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ADB:Herwegh, Georg

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Artikel „Herwegh, Georg“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 252–256, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herwegh,_Georg&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 16:51 Uhr UTC)
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Herwegh: Georg Friedrich Rudolf Theodor Andreas H., wurde in Stuttgart, wo sein Vater, Ernst Ludwig H., Traiteur war, am 31. Mai 1817 geboren. Hier erhielt er den ersten Unterricht; später wurde der reich begabte, aber von heftigen Nervenkrankheiten geplagte Knabe, dem sein poetisch-declamatorisches Talent schon jetzt Lob errang, im niedern Seminar zu Maulbronn weiter gebildet. Am 23. Octbr. 1835 bezog er als stud. theol. die Universität Tübingen, indem er zugleich in das evangelisch-theologische Seminar eintrat. Die strenge Disciplin der Anstalt empfand H., dessen Hang zum Ungehorsam bereits die Zeugnisse aus Maulbronn rügten, bald als beengende Fessel, die er wiederholt zu durchbrechen versuchte; mehrfache Strafen und schließlich die Entlassung aus dem Stift (5. Aug. 1836 unter dem Ephorus Professor Dr. H. C. W. Sigwart) und eine amtliche Warnung von Seiten des Rectors der Universität (8. Aug.) waren die Folgen. Mit dem Austritt aus dem Seminar schwand die Neigung zum Studium der Theologie völlig: Frd. Dav. Strauß, gleichfalls ein Zögling des Tübinger Stiftes, hatte seit 1835 durch sein „Leben Jesu“ eine weithin wirkende revolutionäre Bewegung in der theologischen Wissenschaft hervorgerufen; H. gab nun das bisherige Studium trotz des anfänglichen Widerstandes seines Vaters auf und weilte im Winter 1836/37 als stud. jur. in Tübingen, belegte aber nur eine Vorlesung über Pandekten bei dem Kanzler K. Gg. v. Wächter (1797–1880). Ernster beschäftigte ihn der Gedanke an ein freieres Dichter- und Schriftstellerleben, und so äußerte er schon 1836 dem Herausgeber der Zeitschrift „Europa“, August Lewald (1793–1871), seinen Wunsch, „die Universität zu verlassen und sich nach eignem Trieb und Gefallen den Wissenschaften hinzugeben“. Einzelne lyrische Versuche fanden in dem Album der „Europa“ willfährige Aufnahme; so kehrte H. denn um Ostern 1837 nach Stuttgart zurück. Hier war Lewald ziemlich der einzige Freund des Einsamen, der jüngere Genossen abstieß. Da seine armen Eltern ihn nur kümmerlich unterstützen konnten, bot Lewald ihm eine kleine Stelle bei der Redaction der „Europa“ an. Mancherlei Pläne für die Zukunft, der Gedanke, für das Theater zu schreiben, stiegen dem Dichter auf; zunächst bestimmte er aus einer Fülle von [253] poetischen Gebilden, die ihm überreich aus seinen Erlebnissen und Empfindungen entsprangen, nur die gelungensten, bald heiter im leichten Stil frische Lebens- und Liebeslust athmend, bald elegisch-schwärmerischen Charakters, zum Druck in der „Europa“. Eine vorübergehende Störung erlitt dieses Dichten und Träumen, als H. am 7. März 1838 zum Militärdienst ausgehoben wurde. Nach einigen qualvoll in der Kaserne verbrachten Wochen wurde er auf ein dem König eingereichtes Befreiungsgesuch allerdings beurlaubt (26. März 1838), am 6. Juli 1839 aber, nachdem er auf einem Balle in Zwist mit einem Officier gerathen war, zur Strafe wieder einberufen. Er leistete keine Folge, sondern floh nach dem Schweizer Dorfe Emmishofen bei Constanz im Canton Thurgau. Auch von dem neuen Aufenthaltsorte aus steuerte er noch Jahre lang Gedichte zu den Beiblättern der „Europa“, dem Album der Boudoirs und dem lyrischen Album, bei; hingegen die in Stuttgart begonnene Uebersetzung der sämmtlichen Werke des Alphonse de Lamartine (Stuttgart 1839–40, in 30 Lieferungen 1842–44 noch einmal ausgegeben) vollendete er nicht: der letzte (sechste) Band, der den „Fall eines Engels“ enthält, wurde von Gustav Diezel besorgt. H. bezeichnete seine Wiedergabe des französischen Dichters selbst als „treu, aber keineswegs schön“; Lamartine’s Rhythmus, „vielleicht das Beste an ihm“, der „unendliche Wohlklang seiner Verse“ sei durchaus verloren gegangen. H. gab genau den Inhalt des Originals wieder, an das er sich auch in der Form fast immer anschloß: sogar der strophenlose Alexandriner wurde meist beibehalten. Aber trotz allem rhetorischen Schwunge, der die Uebersetzung noch mehr als ihr französisches Vorbild belebt, klingt manches Stück ziemlich nüchtern: es fehlt jede Melodie. Namentlich die rein lyrischen Stellen leiden unter diesem Mangel, weniger die beschreibenden oder ruhig erzählenden Partien und die prosaischen Werke, die H. in ein anmuthig fließendes, zugleich klares und prägnantes Deutsch übertrug. Manchmal erinnert sein Ausdruck entfernt an Gustav Schwab’s Versuch, der schon 1826 auserlesene Gedichte Lamartine’s (aus méditations poétiques nicht viel freier, aber weitaus poetischer übersetzt hatte. In Emmishofen betheiligte H. sich mit Eifer und Fleiß an der Redaction der neu gegründeten „Deutschen Volkshalle“, welche Joh. Gg. Aug. Wirth (1798–1848) in Bellevue bei Constanz herausgab. Während der J. 1839 und 40 verfaßte er für diese Zeitschrift neben verschiednen Gedichten eine Reihe kritischer Aufsätze, vorzugsweise Recensionen (gesammelt 1845 von der Verlagsbuchhandlung: „Gedichte und kritische Aufsätze aus d. J. 1839 u. 40 von Georg H.“). Hier strebte er darnach, theils hervorragende Dichter der letztverflossenen Jahrzehnte, Jean Paul, Achim v. Arnim, Hölderlin, besonders Platen und Robert Burns, nach ihrem wahren Verdienst zu würdigen und seinem Volke, das sie nicht kannte oder verkannte, näher zu bringen, theils die besseren Autoren der Gegenwart scharf zu scheiden nach den beiden Richtungen der Poesie, welche Börne, Herwegh’s Ein und Alles, und dessen Antipode Heine eingeschlagen hatten und nach welchen jenem Gutzkow mit wenigen Genossen, diesem Heinr. Laube, Ferd. Gust. Kühne und Theodor Mundt folgten. Unbeachtete Talente, wie Jos. Eman. Hilscher (1806–37), pries er enthusiastisch: unkünstlerische oder unzeitgemäße Producte traf er mit unerbittlich strenger Kritik. Für Verbesserung des Looses der Schriftsteller in Deutschland suchte er zu wirken; vornehmlich aber predigte er mit leidenschaftlicher Energie die demokratischen Principien der neuesten Litteratur, das Recht der „Poesie der Hütte“, die Nothwendigkeit der Opposition des Dichters gegen den Staat. Bald erschien H. aber die „Deutsche Volkshalle“ zu gemäßigt; als er Ende April 1840 auf einem Ausflug an den Vierwaldstätter See von neuen Freunden, namentlich. Professor Julius Fröbel, in Zürich festgehalten wurde, trat er kurz darauf von der Theilnahme an Wirth’s Zeitschrift zurück. In den [254] ersten Monaten des J. 1841 hielt er vor einem ansehnlichen Zuhörerkreis in Zürich Vorträge über die neueste Litteratur seit Goethe’s Tode. Aufgemuntert von den gleichgesinnten Genossen, ließ er bald darnach 1841 zu Zürich und Winterthur im Verlag des litterarischen Comptoirs die „Gedichte eines Lebendigen, mit einer Dedication an den Verstorbenen“ (gegen die „Briefe eines Verstorbenen“ des Fürsten Pückler-Muskau von 1830 und 31 gerichtet) erscheinen, die in demselben und in den beiden folgenden Jahren zu wiederholten Malen neu aufgelegt wurden. Dem allgemeinen Verlangen nach einem unbestimmten Freiheitsideal, das der Dichter mit seiner Zeit theilte, war hier ein stürmischer Ausdruck in der Poesie gegeben. Nur der revolutionäre Grundgedanke ist allen diesen Gedichten gemeinsam; während H. aber in einzelnen derselben, den künftigen Gang der Geschicke vorahnend, die Einigung Deutschlands durch Preußen, den Krieg gegen eroberungslustige Nachbarn an den Grenzen und gegen römische Gesetze im Innern des Vaterlandes entschieden fordert, verirrt er sich in andern zu vagen oder einander widersprechenden, bald republikanischen, bald politisch ganz unklaren Vorstellungen von der Freiheit und dem Kampf für sie. Herwegh’s lyrische Anlage neigte ursprünglich aber mehr zur sentimental-schwärmerischen Poesie: die wenigen Gedichte, in denen der Verfasser, der Politik abgewandt, sich weichen, schwermüthigen Regungen hingibt, sind die Krone der Sammlung. Platen ist namentlich für die Sonette (großentheils schon vorher in der „Europa“ gedruckt) Herwegh’s Muster; auch in der politischen Poesie eiferte dieser außer Beranger, dem Sänger des Volksliedes, vorzüglich ihm nach: seine Polenlieder pries er als das Herrlichste, was je auf dem Grabe von Helden gesungen wurde. Platen’s Pathos und Formenstrenge eignete er sich in hohem Grade an; oft aber versagt seiner unruhigen Phantasie die plastische Gestaltungskraft, und sie vermag uns blos eine Reihe tautologischer Bilder ohne fortschreitende Handlung vorzuführen. Nachdem H. die zweite Auflage seiner Gedichte hatte erscheinen sehen, verweilte er vom Herbst 1841 bis Frühling 1842 in Paris. Im Herbst 1842 unternahm er eine Reise durch Deutschland, die zu einem wahren Triumphzug für den Dichter wurde. Zu Jena, wo er Robert Prutz besuchte, und Weimar von den Studenten, in Leipzig, Dresden und Berlin von den politischen Freunden mit Ehren überhäuft, schien er den Gipfel der Auszeichnung ersteigen zu sollen, als ihn König Friedrich Wilhelm IV. durch seinen Leibarzt Professor Dr. Schönlein, von Zürich her Herwegh’s Freund, in den letzten Tagen des Novembers 1842 zu einer Audienz rufen ließ, von der er ihn mit wohlwollend anerkennenden Worten als „ehrlichen Feind“ verabschiedete. H. begab sich gleich darauf nach Königsberg, wo neue Ehren ihn berauschten. Gleichzeitig wurde jedoch von dem preußischen Ministerium nicht nur den Studenten in Königsberg die Theilnahme an jeder öffentlichen Feier Herwegh’s untersagt, sondern auch der Verkauf des „Deutschen Boten aus der Schweiz“, einer neu angekündigten Zeitschrift, deren Redaction H. übernommen hatte, in Preußen verboten. Der Dichter kehrte um die Mitte des Decembers nach Berlin zurück, sandte aber vorher noch am 19. December ein Schreiben an König Friedrich Wilhelm, in welchem er sich heftig über das Vorgehen seiner Minister beklagte und taktlos die Vergeblichkeit ihrer Bemühungen und die Unwandelbarkeit seiner republikanischen Ueberzeugung versicherte. Durch die Indiscretion eines Freundes wurde der Brief ohne Herwegh’s Wissen und Wollen am 24. December in der Leipziger allgemeinen Zeitung gedruckt. Das Verbot dieser Zeitung in den preußischen Staaten und die sofortige Ausweisung des Dichters aus Berlin war die Folge. Er wandte sich mit seiner Braut Emma Siegmund (am 16. Novbr. 1842 in Berlin mit ihm verlobt) nach Stettin, um Prutz noch einmal zu begrüßen; allein auch hier ebensowenig wie in Leipzig und Frankfurt a/M. [255] geduldet, kehrte er am 12. Januar 1843 nach Zürich zurück, vielfach geschmäht und selbst von gleichstrebenden Geistern, wie Ferdinand Freiligrath, verspottet. Auch hier war seines Bleibens nicht. Zwar feierten die Studenten am 13. Januar seine Zurückkunft mit einem Ständchen; der Regierungsrath lehnte jedoch am 9. Februar sein Gesuch um die Erlaubniß zur Niederlassung einstimmig ab. Zwei Tage darauf erneuerte H. den früher bereits dreimal vergeblich gemachten Versuch und reichte eine Eingabe an den König von Würtemberg um Befreiung vom Militärdienst und um ungehinderte Rückkehr in die Heimath ein. Am 19. Februar genehmigte König Wilhelm I., dem mehrere „in Leipzig wohnende Schriftsteller und andere patriotische Männer“ am 10. März den „frei dem Herzen entströmenden, innigsten Dank“ dafür aussprachen, die erste Bitte unter der Bedingung, daß H. aus Würtemberg auswandere; wenige Wochen darnach erhielt dieser das Bürgerrecht im Canton Basel Landschaft, trat aber sogleich, nachdem er seine Hochzeit gefeiert, im Anfang des Aprils 1843 eine Reise nach der Provence an. Der letzte Anlaß all’ dieser Wirrnisse, die projectirte Zeitschrift erschien nicht. Die für die ersten Monatshefte derselben bestimmten Aufsätze gab H. 1843 unter dem Titel „Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz“ heraus. Er selbst lieferte dazu nur wenige poetische Beiträge, die er mit dem schon 1841 in Zürich erschienenen Gedichte „Die deutsche Flotte, eine Mahnung an das deutsche Volk“ und anderen lyrisch-epigrammatischen Versuchen 1844 in Zürich und Winterthur zu einem zweiten Band der „Gedichte eines Lebendigen“ vereinigte. Die Stücke dieser Sammlung theilen die Mängel der Gedichte des ersten Bandes; ihnen fehlt aber die zündende Kraft jener früheren Gesänge. Noch finden sich einige ausgezeichnete wehmüthig-weiche Klänge; allein bei den meisten Gedichten schlägt ein scharfer, epigrammatisch verletzender Ton durch. Beranger und Platon sind noch immer die Muster, denen H. nachstrebt; zu ihnen gesellt sich aber der Einfluß des früher energisch bekämpften Heine und zwar nicht des jugendlichen, noch harmloseren Lyrikers, sondern des späteren, sarkastischen Satirikers. So machen den bedeutendsten Theil jener zweiten Sammlung denn auch die „Xenien“ aus, eine Anzahl bissiger, in ihrer Art oft gelungener Epigramme, die aber auch zahlreiche persönliche und nicht immer taktvolle Ausfälle des Dichters darbieten. Auf die Zeitgenossen, die überdies von dem Eindruck der Berliner Vorgänge noch nicht völlig frei waren, übten diese neuen Gedichte nur geringen Einfluß. H. selbst war mit seiner Abreise aus der Schweiz vom Schauplatz zurückgetreten. Erst 1848 bei dem Aufstand Hecker’s und Struve’s führte er von Paris aus, wo er im persönlichen Verkehr mit Heine, Beranger und George Sand die vorhergehenden Jahre zugebracht hatte, eine Colonne deutscher Arbeiter an die badische Grenze, überschritt mit ihnen am Morgen des 24. April bei Klein-Kems den Rhein und drang in das badische Oberland bis Wieden vor. Auf dem Rückwege wurde die Schaar bei Niederdossenbach am 27. April von würtembergischen Truppen angegriffen und, obwol an Zahl denselben weit überlegen, nach heftigem Kampfe zerstreut. H. flüchtete während des Gefechtes über den Rhein zurück und verdankte seine Rettung vornehmlich dem entschlossenen Muthe seiner Frau. Nun hielt er sich zunächst in Paris, seit dem Juni 1849 in Genf, Nizza, namentlich aber in Zürich auf. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Paris, Südfrankreich und endlich wieder in Deutschland zu Lichtenthal bei Baden-Baden, wo er am 7. April 1875 am Lungenschlage starb (am 9. April ebendort unter großer Theilnahme der Freunde und Gesinnungsgenossen, aber auf eigenen Wunsch ohne geistlichen Segen begraben). Herwegh’s Benehmen war freundlich, sein Urtheil manchmal voreingenommen, doch meist gutmüthig. Mit dem sorglosen Leichtsinn des Poeten hatte er jederzeit das Leben und seine Anforderungen aufgefaßt; später war er mehr durch den feinen Genuß desselben verwöhnt worden [256] und legte nun auch größeres Gewicht auf die äußerlichen Formen und Ansprüche desselben. An der Ausdauer und Geduld zur peinlichen Arbeit fehlte es ihm; dagegen stiegen ihm die verschiedenartigsten und reichhaltigsten Pläne auf, die er in einem künstlerischen Rahmen nicht zu fassen wußte, und mit theilnehmendem Verständniß gab er sich selbst den gewagtesten Ideen anderer hin. So wirkte er im persönlichen Umgang anregend auf zahlreiche Freunde, zu denen die besten Männer der Zeit gehörten, führte aber von seinen früheren, namentlich dramatischen Entwürfen keinen aus und verstummte als Dichter fast gänzlich. Für die von H. Ulrici herausgegebene Uebersetzung Shakespeare’s bearbeitete er im achten Band (Berlin 1870) den Coriolanus; für die von Frd. Bodenstedt besorgte Ausgabe des deutschen Shakespeare übertrug er König Lear, die beiden Veroneser, Zähmung einer Widerspenstigen, die Komödie der Irrungen, Ende gut alles gut, Troilus und Cressida, Wie es euch gefällt (Leipzig 1869–71). Nur bei dem letzten Stück lag A. W. Schlegel’s Uebersetzung vor, an die sich H. besonders in den metrischen Stellen vielfach anschloß. Manchmal suchte er den Wortlaut des Originals genauer oder deutlicher wiederzugeben, büßte aber darüber gewöhnlich den von Schlegel so glücklich getroffenen poetischen Grundton desselben ein. Eher gelang ihm in den übrigen, keinswegs leicht zu verdeutschenden Stücken der Wettstreit mit Tieck: mit seiner Uebertragung verglichen, ist Herwegh’s Wiedergabe Shakespeare’s oft wortgetreuer, bisweilen auch dichterischer. Den Dramen, die er für die Ausgabe Bodenstedt’s bearbeitete, gab H. außer wenigen Noten zu besonders schwierigen Stellen litterarhistorisch-ästhetische Einleitungen bei, die, ohne wissenschaftlich bedeutend zu sein, hübsche Kenntnisse in der Geschichte der Shakespeare’schen Poesie bekundeten. Als originaler Dichter trat H. noch bei einigen wichtigen, politischen oder historischen Anlässen (Schillerfeier in Zürich am 10. Novbr. 1859, Garibaldi’s Gefangennahme bei Aspromonte am 24. August 1862 u. a.) hervor; diese und andere poetische Producte wurden aus seinem Nachlaß in Zürich 1877 als „Neue Gedichte von Georg H.“ gesammelt. In den meisten derselben schlägt der sarkastische Ton schonungs- und rücksichtslos durch; namentlich die jüngsten Ereignisse in Deutschland, deren Bedeutung H. vollständig verkannte, verfolgte er mit beißenden Pasquillen, die in Ton und Ausdruck den kecksten Versen Heine’s an die Seite gestellt werden können und nur in den seltensten Fällen poetischen Werth besitzen. Sie trugen nichts dazu bei, den Dichter bei seinem Volke der Vergessenheit zu entreißen, der er nicht ohne eigne Schuld lange schon vor seinem Tode verfallen war.

Herwegh’s Lebensabriß von Aug. Lewald in der Europa, 1841, Bd. IV. – Gg. Herwegh. Fragmente zur Geschichte des Tages. Herausgegeben von Alexis Publicola. Nürnberg 1843. – Gg. Herwegh. Litterarische und politische Blätter von Dr. Joh. Scherr. Winterthur 1843. – Herwegh’s Nekrolog von Rud. Gottschall (Unsere Zeit. Neue Folge. Jahrg. XI. 1. S. 721 ff.). – Mittheilungen aus den Acten der Universität und des evangelisch-theologischen Seminars zu Tübingen, sowie des würtembergischen Kriegsministeriums und königl. Cabinets durch die Güte des Herrn Prof. Dr. Holland, Prof. Dr. Buder, Hofrath Dr. Hemsen, Hauptmann Bilfinger und Geh. Legationsrath Dr. v. Griesinger.