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ADB:Seydelmann, Franz

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Artikel „Seydelmann, Franz“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 84–85, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seydelmann,_Franz&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:34 Uhr UTC)
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Seydelmann: Franz S., ein sächsischer einst sehr beliebter Componist, geboren am 8. October 1748 in Dresden und ebendort † am 17. October 1806. (Nach dem thematischen handschriftlichen Verzeichniß seiner Werke auf der königlichen Bibliothek zu Berlin. Andre schreiben den 23. October, und zwar nach Schilling’s Angabe, die wenig Sicherheit gewährt.) Er war der Sohn eines Kammermusicus an der königlich polnischen (resp. sächsischen) Capelle, über den aber jegliche Nachricht fehlt und wurde von ihm anfänglich in der Musik unterrichtet, bis er ihn dann dem Capellmeister Weber und später Naumann übergab. Er scheint schon damals vom Kurfürsten ausersehen gewesen zu sein einst in die Capelle einzutreten, denn als Naumann 1765 nach Italien reiste, wurde ihm S. und auch Schuster als Begleitende mitgegeben, über die er zugleich ein väterlich wachsames Auge haben sollte. Der Musiker damaliger Zeit wurde erst dann für fähig gehalten eine höhere Stellung zu bekleiden, wenn er einige Zeit in Italien studirt hatte und der Kurfürst von Sachsen ließ es sich stets angelegen sein den begabteren, jüngeren Mitgliedern seiner Capelle diese Quelle der Vervollkommnung [85] angedeihen zu lassen. Schuster und S. wurden auf dieser Studienreise unzertrennliche Freunde und selbst der Kurfürst scheint daran seine stille Freude gehabt zu haben, da alle Wohlthaten und Beförderungen im Dienste beide stets zu gleicher Zeit empfingen. Ein treffliches Zeugniß des einstigen patriarchalischen Verhältnisses zwischen Herr und Diener. So im Jahre 1771, wo ihnen durch Rescript vom 16. Januar angezeigt wurde, daß sie für jede eingereichte Kirchencomposition ein bestimmtes Honorar erhalten sollten, bis sie dann am 25. April 1772 als wirkliche Kirchencomponisten mit jährlich 200 Thalern Gehalt angestellt wurden. Der bisherige Kirchencomponist Fischietti wurde entlassen und die Capelle zählte nun vier Kirchencomponisten als Mitglieder: Schürer, Naumann und jene beiden. Diese vier Männer hatten nicht allein für Compositionen zu sorgen, sondern sie auch einzustudiren und abwechselnd zu dirigiren. Letzteren beiden war noch die Clavierbegleitung in der Oper und die Einrichtung der Partituren und Stimmen übertragen, während Schürer und Naumann davon nun befreit wurden. Schürer starb 1786 und Naumann wurde vom Kirchendienst befreit, dafür rückten am 17. Februar 1787 jene beiden zum Capellmeister herauf, mit je 800 Thalern Gehalt, die bald darauf auf 1000 Thaler erhöht wurden. So hatte S. in voller Manneskraft die höchste Stufe im Dienste der Kunst und seines Kurfürsten erreicht und redlich im gangbaren Sinne seiner Zeit seine Kräfte 19 Jahre lang ausgenützt. Opern- und Kirchenmusik unterschieden sich in damaliger Zeit in keiner Weise und man kann getrost unter eine sächsische Kirchenarie einen Operntext legen ohne irgend einen anderen Eindruck zu erhalten. Das Componiren ging daher auch außerordentlich schnell von Statten. Die Form war genau vorgeschrieben und wurde mit einer Strenge festgehalten, als wenn sie seit Anfang der Kunst bestanden hätte. Der Inhalt mußte auf das schwache und seichte Fassungsvermögen des Publicums, resp. des Hofes eingerichtet sein. Die Instrumentation war auf das einfachste Maß beschränkt und modulatorische Feinheiten waren scheinbar unbekannte Begriffe oder waren vielmehr verpönt: die Grundtonart war Alleinherrscherin und nur der Dominanten- oder Paralleltonart im Mittelsatze war gestattet, an bestimmten Stellen eintreten zu dürfen. Es kann uns daher auch gar nicht wundern, wenn ein in Berlin und Dresden befindlicher thematischer Catalog der Kirchencompositionen Seydelmann’s nicht weniger als 36 Messen, 1 Requiem, 37 Offertorien, 15 Vespern, 12 Litaneien, 32 Antiphonen, 40 Psalmen, 2 Hymnen, 4 Miserere, 4 Versetti, 1 Completorium und 1 Motette, sämmtlich für Chor, Soli und Orchester im großen Stile (d. h. Umfange) geschrieben, enthält. Das ist aber nur ein Theil seiner Compositionsthätigkeit, denn die öffentlichen Bibliotheken besitzen von ihm (meistens im Manuscript) noch 3 große Oratorien, 9 Opern und Singspiele, mehrere große Cantaten, 12 Duette, Gelegenheitsgesänge, Lieder und Gesänge und etwa 29 Kammermusikcompositionen als Sonaten für Clavier und Clavier mit Violine. (Dresden und Berlin besitzen das Meiste von seinen Werken.) S. stand eine leichte, melodische Erfindungsgabe zu Gebote, und da er sich wohl hütete in die Tiefen der Empfindung hinabzusteigen, sondern seinem Publicum stets gefällige Waare vorsetzte, so war er der gefeierte Liebling so lange, als er im Stande war jeden Kirchtag mit einer neuen Composition aufzuwarten, wurde aber auch ebenso schnell vergessen, als ein anderer an seine Stelle trat.

Fürstenau, Beiträge zur Geschichte der kgl. sächs. musik. Capelle. Dresden 1849, S. 164 und 175. – Leipziger Allgem. musik. Ztg. Bd; 9, Sp. 94.