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ADB:Stolberg, Heinrich Graf zu (1467 bis 1508)

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Artikel „Stolberg, Heinrich der Jüngere, Graf zu“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 333–335, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stolberg,_Heinrich_Graf_zu_(1467_bis_1508)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 22:55 Uhr UTC)
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Stolberg: Heinrich der Jüngere, Graf zu St. und Wernigerode, geboren am 4. Januar 1467, † als Statthalter von Westfriesland am 16. December 1508 zu Köln. Als der ältere von zwei Zwillingssöhnen Graf Heinrich’s des Aelteren und seiner Gemahlin Mechtild, geb. Gräfin von Mansfeld, hatte Graf H. d. J. die nächste Aussicht, des Vaters Nachfolger im Regiment zu werden und genoß deshalb, wie sich aus der erworbenen Geschäftstüchtigkeit ergibt, eine sorgfältige Vorbildung. Genaueres wissen wir aber darüber nicht, wenn wir auch Grund haben, anzunehmen, daß er diese Ausbildung besonders am sächsischen Hofe erhielt, zu welchem wir ihn schon 1489, dann besonders seit 1491 in Beziehung sehen. Aber auch in den stolbergischen Landen sehen wir ihn schon seit dem ersteren Jahre an Regierungshandlungen theilnehmen. Ende 1497 wird ihm sogar unter schwierigen Verhältnissen das stolbergische Regiment auf drei Jahre übertragen, dann am 11. Dec. 1499 auf vier Jahre zugleich mit seinem Bruder Botho (s. o. S. 327). Dieser Aufgabe unterzog er sich mit großem Eifer; es ist dabei aber auch die zarte Rücksichtsnahme auf Vater und Bruder zu bemerken. Mehr hervortretend ist aber seine Wirksamkeit für das Haus Sachsen, dem er seine ganze Lebensthätigkeit widmete, allermeist dem Herzoge Georg. Hierbei sehen wir ihn nicht nur an den Hof gefesselt, demselben nach Dresden, Leipzig, Torgau, Naumburg oder auf Zügen nach Ungarn, Preußen (1498), nach dem gelobten Lande (Frühjahr bis Sommer 1493), mit Vater und Bruder nach Mastricht (1499) folgen, sondern auch als Unterhändler, Zeugen oder Vertreter in allerlei Geschäften thätig. Aber nicht diese ihn von einem Ort zum andern ziehende mannichfache Wirksamkeit würde seinen Namen zu einem geschichtlich [334] denkwürdigen gemacht haben, wenn ihm nicht eine selbständige Aufgabe zugefallen wäre. Bekanntlich hatte sich Kaiser Maximilian veranlaßt gesehen, dem Herzoge Albrecht dem Beherzten von Sachsen für seine Bemühungen bei Bezwingung von Friesland und wegen geleisteter Vorschüsse dieses Land als Gubernator zu überlassen; aber alle aufgewandten Mittel und siegreichen Kämpfe hatten im Lande es zu keinem sicheren Regimente kommen lassen. Da entschloß sich Herzog Albrecht, den Grafen Heinrich zu St., dessen Tüchtigkeit er erkannt und den er im Juli 1504 auch schon auf friesischem Boden zu Apingadam an seiner Seite gehabt hatte, zu seinem Statthalter in Friesland zu ernennen, um das Land mit einer guten Regierung zu versehen. Dies geschah am 14. April 1506. Als er dort mit anderen sächsischen Bevollmächtigten ankam, überließ er dem Grafen Edzard bis zu näherer Entscheidung die Regierung in dem von ihm bezwungenen Groningen und Ommelanden bis zur Ems unter gewissen Bedingungen, er selbst aber wurde am 6. Juli 1506 auf einem Landtage zu Leeuwarden durch den Obermarschall Heinrich v. Schleinitz feierlich an die Stelle der abtretenden sechs Regenten als herzoglicher Regent oder Statthalter des Landes zwischen Vlie und Lauwer (Westfriesland) verkündet, was auf einem neuen Tage zu Adwerd bald darnach erneuert wurde.

Sobald dem Grafen sein bestimmter Wirkungskreis angewiesen war, bemühte er sich, hier den Frieden herzustellen, was ihm auch bei dem großen Vertrauen, das er sich von Anfang an zu gewinnen wußte, in überraschender Weise gelang. Sein Bestreben war auf die Hebung der wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes ebenso wie auf eine einheitliche geordnete Verwaltung und ganz besonders auf eine unparteiische gerechte Rechtspflege gerichtet. In ersterer Beziehung nahm er sofort mit allem Eifer die Herstellung der Hauptverkehrsader des Landes, des Wasserweges zwischen Harlingen, Franeker, Leeuwarden und Groningen, in die Hand. Schon 1456 war das Werk geplant, aber wegen Uneinigkeit liegen geblieben. Er aber wußte die thatkräftigen Leute zu vereinigen und kleine Anstände zu beseitigen. Im J. 1507 waren die Arbeiten in geregeltem Gange. Betrafen Bestimmungen über Salzkauf und -Maaß noch die materielle Frage, so konnten sich doch die besten und innerlichen Eigenschaften des Grafen erst reicher entfalten in dem Erlaß und der Durchführung einer neuen Landes- und Gerichtsordnung. Auch hier schloß er sich an eine vorhandene Ordnung an und war nur bestrebt, die Mängel derselben abzuschaffen, besonders aber dahin zu wirken, daß keine Klagen über die mangelhafte Ausführung bestehender Satzungen mehr nöthig seien. Er ließ daher die Leute zu Worte kommen und sich gewissenhaft über bestehende Mißstände unterrichten. Es wird berichtet, daß er Bevollmächtigte ins Land geschickt habe, um sich über etwa vorkommende Bedrückungen Kenntniß zu verschaffen. In seiner neuen Landesordnung werden nun die Gerichtsleute an ihre Pflicht erinnert, Armen wie Reichen gutes Recht zu gewähren, die Unterthanen von den Beschwerungen durch die Säumigkeit des geistlichen Gerichts zu befreien, keine Gerichtskosten zu eigenem Vortheil festzusetzen, die Strafen öffentlich bekannt zu machen, niemals die Parteien selbst als Zeugen zum Beweise zuzulassen. Ferner sollen alle Unordnungen in der Proceßführung, über die sehr geklagt werde, abgeschafft und soll darauf gesehen werden, daß namentlich nicht von den Priestern nach den bisherigen alten Satzungen den Leuten Strafen auferlegt werden; die Unmündigen sollen überall Vormünder erhalten, die Todtschläger möglichst schnell zur Strafe gezogen werden. Der Instanzengang beim Gericht wurde geregelt. Freudig begrüßt wurde gewiß auch die Bestimmung, daß bei Unglücksfällen durch Wasser für schleunige Hülfe gesorgt und für eine gerechte Vertheilung der Abgaben Sorge getroffen werden solle. Des Grafen eigenes Thun und Beispiel [335] verlieh solchen heilsamen Bestimmungen Werth und Nachdruck. So geschah es denn, daß nach kaum zwei Jahren das den Friesen bis dahin verhaßte sächsische Regiment von dem Volke als ein Segen empfunden wurde und Graf Heinrich zu St. sein Liebling geworden war. Von dem gleichzeitigen Jancko Douwama an, den man für einen geworbenen Lobredner halten könnte, wenn seine Angaben nicht zu bestimmte und mit anderen Zeugnissen übereinstimmende wären, sind alle friesischen Schriftsteller einig in dem Lobe des Grafen, der als ein aufrichtiger Christ, der Gott, seine Pflicht und das Land lieb hatte, anerkannt, dessen Lindigkeit und unparteiische Gerechtigkeit gerühmt wird. Auch Herzog Georg wußte, was er an dem Statthalter besessen und bekannte bald nach seinem Ableben, daß durch sein Ausscheiden des Herzogs Regiment in Friesland ’etzlichermaßen zerrüttet‘. Er stiftete Seelenmessen für den Dahingeschiedenen und setzte aus Dankbarkeit seinen Erben eine ansehnliche Summe aus. Schon kurz vor Pfingsten 1508 war nämlich der Graf kränklich nach dem Harz zurückgekehrt, hatte dort Schlackenbäder genommen und sich dann im August nach Bad Ems begeben. Zu Köln am Rhein, wo er um Michaelis ferner ärztliche Hülfe suchte, verschied er am 16. December und wurde am 4. Januar 1509 in der Familiengruft zu Stolberg beigesetzt.

Botho, Graf zu Stolberg-Wernigerode, Gesch. des Hauses Stolberg vom Jahre 1210 bis zum Jahre 1511, herausgeg. von G. A. v. Mülverstedt. Magdeb. 1883. S. 503–537.