ADB:Stosch, Friedrich Wilhelm

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Artikel „Stosch, Friedrich Wilhelm“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 463, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stosch,_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:38 Uhr UTC)
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Stosch: Friedrich Wilhelm (nicht „Johann Friedrich", wie Jöcher fälschlich schreibt) St., angeblich „Socinianer“, thatsächlich spinozistischer Pantheist gegen Ende des 17. Jahrhunderts Aeltester Sohn des 1686 verstorbenen brandenburgischen Hofpredigers Bartholomäus St., begegnet uns dieser St. in Berlin als kurfürstlicher Secretär und Hofrath, bis er auf Grund der von seiten der protestantischen Geistlichkeit gegen ihn erhobenen Anklagen in Ungnade fiel. Dies geschah wegen eines von ihm verfaßten Buches, das seinem Namen in der Litteraturgeschichte des 17. Jahrhunderts eine gewisse Bedeutung sichert. Es führt den anonymen Titel „Concordia rationis et fidei sive Harmonia philosophiae moralis et religionis christianae“ 1692, angeblich in Amsterdam, in Wahrheit aber in Guben gedruckt. St. leugnet darin den Unterschied Gottes und der Natur, nimmt also die Einheit beider an und steht auf dem spinozistischen Substanzbegriff, wie denn das ganze Buch eine starke Einwirkung der spinozistischen Ethik zeigt. (Auszug daraus bei Hettner, Litteraturgesch. des 18. Jahrh. III, 47.) Die Seele des Menschen wurde materialistisch erklärt, die Wissensfreiheit durch Determinismus aufgehoben und die christliche Religion mit dem Naturgesetz identificirt. Das Erscheinen eines solchen Buches machte in Deutschland, wo damals die Orthodoxie noch ungebrochen herrschte, ungeheures Aufsehen. 1694 am 9. Januar wurde auf allen Kanzeln in Berlin verkündigt, daß, wer ein Exemplar davon bei sich hätte, es bei Strafe von 500 Thalern oder entsprechender harter Leibesstrafe abliefern solle, und eine Commission unter dem Vorsitz Ezechiel Spanheim’s (s. A. D. B. XXXV, 50) wurde eingesetzt, welche über den inzwischen bekannt gewordenen Verfasser aburtheilen sollte. Vor ihr zur Rede gestellt, soll St., der sich vorher obstinat betragen, seinen Verweis hingenommen und öffentlich Abbitte gethan haben. Räthselhaft bleibt dabei, wenn das richtig ist, der Umstand, daß St., sammt seinem Bruder Wilh. Heinrich St., 1701 bei der Krönung in Königsberg wieder als Hofrath fungirte und sogar mit ihm in den Adelstand erhoben wurde, so daß sie wol die Stammväter der heutigen adeligen Familie St. sind.

Vgl. Tentzel, Monatliche Unterredungen 1694, 355 ff. – Hettner, Litteraturgesch. des 18. Jahrh. Ill, 47. – Rasmus (Eduard), Beiträge zur Märkischen Gelehrtengeschichte (Sep.-Abdr. aus d. Mittheilungen des histor.-statist. Vereins). Frankfurt a. O. 1867, 11 ff.