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ADB:Schwetschke, Gustav

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Artikel „Schwetschke, Gustav“ von Walther Schultze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 440–442, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwetschke,_Gustav&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:58 Uhr UTC)
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Schwetschke: Karl Gustav S. wurde am 5. April 1804 in Halle als der Sohn des dortigen Buchhändlers K. A. S. geboren. Er stammte aus einer angesehenen Buchhändlerfamilie. Auf Johann Justinus Gebauer (s. A. D. B. VIII, 452) folgte als Besitzer des schon damals so bedeutenden Verlagsgeschäftes in Halle 1772 sein Sohn Johann Jakob Gebauer, unter dessen Leitung sich der Umfang des Geschäftes durch eine Reihe wichtiger Verlagsartikel erheblich erweiterte. Ihm folgte 1818 wieder sein Sohn Friedrich Wilhelm Ferdinand. Bei dessen frühzeitig erfolgtem Tode erwarb aber sein Schwiegersohn Karl August S. die Buchhandlung und führte sie fortan auf seinen eigenen Namen. Von den vielen bedeutenden Unternehmungen der Firma sei nur die „Allgem. Literaturzeitung“ erwähnt, welche S. 1824 von Professor Schütz ankaufte, der seitdem nur noch nominell als erster Redacteur figurirte, während S. selbst durch seine kluge und thatkräftige Leitung dem Unternehmen einen neuen Aufschwung gab. Vor seinem 1839 erfolgten Tode hatte er bereits seinen Sohn Gustav als Theilhaber aufgenommen. – Dieser hatte 1815–21 das Gymnasium (die „Latina“) in Halle besucht, studirte dann in Heidelberg und Halle Philologie. Seine Betheiligung an der Burschenschaft brachte ihm indeß die Relegation ein; er erlernte nun bei Vieweg in Braunschweig die Druckerei und trat 1825 in das väterliche Geschäft ein, wo er die Druckerei übernahm. Von 1828–1843 führte er die Redaction des Hallischen Couriers. Hierdurch wurde er, dessen Studien bisher vornehmlich der Geschichte des Buchhandels gegolten hatten, den öffentlichen Fragen näher geführt. Er betheiligte sich vor allem an den religiösen Bewegungen der vierziger Jahre, ergriff eifrig für die freien Gemeinden Partei (1845 „Schneidemüller-Lied, 3. Abdruck“, „Byzantinisches Blatt“; 1847 „Gedichte eines protestantischen Freundes“), trat für deren Vertreter in die Schranken, so für Wislicenus am 24. Juli 1845 bei der Durchreise des Königs, so für Rupp (1846 Schlußwort zu „C. Schwarz, Dr. Rupps Ausschließung aus dem Gustav-Adolph-Verein“) und Uhlich (1847 „Protestbrief an den Herrn Minister Eichhorn“)- Nach des letzteren Suspension schied auch S. aus der Landeskirche und übernahm den Vorsitz in der freien Gemeinde in Halle. Auch der eigentlichen Politik hatte er sich inzwischen zugewandt. Schon 1842 vertheidigte er Hoffmann v. Fallersleben; sein Gedicht „Berlin“ (1846) enthielt bereits allerlei Spitzen gegen den König, während das tragikomische Heldenepos „Der Oberon [441] von Sanssouci“ (1847) scharf die liberalen Royalisten angriff. 1848 wurde S. zum Stadtverordneten gewählt; als Vertrauensmann der Hallischen Stadtverordneten nahm er theil am Vorparlament, als Abgeordneter für Sangerhausen an der Frankfurter Nationalversammlung, wo er sich der Kaiserpartei anschloß. Mit Witz und Humor bekämpfte er in den „Novae epistolae obscurorum virorum“ (Februar 1849) die demokratische Linke, vor allem K. Vogt; die kleine Broschüre fand großen Anklang; in wenigen Monaten waren 6 Auflagen vergriffen (Jubiläumsausgabe mit Erläuterungen 1874). Andrerseits geißelte er auch den hannoverschen und sächsischen Particularismus („Medicina mentis“ 1849), ergriff für Schleswig-Holstein Partei („Der Eckernförder Spaß“ 1849, „Acta manualia“ 1850), tröstete den dort verwundeten Nasemann in einer sehr warmen „Epistola consolatoria“ 1851). In der etwas gesucht witzigen Schrift „Tacitus’ Germania nach einem bisher nicht verglichenen Codex“ (1849) gab er seinem Unbehagen über allerhand Zeitströmungen, insbesondere das Demagogenthum und den Particularismus, von neuem Ausdruck. Als dann die Reaction hereinbrach, änderte sich die Richtung seiner Polemik: nicht nur, daß er den Preßgesetzentwurf von 1850 bekämpfte, er schwang auch jetzt in den „Novae epistolae clarorum virorum“ (1855) die Geißel seines Spottes gegen die herrschende feudale Partei. Im ganzen aber wandte er sich nun von dem öffentlichen Leben mehr und mehr ab, vertiefte sich eifrig in wissenschaftliche Studien. Zusammen mit L. Roß begründete er 1850 die „Allgemeine Monatsschrift für Literatur“, die nach seinem Plan ein litterarisches Centralorgan werden, einen Ueberblick über die Zeitbestrebungen auf allen Gebieten des Denkens geben sollte. Erst die großen Erfolge Bismarck’s regten seine poetische Productionskraft neu an. Die beiden Epen „Bismarckias“ (1867) und „Varzinias“ (1870), sowie andere kleinere Gedichte zeigen eine glühende, ja fanatische Begeisterung für den preußischen Staatsmann. Er begleitete noch lange die Zeitereignisse mit den Producten seiner Muse, sowohl im deutschen wie im lateinischen Gewande. In seinen späteren Jahren zog er sich aus dem öffentlichen und geselligen Leben immer mehr zurück; er wollte nicht gestört sein. Doch blieb er ein eifriges Mitglied der Freimaurerloge. Er war zweimal verheirathet. Am 5. Juni 1875 feierte er das 50jährige Jubiläum seiner geschäftlichen Thätigkeit; sein Verlag war ein ziemlich umfangreicher und recht bedeutender. Er starb in Halle am 4. October 1881.

S. ist eine sehr vielseitige Natur, die nicht nur ein weitverzweigtes Wissen besaß, sondern sich auch auf sehr verschiedenen Gebieten bethätigt hat; er hat eine gewisse Aehnlichkeit mit den Polyhistoren des 17. Jahrhunderts. Doch verstand er es nicht, seine reichen Kenntnisse wirksam zu concentriren und Leistungen zu erzielen, die die Wissenschaft wirklich in maßgebenden Punkten gefördert hätten, sondern zersplitterte seine Fähigkeiten in eine Unmenge von kleinen, oft doch nur wenig bedeutenden Arbeiten. Am werthvollsten sind seine Forschungen auf dem Gebiete der Bibliographie. Im „Codex nundinarius Germaniae literatae bisecularis 1564–1765“ (1850) mit einer Fortsetzung bis 1846 (1877) gab er eine Statistik der deutschen litterarischen Production nach Orten, Buchhändlern und Wissenschaften, bot dazu in der Einleitung eine Bibliographie der Meßkataloge. Eine sorgsame und mit besonnener Kritik vorgehende Arbeit ist seine „Vorakademische Buchdruckergeschichte der Stadt Halle“ (1840), die ihm den Doctortitel einbrachte. Aus dem Frankfurter Archiv machte er (u. d. T. „Bücherinspection“ in seiner Monatsschrift I, S. 185–191) Mittheilungen über die Stellung des Frankfurter Raths zum Buchhandel. Auch glückte ihm manch interessanter bibliographischer Fund seltener oder vergessener Schriften, den er dann eingehend beschrieb („De Donati minoris fragmenti“ 1839; [442]Luthers Newe Zeitung vom Rein 1542“ 1841; „Der Brandenburgische Glücksstern vom Jahre 1572“ 1872; „Ein Hallischer Calender vom Jahre 1645“ 1873). An diese bibliographischen Arbeiten schließen sich solche zur Gelehrten- und Litteraturgeschichte; so gab er in „M. Eckstein von Hall“ (1842) Beiträge zur älteren Hallischen Gelehrtengeschichte, so führte er in „Zur Geschichte des Gaudeamus“ (1877) die Forschungen Hoffmann’s v. Fallersleben über dieses Lied weiter. Ein Beweis seiner ausgedehnten Kenntnisse ist auch die „Geschichte des L’Hombre“ (1863), wo er einerseits eine eingehende Geschichte des Spieles, andrerseits eine Bibliographie der L’Hombrelitteratur lieferte. Andere Arbeiten stehen in Beziehung zu seinem Interesse für das Freimaurereiwesen („Paläographischer Nachweis der Unechtheit der Cölner Freimaurerurkunde von 1535“, 1843, „Hallische Steinmetzzeichen“ 1852, „Prinz Edwinssage“ 1858).

Alle dem zur Seite geht nun eine rege poetische Production. S. besaß ein ausgeprägtes formales Talent, verstand es gute deutsche und noch bessere lateinische Verse zu bauen. Dazu kam ein gewisser Witz und Humor, der freilich eine bestimmte Grenze nicht überschritt. Mit der Form hält indeß der Inhalt nicht gleichen Schritt, überall bemerkt man einen rationalistischen Zug, eine Nüchternheit, die er nicht zu überwinden versteht; seine Gedichte lassen daher doch den Leser ziemlich kalt und haben ein größeres Publicum nicht zu gewinnen vermocht. Hervorzuheben sind unter seinen lateinischen Gedichten mehrere hübsche Variationen des Gaudeamus. Am besten gelungen sind ihm Zeitgedichte, in denen er die Geschichte der Gegenwart mit poetischen Glossen begleitet. Mit Vorliebe verfaßte er auch kleine Gelegenheitsgedichte (z. B. 1880 „Versus memoriales de senecture“ für Erdmann), unter denen sich manches ganz geschmackvolle befindet. Für die eigentliche Lyrik dagegen reichte trotz einiger Versuche sein Talent nicht recht aus; auch das Drama „Aennchen von Tharau“ (1852) hat keinen Anspruch auf dauernden Werth. – Neben seinen eigenen Dichtungen war er auch als Uebersetzer thätig, wobei ihm sein großes Formtalent besonders zu statten kam. So übersetzte er unter anderm Spenser’s Feenkönigin (1854), Scarron’s Typhon (1856), Trissino’s Canzone an Clemens VII. (1856).

S. selbst hat mehrmals Sammlungen seiner kleineren Schriften veranstaltet: „Ausgewählte Schriften“ 1864 und 1866; „Zeitgedichte“ 1873; „Neue ausgewählte Schriften“ 1878. Verzeichnisse seiner Arbeiten giebt er in den „Ausgewählten Schriften“ (Ausgabe 1866) II, S. 220 und den „Novae epistolae obscurorum virorum“ (Ausgabe 1878), S. 59.