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ADB:Schwarzenau, Joachim Ludwig von

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Artikel „Schwarzenau, Joachim Ludwig von“ von Heinrich Meisner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 257–259, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwarzenau,_Joachim_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 15:03 Uhr UTC)
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Schwarzenau: Joachim Ludwig v. S., Reichstagsgesandter in Regensburg, stammte aus dem Geschlechte der Strein v. S., welches in Niederösterreich begütert war und im 17. Jahrhundert infolge der Religionsstreitigkeiten nach Hessen auswanderte. Sein Vater war der hessische Kanzler Kilian v. S., der den Adel des alten Geschlechts wieder aufnahm. Joachim Ludwig, der spätere Reichstagsgesandte, wurde am 26. August 1713 zu Darmstadt geboren und besuchte seit 1730 die Universität Gießen, wo er, besonders unter der Anleitung der Professoren Kaiser, Wahl und Mögling, Rechtswissenschaft studirte. Nach vierjährigem Aufenhalt daselbst kehrte er zunächst in das väterliche Haus zurück, um bald aber nach Jena zu gehen und seine juristische Ausbildung zu [258] vollenden. In den praktischen Dienst trat der einundzwanzigjährige Jüngling zunächst in Wetzlar, begab sich aber bald darauf nach Paris und wurde nach seiner Rückkehr durch die Vermittelung seines Vaters im Februar 1739 brandenburg-onolzbachischer Justizrath, im December desselben Jahres Hof- und Regierungsrath. Da der junge S. aber von der diplomatischen Laufbahn sich mehr Erfolg versprach, so trat er im August 1740 als wirklicher geheimer Legationsrath in hessische Dienste und wurde von dem Landgrafen Ludwig VIII. zum Comitialgesandten in Regensburg ernannt. Bald nach seinem Eintreffen in dieser Stadt starb Kaiser Karl VI., und der neue Gesandte wurde in die österreichischen Erbstreitigkeiten mit verwickelt, ohne aber daran den Antheil nehmen zu können, zu welchem ihn seine persönliche Ueberzeugung drängte, da er seitens des von ihm vertretenen Hofes, d. h. von seinem Vater, wiederholt zu der größten Vorsicht und Zurückhaltung ermahnt wurde. Diese, sich keinen Verbindlichkeiten nach irgend einer Seite hin aussetzende Stellungnahme zu den Wahlen des Kurfürsten Karl von Baiern und des Großherzogs Franz von Toscana mag der Grund gewesen sein, weshalb S. im Jahre 1744 auch die baden-durlachsche Vertretung auf dem Reichtstage zu Regensburg erhielt. Allein allmählich brach bei S. trotz aller seiner diplomatischen Gewandtheit innerhalb der verschiedenen Strömungen bei dem Reichstage doch seine Vorliebe für die preußische Politik Friedrich’s des Großen durch. Der vielumworbene Comitialgesandte, welcher 1753 die Stimmführung von Sachsen-Weimar und Holstein-Gottorp erhalten hatte, also vier verschiedene deutsche Höfe vertrat, verlor durch den wachsenden Einfluß Oesterreichs bei Ludwig VIII. von Hessen das Vertrauen dieses seines Landesvaters so, daß er von seinem Posten in Regensburg entbunden wurde. Der Großfürst Peter von Rußland als Inhaber der holstein-gottorpschen Stimme bei dem Reichstage folgte dem Beispiele des hessischen Landgrafen. Nur das Vertrauen des badischen Hofes verblieb S.; er wurde seitens jenes zum wirklichen geheimen Rathe ernannt. Inzwischen hatte der langbewährte Kanzler Kilian von S., gekränkt durch die seinem Sohne widerfahrene Zurücksetzung, in Darmstadt seinen Abschied eingereicht, und da man den treuen Beamten nicht ohne eine Genugthuung aus seinem Dienst scheiden lassen wollte, so suchte man die Zurücksetzung seines Sohnes dadurch zu mildern, daß man diesen mit einem Gehalt von 2000 Gulden in Regensburg ließ, während die hessen-darmstädtische Stimme am Reichstage vorläufig suspendirt blieb. Damals, 1763, wurde S. durch seinen Freund den Grafen Kaiserling angeboten, in russische Dienste zu treten, und ihm ein Ministerposten mit 8000 Rubel Gehalt in Aussicht gestellt; nur durch den Tod des erwähnten Unterhändlers scheint diese Angelegenheit nicht zum Austrag gebracht worden zu sein. Bei der Wahl Joseph’s II. zum römischen König vertrat S. in Frankfurt neun deutsche Staaten, nämlich Baden–Durlach, Sachsen-Gotha, Weimar, Koburg, Hildburghausen, Brandenburg-Onolzbach, Braunschweig-Wolfenbüttel, Mecklenburg-Strelitz und Nassau-Oranien. – Bei diesem allseitigen Vertrauen konnte es nicht ausbleiben, daß auch Preußen sein Augenmerk auf den vielgewandten Mann richtete als hervorragend geeignet zur Vertretung der brandenburgischen Interessen in Regensburg. Schwarzenau’s persönliche Neigung traf sich mit dem Anerbieten seitens des preußischen Hofes. Am 22. April 1763 wurde jener zum k. preußischen geheimen Kriegsrath und bevollmächtigten Minister am Reichstage ernannt und hat, so lange Friedrich der Große lebte, dessen Vertrauen dauernd behalten. Als Beweis dafür kann ein Oelbild des großen Königs gelten, welches er seinem treuen Diener schenkte und welches noch jetzt als ein werthvolles Erbstück in der Familie aufbewahrt wird. Auch der Hof in Darmstadt betraute S. 1767 wiederum mit der Vertretung am Reichstage. Nach der brandenburg-kulmbachischen [259] Stimmführung, welche er ebenfalls seit 1767 hatte, die aber durch den Tod des kinderlosen Friedrich Christian 1769 erlosch, übernahm S. 1770 das Votum für Hildburghausen, 1771 auch das von Baden-Baden, welches durch den Tod des erblosen letzten Markgrafen an Baden-Durlach übergegangen war. Durch eine bedeutende Reduction des Gehaltes durch den Landgrafen Ludwig IX. von Hessen wurde S. genöthigt, 1772 die Stimmführung für jenen Hof abzugeben. Nach dem Tode Friedrich’s des Großen ehrte sein Nachfolger S. dadurch, daß er ihn unter Belassung auf seinem Gesandtschaftsposten im Juli 1787 zum Staatsminister ernannte. Nur einige Monate indessen sollte es ihm beschieden sein, sich dieser neuen Ehre zu erfreuen; am 16. December 1787 starb er und ist in Regensburg beigesetzt worden. – Schwarzenau’s staatsmännische Thätigkeit im Zusammenhange darzustellen, ist noch nicht versucht worden. Seine politische Correspondenz, besonders sein Briefwechsel mit den Landgrafen Ludwig VIII. und IX. von Hessen, mit dem Landgrafen zu Baden, mit der Herzogin Maria Anna von Baiern und der Herzogin Auguste von Württemberg, geben ein Bild von der Thätigkeit des vielseitig in Anspruch genommenen und geehrten Mannes und sind eine ergiebige Quelle der deutschen Politik in den Jahren 1741 bis 1787. Unentwegt hielt S. an dem, was er als das Richtige erkannt hatte, fest; trotz der großen pecuniären Opfer, die er in den fünfziger Jahren durch setne Parteinahme für Friedrich den Großen erlitt, indem ihm die von Oesterreich beeinflußten kleineren Staaten ihre Vota für den Reichstag in Regensburg entzogen, blieb er seinen Ansichten treu und verhinderte unter anderem dadurch besonders 1758 die Achtserklärung des preußischen Königs. Als zu des letzteren Gunsten nach 1763 die Stimmung bei dem Reichstage umschlug, bewirkte „der große Antagonist Borie’s“, wie Ranke S. bezeichnet, fern von persönlicher Rache gegen seine einstigen Gegner, durch weise Mäßigung das Zusammenwirken aller Vertreter in Regensburg bei einzelnen wichtigen Fragen, so z. B. bei dem Reichsbeschluß von 1775 über die Revision des Reichskammergerichtes.

Vgl. Kurzgefaßte Lebens- und Dienst-Geschichte des k. preuß. wirklichen geheimen Etats- und Kriegsminister Freiherrn v. Schwarzenau. Regensburg 1787. – Personalnachrichten und politische Correspondenz im Familienarchiv. – H. Meisner, die Herzogin Maria Anna von Bayern und der Reichstagsgesandte v. S. In der Festschrift des Gymn. zu Jauer 1890. – Ranke, die deutschen Mächte u. der Fürstenbund. 1871. I, 46 (Werke 31. Bd. 1875. S. 33).