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ADB:Treutler, Hieronymus

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Artikel „Treutler, Hieronymus“ von Hermann Markgraf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 585–587, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Treutler,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 17:34 Uhr UTC)
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Treutler: Hieronymus T., geboren am 14. Februar 1565, † am 9. December 1607, berühmter Rechtslehrer, stammte aus Schweidnitz in Schlesien und war der Sohn eines unbemittelten Schneiders. Er studirte in Straßburg Philologie und Jurisprudenz. Er brachte einen Geist von scharfer Reflexionsgabe und methodischem Ordnungssinn zu den Studien mit und wurde schon in jungen Jahren ein einflußreicher Lehrer und Verbreiter der Ramistischen Dialektik, sowohl im Gebiete der Rhetorik selbst wie auch der Jurisprudenz. Sein schlesischer Landsmann Nic. Reusner, den er als seinen Straßburger Lehrer preist, führte ihn in diese Richtung zur methodischen Darstellung ein, die die Jurisprudenz aus den Fesseln der Scholastik befreite. Er entwickelte früh eine große Productivität. Seine ersten litterarischen Erzeugnisse fielen der Sitte gemäß in das Gebiet der lateinischen Poesie, es sind die im October 1585 und Januar 1586 in den feierlichen Versammlungen der Universität von ihm als Student vorgetragenen Dichtungen über die „Strenae magorum“ und die „Sacrosancti angeli“ (Argent. 1585, 1586). Er begegnete sich dabei mit seinem oberschlesischen Landsmann Salomon Frenzel, den bereits der Dichterlorbeer schmückte. Ihn lockte der letztere indeß nicht, obwohl einige weitere Gedichte in Gruter’s Deliciae poetarum Germanorum VI, 379 ff. von seiner poetischen Kunst Zeugniß ablegen. Nachdem er die Magisterwürde erlangt hatte, nahm er 1588 eine Lehrerstelle an dem mit der Universität verbundenen Pädagogium in Marburg an. Rector desselben war wieder ein schlesischer Landsmann, Johannes Ferinarius, einer der späteren Schüler Melanchthon’s, wegen seiner calvinistischen Neigungen viel im Leben herumgeworfen, in Marburg endlich im ruhigen Hafen gelandet. T. trat ihm alsbald nahe und führte noch 1588 seine Tochter Magdalena heim. Er erhielt im nächsten Jahre die Professur der Rhetorik an dem aufblühenden akademischen Gymnasium in Herborn und verfaßte zum Eintritt in dieselbe eine kurze Uebersicht der Ramistischen Dialektik, die eine Reihe von Auflagen erlebte („Rudimenta dialecticae P. Rami breviter collecta“, zuerst Herborn 1589). Nach dem Hefte eines seiner dortigen Schüler wurde später ohne sein Wissen seine „Isagoge sive thesaurus eloquentiae“ (Lich. 1602) gedruckt. Großmüthig widmeten dem bereits in der Ferne weilenden Verfasser die Buchhändler Kezel und Nebenius sein Werk. Wie er in Herborn die Rhetorik pflegte, bekunden ferner das „Exercitium eloquentiae de studio literarum, quatenus futuro principi sit tum necessarium tum utile“ (Marp. 1591), das fünf von seinen vornehmsten Schülern vorgetragene Reden enthält. In gleicher Eigenschaft als Professor der Rhetorik und Nachfolger des in die juristische Facultät übertretenden Phil. Matthaeus an die Universität Marburg berufen, eröffnete er hier seine Thätigkeit am 30. Mai 1591 mit einer Rede „De eloquentiae laudibus“ (Marp. 1592). Ein schönes Denkmal seiner Dankbarkeit gegen das hessische Fürstenhaus ist seine Rede auf den am 25. August 1592 verstorbenen Landgrafen Wilhelm, der im Druck (Marp. 1592) noch eine „Oratio de origine, fine et usu strenarum“ angehängt ist. Schon am 29. Januar 1590 war er in Marburg von Nic. Vigelius zum Dr. jur. utr. promovirt worden und fing nun, obwohl nicht der juristischen Facultät angehörig, an privatim über Civilrecht zu lesen und namentlich Disputationsübungen darüber abzuhalten. Hierbei hatte er solchen Erfolg, daß er schon 1592 und 1593 je einen Band „Selectae disputationes [586] ad jus civile Justinianeum quinquaginta libris pandectarum comprehensum“ herausgeben konnte, die zusammen 69 solcher Disputationen enthalten. Die Namen der Respondenten sind angegeben. Stintzing weist in der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft (I, 136, 466) ausführlicher nach, wie damals gerade in Marburg sich die Collegien zu Disputationsübungen entwickelten, und welche Bedeutung die Treutler’sche Sammlung erlangte. T. ließ nicht mehr über die Quellentexte selbst, sondern über Lehrsätze, die er so zusammengestellt hatte, daß sie in ihrer Anordnung wesentlich der Reihenfolge der Pandektentitel entsprachen, seine Schüler disputiren. Indem die Lehrsätze sich systematisch aneinander knüpften und somit die Lehre der Pandekten als ein Ganzes zur Darstellung brachten, dazu in den Anmerkungen Erläuterungen, Belegstellen, Controversen und Litteraturnachweise gegeben wurden, gestaltete sich die Sammlung zu einem Compendium der Pandekten, dessen Vorzug in der planmäßigen Anlage, dem kurz gefaßten Texte und dem in den Anmerkungen gegebenen Beweismaterial bestand. Ein eigenes System bot T. in der Sammlung nicht, sie war aber als Lehrbuch so brauchbar, daß sie fast ein Jahrhundert lang (noch 1688) neu aufgelegt wurde und den Anstoß zu einer eigenen commentirenden Litteratur gab. Es war ein glücklicher Griff eines jungen Mannes, der eine neue Lehrrichtung mit Geist und Kraft erfaßt hatte. Um so auffallender erscheint es, daß T. schon am 1. Januar 1594 nicht nur aus Marburg, sondern auch aus dem Lehramte schied, um einem Rufe als Syndikus der Stadt Bautzen in der Oberlausitz zu folgen. Wahrscheinlich hängt sein Weggang mit dem Aergerniß zusammen, das Nic. Vigelius, der ihn vor wenig Jahren promovirt hatte, durch sein 1593 gegen die neue Richtung in der Marburger Facultät losgelassenes Pamphlet Examen jurisconsultorum, o. O. (s. Stintzing 440, ein Exemplar auch in Breslau) veranlaßte, wenn dasselbe T. auch nicht persönlich nennt. Auch im praktischen Dienst zeigte er sich vortrefflich; wurde am 22. Aug. 1595 von Kaiser Rudolf zum ersten Kammerprocurator der Oberlausitz, später auch der Niederlausitz ernannt, wurde kaiserlicher Rath und erlangte den Adel mit dem Prädicat „von Kroschwitz“ (nach Schimon, der Adel von Böhmen etc. datirt das Diplom für ihn und seinen Vetter erst vom 30. Juli 1603, doch erscheint Stanislaus T. von Kroschwitz schon in den Gedichten auf den Tod seines Sohnes, † am 22. November 1602, mit diesem Adelstitel). Der ihm von den Lausitzern gemachte Vorwurf, er habe sich nicht gerade als Freund der Städte bewiesen, ist begreiflich, da er als Kammerprocurator eben fiscalische Interessen zu vertreten hatte. Er starb schon im 43. Lebensjahre zu Bautzen. am 9. December 1607. Die Grabschrift, die er sich selbst entworfen hat, zeugt von lebendigem Gottesglauben. Seine Gattin folgte ihm schon am 1. Juni 1608 nach. Zwei Söhne und eine Tochter betrauerten die früh gestorbenen Eltern. – Von T. erschienen nach seinem Weggange aus Marburg bei Lebzeiten nur noch „Analecta librorum IV Institutionum methodo Ramea conscripta“ (Marp. oder Francof. 1597 und 1601, Stintzing hat irrthümlich 1577). Nach seinem Tode wurden noch gedruckt „Annotationes aureae in jurisprudentiam Romanam Herm. Vulteji“ (Cass. 1612) und „Processus judiciarius s. ad lib. II jurisprudentiae Herm. Vulteji Notae“ (Francof. 1615). Seine „Consilia“ gab mit denen seines Nachfolgers im Bautzener Syndikat, Andreas Schöps, Joh. Bütner (Francof. 1625) heraus. Diese Schriften sind von untergeordnetem Werth und nur auf seinen berühmten Namen hin aus Speculation gedruckt. Mit Witz charakterisirt ihn und seine Thätigkeit Joh. Cunradi in der Silesia togata in dem Distichon:

Disputo jus, logicam meditor, metra culta figuro
Et fiscum tueor, Dive Rudolphe, tuum.
[587] Außer den Werken, die in Breslau zahlreich vorliegen, und Stintzing a. a. O. vgl. G. F. Otto, Lexikon der oberlausitzischen Schriftsteller und die dort angegebene Litteratur, ferner Mart. Hanke, Vitae Silesiorum eruditorum, Hdschr. der Bresl. Stadtbibliothek. – Catalogus … scholae Marpurgensis.