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ADB:Swinthila

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Artikel „Swinthila, Westgothenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 272–274, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Swinthila&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:22 Uhr UTC)
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Swinthila: Westgothenkönig (621–631). Der tüchtige König Sisibut (612–621) (s. A. D. B. XXXIV, 418) hatte schon bei Lebzeiten die Wahl seines Sohnes Rekared II. zu seinem Nachfolger zu sichern vermocht: als dieser aber bereits zwei Monate nach seinem Regierungsantritt starb (16. April 621), ward S. gewählt, der unter Sisibut sich als Feldherr gegen die Aufständischen in Asturien und in den baskischen Grenzlanden wacker bewährt hatte. Er wies auch als König zunächst einen Versuch der Basken zurück, in das tarraconische Spanien vorzudringen: er überraschte sie in den Felsenpässen (von Alava und Rioja?) so plötzlich mit seinem Heere, daß diese „bergdurchschweifenden Stämme“ sich ohne Widerstand unterwarfen, Geiseln stellten und sich verpflichteten, selbst mit zu bauen an einer vom König geplanten Veste Oligitum, die vor allem bestimmt war, gerade gegen die Basken die Grenze zu sichern. Den größten Ruhm aber erwarb sich S. dadurch, daß er die Halbinsel völlig von den Byzantinern säuberte, die unter Justinian, von den katholischen Bischöfen und deren Günstling Athanagild ins Land gerufen, sich achtzig Jahre lang in den Küstenfestungen behauptet hatten. Sisibut hatte freilich schon einen großen Theil dieser Vesten bezwungen: aber S. vollendete nun das Werk: mit der an ihm gerühmten Raschheit überfiel er die Byzantiner, schlug sie in offener Feldschlacht, nahm den einen Patricius gefangen, gewann den zweiten für sich und bedrängte nun die führerlosen Besatzungen in ihren letzten Vesten in Algarbien der Art, daß sie endlich das Land räumten und sich einschifften: erst jetzt war es erreicht, daß ganz Spanien und Portugal unter gothischer Herrschaft stand. Vielfach erinnert S. an König Leovigild (s. A. D. B. XVIII, 406), den Gewaltigen, der zuerst Portugal (das Suebenreich) den Gothen erworben hatte: auch S. – „der Vater der Armen“ hieß er im Volk – nahm sich der Kleinbauern, der geringeren Freien gegen die verderblich anschwellende wirthschaftliche und politische Uebergewalt der weltlichen und zumal der den Staat bereits beherrschenden geistlichen Großen an. Sehr verständigermaßen trachtete der König auch danach, wenn nicht die Krone grundsätzlich erblich zu machen, doch die bei der nächsten Thronerledigung zu erwartenden Kämpfe um die Krone – bildeten sie doch die Regel! – dadurch zu verhüten, daß er (wie Sisibut und Leovigild) schon jetzt seinen Sohn Rikimer als seinen Mitkönig und dereinstigen Nachfolger [273] anerkennen ließ. Daß er dies durchzusetzen vermochte, verdankte er wol nur dem Glanz seiner Kriegsthaten: denn der geistliche und der weltliche Adel vertheidigten das so staatsverderbliche Wahlwesen als die wichtigste Schanze ihrer herrschenden Stellung im Reiche. Vielleicht erbitterte gerade dieser Erfolg die beiden übermächtigen Stände noch schärfer gegen den König. Daß er den Bischöfen, die diesen Staat seit Rekared I. beherrscht und zu Grunde gerichtet haben, so daß er dem ersten Anfall maurischer Räuber nach Einer verlorenen Schlacht erliegen mußte, nicht geneigt war, erhellt daraus, daß er in den zehn Jahren seiner Regierung auch nicht einmal eine Kirchenversammlung berief (deren jährlichen Zusammentritt zahlreiche Concilienschlüsse verlangt hatten), diese gefährlichen Heeresmusterungen der Geistlichkeit, die schon durch die bloße Zurschaustellung der Macht der Bischöfe diese jedes Mal erhöhten. Gegenüber den beiden herrschenden Ständen zusammen – den Bischöfen und dem trotzigen Weltadel – gewährte das schwache westgothische Königthum nicht ausreichende Mittel des Widerstandes. Die Geistlichen, erbittert durch die allerdings gesetzwidrige Unterlassung der Berufung eines Reichsconcils, untergruben – so darf man nach vielen Vorgängen im Gothenreiche und anderwärts kecklich vermuthen – in unablässig frommem Eifer die einzige Stütze des gottlosen Königs, die Liebe und das Vertrauen des geringeren Volkes, wozu Strafen, über hochverrätherische Verschwörer verhängt, wol den Vorwand lieferten.

Für das schlechte Gewissen und die Vaterlandsliebe der verbündeten Priester und Junker – denn dieser reichsverderberische Adel verdient den Namen: er setzte seinen Trotz und Vortheil über das Wohl und das Gesetz des Staates – ist es bezeichnend, daß sie doch nicht zu hoffen wagten, den tapferen und bei den Gemeinfreien immer noch beliebten König zu stürzen, ohne Hülfe des alten Erbfeindes: – des merowingischen Frankenreichs. Vaterlandsliebe hat bei jenen beiden Ständen im Westgothenreiche gegenüber den Anforderungen der Partei eben niemals die geringste Bedeutung gehabt. Sie erkauften schamlos und ehrlos die Hülfe der Franken durch Preisgebung eines nationalen Kleinods, noch reicher an Ruhmes- als an Goldeswerth. Sisinanth (s. A. D. B. XXXVI, 421), der von dieser Partei erhobene Gegenkönig, bisher ein comes in der stets unsicheren septimanischen Landschaft des Gothenreiches, bot dem Merowingen Dagobert I. (s. A. D. B. IV. 689), dem Sohne Chlothachar’s II. und Enkel Fredigundens, als Preis für seine Waffenhülfe das edelste Stück des gothischen Staatsschatzes: jenes fünf Centner schwere Goldbecken, das dereinst Held Thorismund (s. d.), der Besieger Attila’s, von Aëtius nach dem Sieg auf den catalaunischen Feldern als Beuteantheil erzwungen hatte. Der gierige Merowing ging mit Freuden auf einen Handel ein, bei dem er in Leistung und Gegenleistung gewann und schickte zahlreiche Hülfstruppen. Sisinanth und zwei Feldherrn Dagobert’s führten die vereinten Septimanier und Franken über die Pyrenäen und, da die Verschworenen in Spanien ihnen zufielen, statt sie zu bekämpfen, gelangten sie ohne Schwertstreich bis Saragossa: hier wollte ihnen S. entgegentreten: allein die Uebermacht der Feinde und der Verrath in seinem eignen Lager waren so stark, daß Alles, auch sein eigner Bruder Gaila, von ihm abfiel und Sisinanth allgemein als König anerkannt wurde (16. April 631). Der Verrathene verschwindet, wie so mancher König dieses Reiches, der die Uebergewalt der Bischöfe nicht hatte dulden wollen, mit seinem Sohn in einem Kloster: das Vermögen seines Hauses ward eingezogen. Die versprochene Goldschüssel lieferte Sisinanth den Gesandten des Merowingen aus, doch die Gothen, den Verlust des nationalen Kleinods nicht ertragend, nahmen es mit Gewalt zurück und Dagobert mußte sich mit einer Entschädigung von 20 000 Solidi zufrieden geben (=240 000 Mark). Das nun von Sisinanth einberufene Concil bestrafte [274] den Verräther Gaila, der, wie es scheint, neuen Verrath spann, durch Einziehung seines Vermögens und befestigte den vollen Sieg des Krummstabes über die Krone; den Vorsitz führte derselbe fromme und heilige Isidor, Metropolit von Sevilla, – einer der größten Gelehrten und Lehrer des ganzen Mittelalters – der ehedem den „Vater der Armen“ bis zum Himmel erhoben hatte mit seinem Lob: jetzt fand er für den gestürzten Helden kaum Worte des Tadels genug.

Quellen und Litteratur wie unter Sisibut und Sisinanth; genauere Angaben s. Dahn, Die Könige der Germanen V (1870) S. 184–190.