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ADB:Steger, Friedrich

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Artikel „Steger, Friedrich“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 453–456, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steger,_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 04:06 Uhr UTC)
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Steger: (Johann Heinrich) Friedrich (Karl Wilhelm) St., Geschichtschreiber und Litterat, † 1874, wurde geboren zu Braunschweig am 25. Februar 1811 als Sohn Johann Andr. Friedr. Steger’s, Lehrers am Gymnasium Katharineum daselbst, der später auch Professor der Geschichte und Geographie am Collegium Carolinum wurde und am 14. December 1828 gestorben ist; seine Mutter Friederike Katharine Magdalene, die Tochter des Pastors Christian Wilh. Quirll in Aspenstedt, starb am 3. December 1822, worauf sich der Gatte in zweiter Ehe am 20. Mai 1823 mit Christiane Henr. Wilhelmine Wollenweber, einer Tochter des Kaufmanns Aug. Heinr. W. in Stadtoldendorf, vermählte, die erst am 13. März 1844 gestorben ist. Der Sohn besuchte das Katharineum und das Obergymnasium, in das jenes Januar 1828 aufging, und frühestens seit Ostern 1828 das Collegium Carolinum in Braunschweig. Dann bezog er Michaelis 1829 die Universität Jena, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Außer juristischen Vorlesungen hat er hier namentlich bei Luden auch Geschichtsvorträge gehört. Da mehrere seiner Bekannten Mitglieder der Burschenschaft waren, so hat auch er sich ihr, und zwar der Germania, angeschlossen. Auch in München, wohin er Michaelis 1830 ging, und wo ihn als Rechtslehrer namentlich Professor Puchta, bei dem er Pandekten hörte, anzog, ist er wieder der „Germania“ beigetreten, und als diese infolge von Unruhen Ende December verboten wurde und gegen Mitte Januar 1831 sich äußerlich auflöste, hat er München sogleich darauf verlassen und ist wieder nach Jena und in die dortige Burschenschaft zurückgekehrt. Als es nach einer zeitweisen Vereinigung der verschiedenen Richtungen am 13. Juli 1832 abermals zu einer Spaltung in Germanen und Arminen kam, von denen diese den Hauptzweck ihres Bundes, die Einheit Deutschlands, nur auf reformatorischem, jene aber auch auf revolutionärem Wege erreichen wollten, trat St. entschlossen auf die Seite der radicaler gesinnten Germanen. Bei seinen Genossen stand er hier als ein gescheiter junger Mann in hoher Achtung; er wurde daher in den Vorstand der „Germania“ gewählt und in Zwätzen auch in den Ausschuß, der die Constitution der Verbindung ausarbeiten sollte. Da er, wie er selbst von sich sagt, immer fidel war und, wie Andere von ihm meinten, nicht stoßen konnte, daher nicht gern auf die Mensur, aber desto lieber auf die Kneipe ging, so wurde er zum Kneipwart, außerdem auch zum Kränzchenführer erwählt. Er führte die Spitznamen „Itze“, „langer Itze“, „Tom“ und galt mit v. d. Hude, Albert Schmid, Haase und Frank als einer der Hauptdemagogen. Aber wenn er auch die Revolution ersehnte, so scheint ihn keineswegs der Muth, die eigene Haut dafür zu Markte zu tragen, beseelt zu haben. Ein Freund von ihm meinte, er würde, wenn es losgegangen wäre, schwerlich gehandelt haben; „er ist der Mann gar nicht dazu; er ist [454] sehr schwächlich.“ So trat er denn in der Oeffentlichkeit auch in keiner Weise auffällig hervor, und es wurde ihm von München und von Jena ausdrücklich bescheinigt, daß er „in Ansehung verbotener Verbindungen nichts Nachtheiliges sich habe zu Schulden kommen lassen“ oder deshalb „nicht in Untersuchung gewesen sei“.

Michaelis 1832 verließ er Jena, kehrte nach Braunschweig in das Haus seiner Stiefmutter zurück und meldete sich von hier unterm 30. Juni 1833 zum Auditorexamen; F. Franke in Jena, bei dem er ein Examinatorium über Pandektenrecht gehört hatte, bezeugt „die Beweise seines Fleißes und schätzbare Kenntnisse“. Da lief, gerade als er Bescheid auf sein Gesuch erwartete, zu seinem Unheil bei der Regierung in Braunschweig ein Schreiben des sachsen-weimarschen Ministeriums vom 19. Juli 1833 ein, das St. auf Grund eines an seinen Studienfreund Krüger gerichteten Briefes der Theilnahme an hochverrätherischen Verbindungen bezichtigte. Es wurde eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, er selbst in Haft gesetzt, aus der er jedoch, da die Polizei günstig über ihn aussagte, und sein vertrauenswerther Vormund ihn für einen vorzüglich guten Menschen erklärte, schon am 16. August wieder entlassen wurde. Er legte sich anfangs aufs Leugnen und bestritt auf das entschiedenste, jemals einer Burschenschaft angehört zu haben. Das war aber durch die Aussagen zahlreicher Commilitonen so sonnenklar festgestellt, daß die Bundescentralbehörde in Frankfurt a. M. am 16. November 1833 glaubte, „ein nachdrückliches Verfahren gegen den Angeschuldigten St., der die klarsten Anzeigen mit strafbarer die schuldige Achtung gegen das Gericht verletzenden Frechheit ableugnete, nochmal empfehlen zu dürfen“. Aber erst am 2. October 1834 entschloß sich St. dazu, die Thatsache seiner thätigen Theilnahme an der Burschenschaft einzuräumen. Er befand sich wirklich in einer bedauernswerthen Lage; man weigerte sich, ihn zum Examen zuzulassen, bevor nicht die gegen ihn obschwebende Untersuchung erledigt sei. Als er, um nur einen festen Lebensunterhalt zu gewinnen, die advocatorische Laufbahn einschlagen wollte und mit Hinweis auf seine böse pecuniäre Lage am 17. Mai 1834 um Zulassung zur Advocatenprüfung gebeten hatte, ward ihm auch dieses abgeschlagen, worauf er sogleich eine Bitte um Beschleunigung des Processess einreichte. Aber auch diese wurde nicht erfüllt; erst unterm 11. September 1837 wurde das Urtheil des herzoglichen Landesgerichts gefällt, das auf 11/4jährigen festungsmäßigen Arrest lautete. Das Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung, das St. anwandte, hat seine Lage nicht gebessert; das Erkenntniß des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts vom 4. Mai 1838 bestätigte das Urtheil des Landgerichts. Ebenso wenig nützte sein Gnadengesuch, das unterm 31. August 1838 abschlägig beschieden wurde; nur die Untersuchungskosten wurden bei der Mittellosigkeit Steger’s – sein kleines Vermögen hatte er durch das Studium und seitdem aufgezehrt – niedergeschlagen. Am 25. September 1838 hat er seine Haft angetreten. Als er dann Ende 1839 wieder in Freiheit kam, wäre es für ihn ziemlich zwecklos gewesen, noch die juristische Prüfung zu bestehen; er hätte auf Anstellung schwerlich rechnen können, mußte zunächst vor allem an die Gewinnung des Lebensunterhalts denken. Schon früher wird ihn die Sorge um ihn zur Schriftstellerei geführt haben; ein herbes Geschick hat ihn so auf Grund unbedachter, keineswegs bösartiger Jugendstreiche herausgerissen aus der Lebensbahn, die er einzuschlagen sich vorgenommen hatte.

Schon im Jahre 1837 erschienen von ihm einige Uebersetzungen aus dem Französischen und Englischen, wie „Vertrauliche Mittheilungen über die Männer und Ereignisse des alten Regime’s“ (4 Thle.), Cooper’s [455] „Erinnerungen aus Europa“ (2 Thle.), Thom. Skinner’s „Streifereien in Ostindien“ und die „Memoiren der Herzogin von Nevers“ (2 Thle.), die er in Gemeinschaft mit Ed. Brinckmeier herausgab. Das Jahr 1838 brachte: Cooper’s „Wanderungen in Italien“ (2 Thle.) und Soulié’s Roman „Der Graf von Beziers“ (2 Thle.); 1839: den englischen Roman „Die einzige Tochter“ und das „Album der Nationen in 12 Lebensbildern“. Im J. 1840 erschien dann noch eine Uebersetzung aus dem Englischen, „Die Gouvernante“ der Gräfin Blessington (2 Thle.), und der erste und einzige selbständige Roman von ihm „Die Reise in das Leben“. Seit Juli dieses Jahres gab er dann auch die „Braunschweigische Morgenzeitung“ heraus, die er anscheinend nur bis zum 28. Februar 1841 (Nr. 32) fortführte, vermuthlich, weil er um diese Zeit seine Vaterstadt verließ und nach Leipzig übersiedelte. Hier gelang es ihm bald, in schriftstellerischen Kreisen eine geachtete Stellung sich zu erwerben. Er hatte aus der Noth eine Tugend gemacht, als er den Beruf eines Schriftstellers ergriff, und er war zunächst gezwungen gewesen, litterarische Productionen, bei denen er auf Absatz und Verdienst rechnen konnte, schnell fertig zu stellen, zunächst durch Uebersetzung oder Bearbeitung fremdsprachlicher Werke. Verlor seine schriftstellerische Thätigkeit auch in Zukunft den Charakter einer etwas bunten Vielseitigkeit nicht und ging sie deshalb zu sehr in das Weite, um in gründlicher Bearbeitung bestimmter Stoffe in große Tiefe dringen zu können, so hat er doch später vorwiegend geschichtlichen Stoffen sich zugewandt, die er für einen größeren Kreis gebildeter Leser faßlich und angenehm darzustellen suchte. Noch in Braunschweig begonnen hat er jedenfalls sein erst 1843 im Druck vollendetes Werk „Haus der Welfen“, das eine zweite, großentheils umgestaltete Auflage von Görges’ „Gallerie von Portraits der berühmten Herzöge von Braunschweig-Lüneburg“ bildet, „nicht für das gelehrte Publicum“, sondern „für den gebildeten Mittelstand der beiden Welfenländer“ bestimmt ist. Noch in demselben Jahre begann seine „Allgemeine Weltgeschichte für das deutsche Volk“ zu erscheinen, von der dann bald eine neue Ausgabe in drei Bänden folgte. Ein paar ganz volksthümlich und freisinnig gehaltene Schriften gab er zusammen mit Robert Blum heraus, drei Jahrgänge eines Volkstaschenbuches „Vorwärts“ (1843–45) und „Der Verfassungsfreund. Volksschriften über staatsbürgerliche Angelegenheiten“, wofür er die ersten beiden Bändchen „Das Verfassungswesen oder das constitutionelle Princip“ und „über Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im deutschen Strafverfahren“ verfaßte. Ihnen folgten dann in den folgenden Jahren „Der Feldzug von 1812“ (1845), Geschichte Napoleon’s (1846–47), drei Bücher neuester Geschichte (1851), Geschichte Franz Sforza’s (1853) u. a., daneben auch in Gemeinschaft mit J. A. Romberg eine Geschichte der Baukunst, von der aber nur der erste, die älteste orientalische Zeit behandelnde Band 1844 erschien.

Inzwischen hatte er sich durch sein Wirken so bekannt gemacht und so großes Zutrauen erworben, daß man ihm auch die Leitung großer litterarischer Unternehmungen übertrug. Vom Jahre 1845 an hat er in einer Wochenschrift, von einem Verein von Gelehrten, Künstlern und Fachmännnern unterstützt, „Ergänzungsblätter zu allen Conversationslexiken“ herausgegeben, die in 14 Bänden bis zum Jahre 1859 reichten. Daran schlossen sich in gleichem Sinne von St. geleitet „Unsere Tage“, die in Braunschweig herauskamen und in acht Bänden die Jahre 1859–67 umfaßten. Zu gleicher Zeit, vielleicht schon seit 1859, redigirte er die „Europa. Chronik der gebildeten Welt“, eine Arbeit, die er bis zu seinem Tode fortführte. Zuletzt hat er auch für Weber’s „Illustrirte Zeitung“ wöchentlich die politische Rundschau geliefert. [456] Diese umfassende Redactionsthätigkeit und stehende Arbeit ließen ihn zu größeren selbständigen Werken nur wenig noch kommen. Er veröffentlichte 1860 mit deutlich erkennbarer Tendenz noch eine geschichtliche Arbeit: „1792 bis 1813 oder die letzten Jahre des deutschen Reiches und seine Zertrümmerung durch Frankreich. Ein Bild der Vergangenheit als Spiegel für Gegenwart und Zukunft“ und schon im J. 1870 ließ er erscheinen „Das Elsaß mit Deutsch-Lothringen. Land und Leute, Ortsbeschreibung, Geschichte und Sage“. Er hat zuletzt dann wieder von ein paar fremden Werken deutsche Ausgaben veranstaltet, von William Gilbert’s „Lucrezia Borgia“ (1870) und von Samuel Smiles’ „Der Charakter“ (1872; 2. Aufl. 1874). Im J. 1848 hatte St. Leipzig verlassen und in Meißen seinen Wohnsitz aufgeschlagen, aber nach einem Jahrzehnt (1858) kehrte er wieder nach Leipzig zurück. Hier ist er am 30. December 1874 an einem plötzlichen Ruhranfalle gestorben.