Zum Inhalt springen

ADB:Vincent, Karl Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vincent, Karl Freiherr von“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 732–734, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vincent,_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 20:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Vincentius, Caspar
Band 39 (1895), S. 732–734 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Mai 2018, suchen)
Karl von Vincent in Wikidata
GND-Nummer 139078819
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|39|732|734|Vincent, Karl Freiherr von|Hanns Schlitter|ADB:Vincent, Karl Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139078819}}    

Vincent: Karl Freiherr v. V. wurde im J. 1757 zu Florenz geboren und trat am 17. April 1773 in die kaiserliche Armee. Am 15. Juni 1778 avancirte er zum Oberlieutenant, 1787 zum Rittmeister. Von 1789–1790 in den Niederlanden thätig erhielt er für eine gegen die dortigen Aufständischen am 18. Mai 1790 vollbrachte glänzende Waffenthat am 5. December dieses Jahres das Ritterkreuz des Maria-Theresienordens. Von 1792 an stand er im Felde gegen Frankreich und wurde am 8. Mai 1794 zum Major und zum Flügeladjutanten bei dem neuen Generalquartiermeister Fürsten von Waldeck ernannt. In gleicher Eigenschaft dem Grafen Clerfayt und später Wurmser zugetheilt folgte er diesem nach Italien, nachdem er sich in der Zwischenzeit am 29. Oct. 1795 vor Mannheim bei Einnahme des Galgenforts neuerdings in rühmlicher Weise hervorgethan hatte. Nach dem Entsatze von Mantua wurde V. mit der betreffenden Meldung an den Kaiser nach Wien gesendet. Im J. 1796 wurde er zum Oberstlieutenant und Generaladjutanten des Monarchen ernannt, da dieser in ihm einen ebenso tapferen als begabten Officier erkannte. Im December ging er in geheimer Mission nach Vicenza, um mit General Clarke, dem spätern Herzog von Feltre, und Bonaparte über einen eventuellen Friedensschluß zu unterhandeln. Von dieser Mission war nur der österreichische Feldmarschall Josef Freiherr v. Alvinczy unterrichtet, dem Franz II. V. empfohlen hatte. Am 11. April 1797 wurde V. bevollmächtigt, in Gemeinschaft mit dem kaiserlichen General Grafen Merveldt (s. A. D. B. XXI, 476) und Marquis Gallo die Friedenspräliminarien und einen Waffenstillstand mit Bonaparte und Clarke auf Schloß Eggenwald bei Leoben zu unterzeichnen.

1797 zum Obersten ernannt, wurde V. das Jahr darauf nach Wien in die Commission berufen, der es oblag, ein neues Reglement für die Armee zu entwerfen. Im September aber wurde er den russischen Hülfstruppen entgegengeschickt, damit er ihren Marsch durch die kaiserlichen Staaten regle. Am 28. October 1800 avancirte er zum Generalmajor und wurde bei Ausbruch des Krieges auf sein Ersuchen der Armee zugetheilt. Er erhielt eine Brigade, die bei Vicenza stand. Als nach der Schlacht bei Cadiero am 30. October 1805 die kaiserliche Armee den Rückzug antreten mußte, führte er das wichtige Commando über die Arrièregarde. Es galt nämlich, die Vereinigung des Erzherzogs Karl, der aus Italien zurückkehrte, mit dem Erzherzog Johann zu bewerkstelligen, dessen Truppen im Begriffe standen, Tirol zu verlassen. V. löste diese schwierige Aufgabe in glänzender Weise. Das Jahr 1806 brachte eine entschiedene Wendung in seiner Laufbahn; war V. bisher, wenn auch nur bei außerordentlichen Gelegenheiten in diplomatischer Mission verwendet worden, so sollte er fortan nur auf diesem Gebiete dem Staate seine Dienste widmen.

Nach dem Frieden von Preßburg ergriff Napoleon die Initiative, den politischen Verkehr zwischen Oesterreich und Frankreich wieder herzustellen. Er ernannte deshalb La Rochefoucauld, der ihn bereits bis zum Ausbruche der Feindseligkeiten im J. 1805 in Wien vertreten hatte, zu seinem dortigen Gesandten. Hier war man indeß noch nicht einig darüber, wer als ständiger Vertreter Oesterreichs an den Pariser Hof zu entsenden wäre, der mehr denn je den Mittelpunkt der europäischen Politik bildete. Man griff daher zu einem Auskunftsmittel, indem General V. mit der Aufgabe betraut wurde, den kaiserlichen Hof zeitweilig zu repräsentiren. Denn er war nach der Ansicht des leitenden Ministers, des Grafen Stadion die geeignetste Persönlichkeit, eine beobachtende Rolle zu übernehmen und persönliche Verbindungen anzuknüpfen. Rühmte man [733] doch an V. nicht nur seine militärische Begabung, sondern auch seinen Geist und seine Thatkraft. So sagte der preußische Gesandte Graf Finkenstein von ihm: „Nach dem Urtheil aller Personen, die ihn kennen, ist er ein Mann, der nicht danach aussieht, als ob er ein herausforderndes Wort von Seite Napoleon’s so ruhig hinnehmen würde“.

Sein vornehmes Wesen, seine verbindlichen Manieren und nicht zum mindesten seine diplomatische Geschmeidigkeit halfen ihm manche Klippe zu umschiffen, an der ein anderer vielleicht Schiffbruch gelitten hätte. Aber eben diese Eigenschaften machten ihn verdächtig „eine Creatur Thugut’s und Stadion’s“ zu sein. Immerhin flößte seine Begabung auch seinen Widersachern Achtung ein, so daß von ihm gesagt wurde „man möge sich in Frankreich vor diesem Manne wohl in Acht nehmen“.

Es waren schwierige Verhältnisse, unter denen V. sein neues Amt antrat, und er konnte sich auch einer nichts weniger als freundlichen Aufnahme seitens Napoleon’s berühmen. Dieser bestand auf der sofortigen Abberufung der wenigen Truppen, welche Oesterreich nach Würzburg gesendet hatte. Nothgedrungen mußte Kaiser Franz sich fügen. Als Stadion die Mitwirkung des Wiener Hofes zur Aufrechterhaltung der Integrität der Türkei und den Austausch Galiziens gegen Schlesien mit Entschiedenheit ablehnte, fürchtete er zugleich, daß Frankreich und Rußland sich ohne Vermittlung Oesterreichs versöhnen könnten. Er erachtete es deshalb als im Interesse der Monarchie geboten, daß in das Hauptquartier Napoleon’s ein Mann entsendet werde, dessen vornehmste Aufgabe darin bestehen sollte, jede Combination zu hintertreiben, die Oesterreich verderblich werden könnte. Die Wahl fiel auf V.

Leider blieb seine Mission ohne den gewünschten Erfolg – es sei denn, daß er sich wegen seines offenen und loyalen Charakters die Achtung des Corsen erwarb. Diese Errungenschaft bewog Kaiser Franz, ihn im September 1808 unter dem Vorwande, die Kaiser Napoleon und Alexander zu begrüßen, nach Erfurt zu senden. In Wahrheit aber handelte es sich darum, sie Beide zu überwachen. Am 13. October konnte V. nach Hause berichten, daß die Stimmung des Zaren eine keineswegs so kriegerische sei, als sie ihn noch kurz zuvor erfüllt habe. Denn Alexander hatte V. zu verstehen gegeben, daß er großen Werth auf ein freundschaftliches Verhältniß zum Wiener Hofe lege. Um so heftiger äußerte sich Napoleon über Oesterreich, als Stadion noch immer zögerte, Josef Bonaparte als König von Spanien anzuerkennen. Aber vollends entschloß sich Kaiser Franz diese Anerkennung zu versagen, als V. nach Wien zurückgekehrt war und berichtete, daß Alexander nicht nur mit ungünstigen Eindrücken von Napoleon geschieden sei, sondern auch die Rüstungen Oesterreichs zu billigen scheine.

Im Sommer 1809 befand sich V., den der Kaiser das Jahr zuvor zum Feldmarschalllieutenant ernannt hatte, mit seiner Division in Ungarn, dann im Winterquartier in Böhmen, wo er bis 1810 verblieb.

1813 wurde er auf Ersuchen des Fürsten Schwarzenberg bei der Armee des Kronprinzen von Schweden angestellt. Das Jahr darauf aber erhielt er den Posten eines Gouverneurs von Belgien, das damals unter preußischer Verwaltung stand. Dieses Amt bekleidete er vom 1. Februar bis 15. Juni 1814. Im April 1815 wurde er als kaiserlicher Bevollmächtigter in das Hauptquartier des Herzogs von Wellington entsendet. Er betheiligte sich nicht an der Schlacht bei Waterloo, sondern wohnte ihr als einfacher Zuschauer bei. Dennoch wurde er, da er sich allzuweit vorgewagt hatte, verwundet.

Am 1. Juli 1815 erfolgte seine neuerliche Berufung nach Paris. Der Umstand, daß Alexander im Frühjahr 1821 seinen bisherigen Gesandten am [734] französischen Hofe, Pozzo di Borgo zum Botschafter ernannt hatte, veranlaßte den Fürsten Metternich, dem Kaiser einen Vortrag zu erstatten, worin er eine gleiche Rangserhöhung für V. beantragte. Er hielt eine solche für um so nothwendiger, als Frankreich bereits seit fünf Jahren in Wien durch einen Botschafter vertreten war. Er wies darauf hin, „daß der König sowohl als auch das Publikum zu Paris es für einen Beweis von Spannung zwischen beiden Höfen auslegen könnten, wenn der Kaiser dem Beispiele Rußlands nicht folgen würde“. Franz I. ernannte in der That V. am 6. Mai 1821 zum Botschafter in Paris.

In der Zwischenzeit hatte V. mit Metternich den kaiserlichen Hof auf den Congressen von Aachen und Laibach vertreten. Von hier aus wurde er im Februar 1821 in der Eigenschaft eines außerordentlichen Bevollmächtigten nach Neapel gesendet. Die Interessen Oesterreichs erheischten es, über die Revolution, die dort zum Ausbruche gekommen war, auf das genaueste unterrichtet zu sein und vermöge seines eigenen Einflusses die Bewegung zu unterdrücken. Auch finanzielle Fragen kamen hiebei in Betracht. Die Sendung Vincent’s war eine unmittelbare Folge der Laibacher Beschlüsse, denn Oesterreich hatte es auf sich genommen, den alten Zustand der Dinge mit Waffengewalt wieder herzustellen. Im April 1821 wurde V. abberufen, und er kehrte auf seinen früheren Posten nach Paris zurück. Hier verblieb er bis zum Sommer 1825, in welchem Jahre ihn Kaiser Franz auf sein eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzte. Er starb am 7. October 1834 zu Biancourt in Lothringen.