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ADB:Schweizer, Anton

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Artikel „Schweizer, Anton“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 371–373, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schweizer,_Anton&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 20:22 Uhr UTC)
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Schweizer: Anton S. (Schweitzer), geboren in Coburg 1737, † als herzogl. Capellmeister in Gotha am 23. November 1787, war ein sehr fruchtbarer und zu seiner Zeit hochberühmter und angesehener Operncomponist, welcher als Schöpfer der ersten deutschen Opera seria, d. h. ernsten, großen Oper, damals allerdings bescheiden noch Singspiel genannt, anzusehen ist, und einst ebenso gefeiert, als strenge kritisirt wurde. Bekanntlich wurden deutsche Schauspiele mit Gesang schon lange („Daphne“ von Opitz und H. Schütz, Torgau 1627, und „Selwig“ von Harsdörffer und J. G. Staden[WS 1], Nürnberg 1644) aufgeführt und abgesehen von andern Orten namentlich auf der Schaubühne in Hamburg (1678–1738) regelmäßig Opernvorstellungen gegeben. Diese erste Opernperiode schloß mit einer 1741 in Danzig veranstalteten Darstellung. Aber nicht lange wollte man auf dergleichen Spiele verzichten und so wurde denn schon 1743 mit dem aus dem Englischen übersetzten „Der Teufel ist los“ in Berlin ein neuer Versuch gemacht. Während nun an den größeren, über bedeutendere Geldmittel verfügenden Höfen glanzvolle italienische Opernaufführungen stattfanden, begnügten [372] sich die kleineren Höfe und größeren Städte mit deutschen Singspielen und Operetten, die theils aus dem Italienischen und Französischen übersetzt, theils neu componirt waren. Dichter und Tonsetzer, wer bekannt und berühmt werden wollte, drängte sich zum Theater und eine Fluth von kleinen, komischen Singstücken, den vielen Theaterprincipalen und fahrenden Comödiantenbanden erwünschte Abwechslung ermöglichend, brach plötzlich herein. Hauptsächlich thaten sich in diesem Genre Leipzig (durch J. A. Hiller), Gotha (durch G. Benda) und Weimar (durch J. W. Wolf) hervor. Aber die Form aller dieser Operetten war eine beschränkte, ihr Inhalt vielfach ein nichtssagender, ihre Musik häufig banal und oberflächlich. Der Wunsch eine der großen italienischen Oper nachgebildete, durch und durch deutsche Oper zu erhalten, wurde insbesondere in den feineren Kreisen immer lebhafter. Er sollte endlich durch S. befriedigt werden. – Zur Zeit des Herzogs Friedrich III. von Gotha[1] machte sich ein sehr talentvoller Knabe in der kleinen Residenz bemerklich, dessen sich der Fürst alsbald annahm, indem er den zehnjährigen durch gute Lehrer unterrichten ließ. Dann schickte er ihn zu fernerer Ausbildung zum Capellmeister Kleinknecht nach Bayreuth. S., von dem hier gesprochen wird, übernahm, nachdem er seine Lehrzeit glänzend bestanden, die Musikdirectorstelle am Theater in Hildburghausen, wo unter Herzog Ernst Friedrich III. Karl[WS 2] eine sehr gute Truppe engagirt war. Er muß sich durch seine Thätigkeit, wie sein Geschick seinem Herrn vortheilhaft bemerklich gemacht haben, denn dieser gewährte ihm die Mittel, zur Fortsetzung seiner Studien einige Jahre nach Italien zu gehen. Von da 1772 heimgekehrt, wurde er bei der damals bestrenommirten Seiler’schen Gesellschaft in Weimar Musikdirector. Dieselbe, die einige sehr gute Kräfte hatte, spielte mit großem Beifalle auf dem dortigen, in der alten Wilhelmsburg eingerichteten Schloßtheater. Dies dauerte bis durch den unglücklichen Schloßbrand, anfangs Mai 1774, der Fortsetzung der Vorstellungen ein jähes Ende bereitet wurde. Bei der Seiler’schen Gesellschaft war der bekannte Schriftsteller Michaelis als Theaterdichter angestellt, in Weimar lebten, alle mit S. befreundet, Hermann, Jacobi, Bertuch, Wieland; vor allem aber interessirte sich hier die geistreiche Herzogin-Regentin, Anna Amalie für das Theater. Durch sie wurden alle schöpferischen Geister belebt und angespornt, dafür ihre beste Kraft einzusetzen. Auf ihre Anregung schrieb Wieland einen ernsten Operntext, die „Alceste“, dessen Composition der dafür begeisterte S. sofort in Angriff nahm. Mit den größten Erwartungen versammelte sich am 28. Mai 1773 im Theatersaale eine auserlesene Gesellschaft; Dichter und Componist, Sänger und Orchester in hoher Erregung, die Hörer dem was da kommen sollte mit äußerster Spannung entgegensehend. Der Eindruck der Vorstellung war ein großer und tiefer, die Hoffnungen der Verfasser und Hörer weit übertreffender. Wie ein strahlendes Meteor hob sich das neue Werk empor, nun alsbald seinen Weg mit schönstem Erfolg über alle besseren deutschen Bühnen machend, ja für ein Vierteljahrhundert mit gleichem Ruhm auf denselben sich behauptend. Erst 1781 folgte Mozart, mit seiner Entführung aus dem Serail. Wieland, der den Erfolg seiner Dichtung vornehmlich der trefflichen Musik zuschrieb, war davon wahrhaft entzückt und berauscht und pries „Alceste“ als das Schönste, was man bisher in Deutschland gehört, selbst Gluck’s berühmte gleichnamige Oper übertreffend. Am ersten Flügel dirigirte bei der Premiere S., am zweiten Wolf; das Orchester war verstärkt, der wackre Tischler- und Maschinenmeister Mieding hatte die Ausstattung besorgt; Mad. Koch, eine schöne, stimmbegabte Sängerin, die mit rührendem Ausdruck declamirte, sang die „Alceste“, Mlle Heinsin, spätere Frau Hellmuth, die „Parthenia“, Herr Hellmuth (Tenor) den „Admet“, Herr Günther (Baß) den „Herkules“. Zu den stattfindenden Wiederholungen strömten die Hörer aus der Nähe und Ferne. Solche, die die besten Aufführungen in [373] London, Paris und Neapel gesehen, versicherten, „Alceste“ hätte sie übertroffen. Nach dem Schloßbrande wirkte S. als Capellmeister Herzog Ernst II. in Gotha, wo die berühmten Tonsetzer G. H. Stölzel und G. Benda (Schöpfer des ersten Melodrams „Ariadne auf Naxos“, 1774) seine Vorgänger waren, bis er, 51 Jahre alt, einem heftigen Krankheitsanfalle rasch erlag. – S. schrieb: von Wieland verfaßt: „Aurora“, ein Singspiel, 1771. „Alceste“, eine ernsthafte Oper, 1773. „Die Wahl des Herkules“, lyr. Drama, 1773. „Rosamund“, große Oper, 1778. „Idris und Zenide“, (?). Von Jacobi gedichtet: „Elysium“, mus. Drama, 1774. „Apollo unter den Hirten“, Vorspiel 1770. Von Bertuch: „Polyxena“, 1775. Von Goethe: „Erwin und Elmire“, Singsp. Von Gotter: „Die Dorfgala“, kom. Oper, 1772. Von unbekannten Verfassern: „Der lustige Schuster“ 2. Theil, Operette, 1770. „Walmir und Gertraud“, Singsp. „Pigmaleon“, Monodram; „Die Stufen des menschlichen Alters“; 1775 „Das Fest der Thalia“ 1770, Vorspiele. „Die Waffen des Achilles“; „Die Amazonen“, Ballete. Außerdem componirte er die Musik zu folgenden Schauspielen: Sinfonie zu Richard III., Trauermarsch zu „Clavigo“, zum „Bürgerlichen Edelmann“, und zum „Edelmann ein Wucherer“, zu „Philemon und Baucis“ und zum „Oeffentlichen Geheimniß“, und Arien zum „Redenden Gemälde“. Manche der Werke Schweizer’s sind im Druck erschienen, trotzdem und ohngeachtet seiner einstigen Berühmtheit ist auch er heute vollständig vergessen.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 372. Z. 13 v. o.: Für die musikalische Ausbildung Schweizer’s, der nicht in Gotha sondern in Coburg aufwuchs, sorgte nicht Friedrich III. von Gotha sondern Herzog Franz Josias von Coburg. In Gotha hielt sich S. erst von 1774 dauernd auf. [Bd. 45, S. 672]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist Sigmund Theophil Staden der Sohn von Johann Staden
  2. Ernst Friedrich III. Carl von Sachsen-Hildburghausen (1727–1780); Herzog von Sachsen-Hildburghausen aus dem Hause der ernestinischen Wettiner