In Bautzen entwickelte S. eine ausgebreitete schriftstellerische Thätigkeit. Seinem schon früher entstandenen deutsch-wendischen Wörterbuche (1843), dessen Neubearbeitung ihn bis an sein Lebensende beschäftigte, ließ er im J. 1852 eine mehrfach aufgelegte „Kleine Grammatik der serbisch-wendischen Sprache in der Oberlausitz“ folgen. Einige Jahre hindurch war er Redacteur des „Časopis“, des Vereinsorgans der „Mačica“, und des kleinen Journals „Łužičan“. In den Jahren 1852–1858 ließ er eine neue Folge der „Slavischen Jahrbücher“ in eigenem Verlage erscheinen. Ihre Fortsetzung kam in den Jahren 1862 und 1865 unter dem Titel: „Zeitschrift für Slavische Litteratur“ und 1865–1868 als „Centralblatt für Slavische Litteratur und Bibliographie“ heraus. Den wichtigsten Theil dieses Unternehmens bildete die beigegebene Bibliographie der in den verschiedenen slavischen Sprachen neu erschienenen Werke, deren Ermittelung viel Schwierigkeiten verursachte. Namentlich war es fast unmöglich, von der großen Anzahl neuer russischer Werke nur annähernd richtige Verzeichnisse zu bringen. Um diesen Uebelstand zu beseitigen, suchte S. directe Verbindungen mit den russischen litterarischen Vereinen anzuknüpfen und reiste zu diesem Zwecke kurz vor Johanni 1859 nach St. Petersburg, wo er bis zum 12. Mai 1860 verweilte und seinen Unterhalt als Journalist verdiente, da die Erledigung seiner [619] Angelegenheit längere Zeit in Anspruch nahm und die von ihm auf die Reise mitgenommenen Mittel schnell aufgebraucht waren. Auf der Rückreise besuchte S. die Brüder Grimm in Berlin und wurde von ihnen höchst ehrenvoll aufgenommen. Im J. 1863 gründete er gemeinsam mit Johann Traugott Pech (Pjech) eine eigene slavische Buchhandlung zur Herausgabe lausitzisch-serbischer Bücher, in der Absicht, sie allmählich zu einer gesammtslavischen Buchhandlung zu erweitern. Sie wurde seit 1870 nach Leipzig verlegt, führte die Firma Schmaler & Pech, konnte aber das bei ihrer Gründung in’s Auge gefaßte Ziel nicht erreichen. Es war natürlich, daß die Bestrebungen Schmaler’s und seines Genossen und ihre Vorliebe für das Russenthum nicht ohne Angriffe bleiben konnten. Den nächsten Anlaß zur Eröffnung der Feindseligkeiten bot Schmaler’s Besuch des slavischen Congresses zu Moskau im J. 1867. Man glaubte deutscherseits in ihm einen Agitator für die panslavistische Idee erkennen zu müssen und befehdete ihn in der Presse auf das heftigste (vgl. Grenzboten 1867 Nr. 24, S. 433–441 und Allgem. Zeitung 1867, Nr. 206–207, Beilagen), obwol ihm politische Sympathien für Rußland und sein Regierungssystem nicht nachzuweisen waren. Aber auch unter den lausitzischen Wenden selbst gab es zahlreiche Gegner Schmaler’s, welche namentlich an seiner Durchführung der auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhenden neuwendischen Schreibweise Anstoß nahmen. An ihrer Spitze stand der Schmiedemeister Stosch zu Drehsa, gegen welchen S. im J. 1868 eine eigene Streitschrift richtete. Derartige Verdächtigungen verbitterten S. den Rest seines Lebens. Trotzdem harrte er bis an sein Ende auf seinem schweren Posten in Bautzen aus und schlug dreimal ihm angebotene, höchst verlockende Berufungen in den russischen Staatsdienst aus. Seine letzte Reise nach Petersburg, welche er im März 1882 antrat, galt der Gewinnung des slavischen Wohlthätigkeitsvereins für die Sache des Unterstützungsvereins für studirende Wenden, welcher namentlich pecuniäre Beihülfen für evangelische Theologen gewährt. Sie hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg, da man in Rußland wenig Neigung verspürte, evangelische Studenten zu unterstützen. Gleichwol rief auch diese Reise Schmaler’s einen erbitterten Zeitungskrieg gegen „die wendische Agitation in der Lausitz“ hervor, in dem die Schlesische Zeitung sich zur Wortführerin machte (vgl. Nr. 140 vom 16. März 1882). Man warf S. unter anderem vor, daß seine im J. 1875 in Bautzen begründete Druckerei mit russischem Gelde in’s Leben gerufen sei, während in Wahrheit ein ihm befreundeter wendischer Gutsbesitzer die nöthigen Capitalien vorgeschossen hatte. S. konnte auf diese Angriffe nicht mehr antworten, da er am 13. Juni 1884 starb. Seine Vertheidigung übernahm der gleichfalls mit beschuldigte Pfarrer H. Immisch in Göda.

Nach Schmaler’s eigener Biographie, abgedruckt bei H. Immisch, Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Der Panslavismus unter den sächsischen Wenden mit russischem Gelde betrieben … Leipzig 1884. S. 135–156. Vgl. auch S. 53 ff. und 61 ff. – Richard Andree, Wendische Wanderstudien. Stuttgart 1874. S. 21–23, 50, 56–58. (Hier auch das Porträt Schmaler’s in Holzschnitt.) – Jan Ernst Smolér. Spisał K. A. Jenč in „Časopis Maćicy Serbskeje“ 1884. Létnik XXXVII. Zešicok II. Budyšin. S. 172–185. – Allgem. Zeitung 1884. Beilage Nr. 167. S. 2453. – A. N. Pypin und V. D. Spasovič, Geschichte der slavischen Litteratur. Nach der zweiten Auflage aus dem Russischen. Uebertragen von Traugott Pech. 2. Bd., 2. Hälfte. Leipzig 1884. S. 398–406. Bei Pypin ist auch die zahlreiche nicht benutzte slavische Litteratur über Schmaler verzeichnet.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Joachim Leopold Haupt (1797–1883).
  2. fehlendes öffnendes Anführungszeichen ergänzt
  3. eigentlich Serbske Nowiny