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ADB:Süskind, Friedrich Gottlieb von

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Artikel „Süskind, Friedrich Gottlieb“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 184–186, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:S%C3%BCskind,_Friedrich_Gottlieb_von&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 20:43 Uhr UTC)
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Süskind: Friedrich Gottlieb S., Director des königlich württembergischen Studienraths, geboren am 17. Februar 1767 zu Neuenstadt am Kocher, wo sein Vater Johann Gottlieb S. evangelischer Geistlicher war, † am 12. November 1829 zu Stuttgart. Im sechsten Jahr verlor er seinen Vater, mit den fünf Waisen zog die Mutter, eine Tochter des Leibarztes Reuß und Enkelin Joh. Albr. Bengel’s, nach Stuttgart; die treffliche Frau erzog ihre Kinder, welchen die großväterliche Liebe die fehlende väterliche ersetzte, sehr gut, und sah sich durch die schöne Laufbahn ihres ältesten Sohnes reich belohnt für ihre mütterliche Sorge († 1811). Mit 16½ Jahren wurde der sehr gut beanlagte Knabe in das evangelische Seminar Tübingen aufgenommen (1783), nach vollendetem fünfjährigem Studium und 5/4jährigem Vicarsdienste unternahm der vielversprechende junge Mann eine größere Reise durch Deutschland (Frühjahr 1790); 10 Monate hielt er sich in Göttingen auf, wo damals mehrere Schwaben als Lehrer wirkten (Planck, Reuß, Osiander, Gmelin, Spittler); mit seinem Landsmann Stäudlin zog er dann über Helmstedt nach Berlin, und kehrte Sommers 1791, nachdem er noch Halle, Leipzig, Jena und andere Städte besucht hatte, in sein Vaterland zurück. Zweieinhalb Jahre lang versah er nun Repetentenstelle am Seminar in Tübingen, in häufigem vertrautem Umgange mit dem älteren Storr, dessen Nachfolger er einst werden sollte, und der auf seine ganze theologische Anschauungsweise großen Einfluß gewann; hierauf war er eineinhalb Jahr Stadtvicar in Stuttgart, 29. Mai 1795 wurde ihm das Diaconat in Urach übertragen, aber schon am 17. October 1798 wurde er, durch mehrere wissenschaftliche Arbeiten vortheilhaft bekannt, zum vierten Professor der Theologie in Tübingen berufen. Bis 1805 blieb er, später zum dritten Professor und Frühprediger, wie zum Superattendenten des evangelischen Seminars ernannt, in Tübingen, eine rege wissenschaftliche und Lehrthätigkeit in dieser Stellung entfaltend, ein fester Pfeiler der älteren Tübinger Schule. Seine Grundanschauungen stimmen mit denen von G. Chrn. Storr (s. d. Art.) überein; er war der Dialektiker der Schule, ausgezeichnet nicht bloß durch bedeutende Kenntnisse, sondern ebenso durch eine große Schärfe des Geistes. Seine Arbeiten und sein Streben waren überwiegend auf die apologetisch-dogmatischen Grundfragen des Christenthums gerichtet, darum lag er auch stets im Kampfe mit der Zeitphilosophie; mit Kant und Fichte setzte er sich auseinander in der Abhandlung: „Ueber das Recht der Vernunft in Ansehung der negativen Bestimmung der Offenbarung“ (Magazin für christliche Dogmatik, herausgegeben [185] von Flatt 1797), gegen Schelling vertheidigte er den Theismus (ibid. 1802, 1805 u. 1812). Doch wird nicht zu leugnen sein, daß er sich dem Einfluß der neuen Zeitströmung nicht ganz zu entziehen vermochte.

Bedeutender und nachhaltiger als seine theologische Thätigkeit war die für Kirche und Schule, nachdem er am 5. Juli 1805 nach dem Tode G. Chrn. Storr’s zu dessen Nachfolger als Oberhofprediger und Consistorialrath in Stuttgart ernannt worden war, bald darauf wurde er auch noch Feldpropst und 1807 Oberstudienrath. Die große Gebietserweiterung, welche Württemberg in jenen Jahren erhielt, die Aufhebung der altwürttembergischen Verfassung und anderes verursachten große Aenderungen in Kirche und Schule. Der scharfsinnige, ordnungsliebende, pünktliche, geschäftstüchtige Mann, kategorisch in Amt und Wissenschaft, wurde mit vielen der wichtigsten derselben betraut. Insbesondere ist die neue, mit dem 1. Januar 1809 eingeführte evangelische Liturgie sein Werk; er hatte die schwierige Aufgabe von Storr übernommen, welchen der Tod davon befreit hatte. Auf den bestimmten Befehl des gewaltthätigen Königs Friedrich sollte das pietistische Element ganz daraus fern gehalten werden; die altkirchlichen Formeln und Anschauungen wurden durch rationalistische, trockene und dem Volk oft unverständliche ersetzt. Bei der Aufregung, welche die Einführung derselben, besonders wegen der Weglassung des Teufels in der Tauf- und Confirmationsliturgie, in weiten Kreisen des Landes, hauptsächlich in den streng kirchlich gesinnten hervorrief, und bei der harten Willkür, mit welcher König Friedrich jeden Widerstand zu brechen suchte, hatte S. einen sehr schweren Stand; der gewissenhafte, unabhängige Mann, der sich bei Geschäften durch keine persönlichen Rücksichten leiten ließ, wurde von Mit- und Nachwelt oft falsch beurtheilt in dieser Angelegenheit. Sein Versuch, von dem alten Inhalt so viel als möglich zu retten, stieß bei König und Ministerium auf einen Widerstand, welcher nicht zu brechen war; so viele Censuren hatte seine Arbeit zu erfahren, daß er sie kaum mehr als die seinige anerkennen wollte. Trotz seines dringenden Verlangens war keine kirchliche Behörde befragt worden, nur die staatliche Gewalt setzte alles fest. Die Duldsamkeit, welche er gegen einzelne Geistliche übte, welche die neue Formel nicht annahmen, zog ihm einen königlichen Verweis zu, welchen er auf Immediatbefehl vor dem Gesammtministerium anhören mußte. Den Auftrag, eine neue Kinderlehre und ein neues Confirmationsbüchlein auszuarbeiten, mit welchem er betraut wurde, machten zum Glücke für ihn die Zeitverhältnisse wieder rückgängig. Im J. 1812 wurde er zum Director des neuerrichteten Oberstudienraths ernannt und damit an die Spitze des gesammten höheren Schulwesens (die Universität abgerechnet) gestellt. An der Neueinrichtung der Bildungsanstalten, besonders der evangelischen Seminare, hat er überwiegenden Antheil, und manches von dem damals eingerichteten ist noch jetzt in segensreicher Gültigkeit; wie er bei den Geistlichen die Pflege eines wissenschaftlichen Sinnes zu fördern suchte, da er selbst einen unermüdlichen Bildungsdrang hatte, so war er bei den Bildungsanstalten darauf bedacht, ihnen den Geist einer echten Humanität einzupflanzen. Noch einmal kam er mit König Friedrich in Conflict, als der König ihn am 9. August 1814 in das „ordentliche Ehegericht“ berief, welches über die Trennung der kronprinzlichen Ehe (Wilhelm von Württemberg und Charlotte Auguste von Baiern) erkennen sollte. Die beiden Gatten, im J. 1808 durch den Druck politischer Verhältnisse mit einander verbunden, hatten gemeinsam den Antrag auf Trennung gestellt, da ihre Ehe nicht vollzogen worden war, und König Friedrich wünschte aus dem gleichen Grunde die Annullirung der Ehe. In einem ausführlichen Gutachten stimmte S. nicht für Annullirung der Ehe, sondern für Scheidung, und das Ehegericht trat ihm bei. Bei einer Privatunterredung des Königs mit S. blieb der charaktervolle [186] Mann trotz der zu befürchtenden Ungnade bei seiner Ansicht, ein königliches Decret berief nun an seine Stelle den Oberhofprediger d’Autel in die Commission, worauf der königliche Wille erfüllt wurde; die königliche Ungnade hatte S. übrigens nicht zu erfahren, König Friedrich behandelte ihn stets mit Achtung. Im J. 1829 wurde S. zum k. Commissär über das neuerrichtete Katharinenstift ernannt. In unablässigem, eifrigem und segensreichem Wirken brachte S. die letzten Jahre seines Lebens zu, hohe Ordensauszeichnungen erkannten diese Thätigkeit an; streng gegen sich, war er gegen andere oft kalt, untheilnehmend und schroff; der treffliche, gediegene Kern in seinem Gemüthe vermochte die rauhe Schale nicht immer zu sprengen. Im Juli 1829 ergriff ihn ein schweres mit Erstickungsanfällen verbundenes Leiden, von welchem ihn am 12. November 1829 endlich der Tod erlöste. S. ist dreimal verheirathet gewesen; am 24. August 1795 vermählte er sich mit Friederike Louise Volz, Tochter des Amtspflegers in Balingen; 4. December 1814 starb dieselbe, worauf S. am 17. Februar 1817 eine neue Ehe einging mit Amalie Knapp, Tochter des Regierungsraths in Stuttgart, die ihm aber schon am 18. Februar 1818 wieder entrissen wurde; am 6. Juli 1824 heirathete er Wilhelmine Nast, Tochter des Finanzraths; von den 11 Kindern, welche ihm die beiden ersten Frauen geschenkt hatten, überlebten 10 den Vater. – Von seinen Schriften gibt die Broschüre: Zum Andenken an Fr. G. v. Süskind, Stuttgart 1829, S. 19 ein Verzeichniß; es sind meistens Abhandlungen dogmatischen (z. B. Wunder, Offenbarung, Göttlichkeit der Lehre Jesu, Messias, Aufhebung der Sündenstrafen), dogmengeschichtlichen (Opfer des Abendmahls) und exegetischen Inhalts (Aechtheit des Johannesevangeliums, Widersprüche im Evangelium Johannis, über Römer 5, 12), aber auch philosophischen (Prüfung der Schelling’schen Lehre von Gott) Inhalts finden sich; sie stehen im: Magazin für christliche Dogmatik und Moral von J. F. Flatt (von St. 9 an war S. Herausgeber) St. 1. 2. 3. 4. 6. 7. 9. 10. 11. 12. 13. 16. 17; andere im Archiv für Theologie von Bengel, 1 u. 7; nach Süskind’s Tode erschienen: „Vermischte Aufsätze meist theologischen Inhalts“, herausgegeben von seinem Sohne. Stuttgart 1831; der bedeutendste darunter ist der über Schleiermacher; „Predigten auf alle Sonn- und Festtage.“ Ludwigsburg 1844; noch ist zu erwähnen die Schrift: „Ueber die Pestalozzi’sche Methode und ihre Einführung in die Volksschulen.“ Stuttgart 1810. Recensionen von ihm enthalten die Allgemeine (Halle’sche) Litteraturzeitung, die Tübinger gelehrten Anzeigen und die oben erwähnten Zeitschriften.

Quellen, außer der angeführten Broschüre, der Nekrolog (von Prälat Flatt) „ Schwäbischer Mercur 1829, Chronik S. 641. – Athenäum berühmter Gelehrter Württembergs, 1830, IV, 109. – Hesperus 1829, Nr. 282. – Realencyklopädie für protest. Theologie u. Kirche (Landerer-Wagenmann) I, 16, S. 285 ff.; II, 16, S. 67. – Weizsäcker, Lehrer und Unterricht an der evangel. theolog. Facultät in Tübingen, 1877, S. 133. – Landerer, Neueste Dogmengeschichte 1881. – Pahl, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Tübingen 1840. – Württembergische Kirchengeschichte S. 545. 568. 591. Stuttgart 1893. – Schriftliche autograph. Mittheilungen von der Familie.