Zum Inhalt springen

ADB:Schmolzé, Karl Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmolzé, Karl Heinrich“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 60–61, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmolz%C3%A9,_Karl_Heinrich&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 07:39 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schmölzl, Josef
Band 32 (1891), S. 60–61 (Quelle).
Karl Heinrich Schmolzé bei Wikisource
Carl Hermann Schmolze in der Wikipedia
Carl Hermann Schmolze in Wikidata
GND-Nummer 105787647
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|60|61|Schmolzé, Karl Heinrich|Hyacinth Holland|ADB:Schmolzé, Karl Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=105787647}}    

Schmolzé: Karl Heinrich S., Maler, Illustrator und Dichter, geboren 1823 zu Zweibrücken (in der Rheinpfalz), stammte nach einer sagenhaften Tradition aus einer mit Herzog Alba nach den Niederlanden gekommenen und dort zurückgebliebenen und in der Pfalz seßhaft gewordenen spanischen Familie. Die Kunstbegabung des Knaben äußerte sich frühzeitig, insbesondere mit einem eigenthümlich starken Hang zur Caricatur, wodurch der junge Studiosus in Collision mit seinen Vorgesetzten und Behörden gerieth. Nach dem Wunsche des Vaters, welcher die Stelle eines königl. Notars bekleidete, sollte der junge S. als Jurist studiren, setzte es aber endlich durch, sich der Kunst widmen zu dürfen. Der Vater sendete ihn darauf nach Metz auf drei Jahre zu einem Maler in die Lehre. Was er daselbst gelernt und wie es ihm überhaupt ergangen, ist unbekannt. Im J. 1841 tauchte S. in München auf, wo der siebenzehnjährige Maler kleine harmlose Genrebildchen in den Kunstverein brachte und dadurch seinen Unterhalt gewann. So schilderte er einen „Briefträger“, welcher einem armen Maler ein Schreiben behändigt (1841); eine „Maskenballscene“ (1842); „Gefangene in einem Kerker“; einen in seinem Studio tapfer componirenden Maler; einen, gefangene Banditen bekehrenden Mönch und dergl. Auch begann er damals schon mit der „Capelle“ (Uhland) die Reihe seiner meist feinempfundenen und sorgfältig durchgeführten Illustrationen zu deutschen Dichtern. Im J. 1844 malte er „Ein Lied“; den „Namenstag der Großmutter“; eine „Scene in einer Weinschenke“; 1845 die Illustrationen „Der Wein und der Bacchus“ (nach Franz v. Kobell; als Zeichnung auch in den Fliegenden Blättern I, 84); „Räuber und Richter“ (nach Immermann); 1846 ein „Zimmer im Geschmack des 16. Jahrhunderts“ und 1847 eine große „Werbescene“ aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Außerdem lieferte er zahlreiche Illustrationen zu G. Scherer’s „Kinderliedern“ und Hebel’s „Schatzkästlein“ (mit Stauber), auch Allerlei für die „Illustr. Zeitung“ in Leipzig, z. B. in Nr. 150 die „Scenen aus dem Carnevalsfeste der Münchener Künstler“ (1846). Für die „Fliegenden Blätter“ von Braun und Schneider fertigte S. eine ganze Reihe ernster und dann wieder höchst komischer Zeichnungen, von denen viele in die „Münchener Bilderbogen“ übergingen, darunter die „Landsknecht-Lieder“, die „Hyperbeln auf Herrn Wahl’s große Nase“ und anderen Schnickschnack, welcher indessen in Emil Roller’s „Leuchtkugeln“ (1848–50) schon eine scharf accentuirte politische Tendenz-Färbung annahm. Bei dem 1848 zu München constituirten Künstler-Freicorps glänzte S. durch das Vertrauen seiner Freunde als schmucker Lieutenant; da indessen für seinen Thatendrang kein Feld sich eröffnen wollte, folgte der vor Aufregung erkrankte Künstler einer dringenden Einladung seiner Mutter nach Zweibrücken, dort durch Ruhe und bessere Pflege schneller zu genesen. Hier gerieth S. jedoch aus dem Regen unter die Traufe: Die Rheinpfalz war mittlerweile ein von Baiern unabhängiges Reich geworden; alle Beziehungen zu dem Mutterlande schienen vernichtet. Ehrgeizige Kriegsgenies widmeten der jungen Republik ihr Schwert und ihren Arm zur Führung einer wahren Faschings-Armee. Nun blieb dem Maler keine Zeit weder für seine Krankheit noch für seine Kunst. Er übernahm alle möglichen Chargen, unter anderen auch die eines eifrigsten Organisators und Civil-Commissars, in welcher provisorischen Eigenschaft S. (unter Mitwirkung seines Freundes Schimmelpfennig, der das Commando über das Bataillon Zweibrücken führte) dem dort etablirten Militär den Eid der Treue auf die neue, einige, untheilbare Constitution abnahm. Der tragische Ausgang dieser in ihrer Erscheinung ungemein humoristischen Schilderhebung in Baden und der Pfalz ist bekannt. S. verduftete mit den übrigen improvisirten Größen rechtzeitig nach Frankreich. Allen wurde der Hochverraths-Proceß gemacht. S. dilettirte als Politiker und Caricaturist in Paris; auch hier ausgewiesen, [61] hub er sich gen London, wo er die Bekanntschaft der russischen Baronin Bruiningk machte, welche gleich enthusiastisch und revolutionär gesinnt, dem Maler auf ein Jahr die Mittel bot, um zu Antwerpen die Malerei weiter zu studiren, unter der Bedingung, ihr dafür eine Revolutions-Scene zu malen. Die Dame starb jedoch und ihr Gemahl entband den Künstler seiner Verpflichtung. Bald darauf ging S. nach Amerika. In Philadelphia fand er den ihm zusagenden Boden. Hier gründete er einen Deutschen Künstler-Verein und schrieb, dichtete, zeichnete und illustrirte er für gleichgesinnte Zeitschriften. Seine ungesammelt gebliebenen „Gedichte“ tragen das formvollendete Gepräge eines Anastasius Grün und Georg Herwegh, welche auch bei sentimentalen Stimmungen seine unverkennbaren Vorbilder blieben; seine Zeichnungen behielten die adäquate Richtung im prägnanten Zug und in genialer Ausführung; er selbst aber gefiel sich wie Salvator Rosa im potenzirten Ausdruck seiner politischen und artistischen Leidenschaft, welche nicht das chevalereske Costüm des italischen Malers, sondern die ganze Wucht eines deutschen „Wühlhuber“ liebte. „Hätte in seinen Wünschen die Macht gelegen zu ihrer Verwirklichung, die halbe Welt hätte er confiscirt als Baumaterial zu dem Tempel seiner Ideale, und dann hätte er auch die andere Hälfte ohne Scrupel benutzt als Brennholz, damit es in den Räumen behaglich werde.“ Uebrigens blieb Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe ein leitender Zug seines Charakters. Alles war bei ihm bitterer Ernst. Und hierdurch gewann er auch die Achtung von Manchen, denen er sonst nur durch seine künstlerische Begabung und seine poetische Natur sympathisch schien. Seine Hauptbeschäftigung bildeten Illustrationen. Die Maltechnik blieb durch sein vielbewegtes, ruheloses Leben vernachlässigt. Indessen vollendete er doch ein großes, die „Fortführung des gefangenen Montezuma durch Cortez“ darstellendes Bild. Sein erregbares Temperament und die stete Aufregung legten in seine nicht starke Constitution den Keim zur Schwindsucht, die ihn auch 1859, in der Blüthe seiner Jahre und seines artistischen Schaffens, dahinraffte. Er hinterließ zwei Kinder: Sohn und Tochter. Im Woodland Cemetary, West-Philadelphia, ruhen, längst vergessen, seine Ueberreste. Sein Andenken blieb lebendig: Ein Vortrag von Ferdinand Moras im Deutschen Künstler-Verein (gedruckt zu Philadelphia 1885, Globe Printing House. 30 Seiten 8°) bietet eine anziehende Skizze dieses seltsam begabten Künstlers, welcher bei Nagler XV, 375 (1845) und Seubert III, 256 (1880) erwähnt ist. Zu seinen Eigenheiten gehörte von jeher der Gebrauch des Accent aigu bei der Schreibung seines Namens.