ADB:Wakenitz, Wilhelm Dietrich von
[636] wo die Schwadron sich sehr hervorthat, tapfer mitgefochten. Daß er hier, wie Kalckreuth (s. unten) erzählt, den Prinzen von Lobkowitz-Sagan persönlich gefangen genommen habe, ist eine unverbürgte Behauptung. Am 24. Februar 1757 war die Aufstellung der neuen Escadrons beendet, W. wurde nun zum Rittmeister ernannt (Uebersicht der Geschichte des Regiments der Gardes du Corps von 1740–1890 [von Rittmeister Graf Brühl]. Berlin 1890). Das Kriegsjahr 1757 brachte ihm und seinen Gardes du Corps die Theilnahme an den Schlachten bei Prag, Roßbach und Leuthen, wo sie sich ebenfalls bewährten, im Januar 1758 ward jener, nachdem sowol der bei Lowositz schwerverwundete Oberstlieutenant von Blumenthal, wie der zunächst an dessen Stelle getretene Rittmeister von Grotthusen – der Letztere, weil er verstimmt darüber war, daß er nicht zum Commandeur ernannt wurde – aus dem Dienste geschieden waren, mit der Führung des Regiments betraut. An der Spitze desselben sollte er hohen Ruhm ernten. Der Schlachttag von Zorndorf, der 25. August 1758, war sein Ehrentag; mit dem schweren Ringen und dem blutigen Siege ist Wakenitz’ Name eng und unlöslich verbunden. Die Gardes du Corps gehörten zu der Seydlitz unterstellten Cavallerie des ersten Treffens des rechten Flügels, mit fünf Escadrons Gensdarmen und fünf Escadrons Seydlitz-Cürassiere standen sie unter dem Generalmajor von Lentulus. Als am Morgen des Schlachttages Seydlitz durch den ersten der von ihm geleiteten Reiterangriffe die Vorwärtsbewegung des feindlichen rechten Flügels zum Stehen brachte, hieben sie tapfer ein und auch bei den am Nachmittage ausgefochtenen Kämpfen, durch welche endlich die Schlacht entschieden und der Sieg an die preußischen Feldzeichen gekettet wurde, hatten sie ihren reichlichen Antheil, ohne daß bei den vielen Widersprüchen, welche die Quellen enthalten, mit Sicherheit festgestellt werden kann, wie diese Reiterkämpfe verlaufen sind (M. Immich, Die Schlacht bei Zorndorf, Berlin 1893). Seydlitz zeichnete W. und seine Gardes du Corps durch anerkennendes Lob aus, und daß der König ihre Leistungen würdigte, beweisen die vielen Auszeichnungen, die er ihnen zu Theil werden ließ. Den Rittmeister v. W. beförderte er, ohne daß dieser Major wurde, sofort zum Oberstlieutenant. Seinen Dank bethätigte das Regiment bald darauf gelegentlich des Ueberfalles von Hochkirch am 14. October durch seine tüchtige Haltung auf dem Rückzuge. Dann aber trat eine Verstimmung des Königs gegen W. ein. Die Gründe dazu werden verschieden angegeben, vermuthlich haben mehrere derselben zusammengewirkt. W. soll auf seine Verdienste gepocht haben und ungehalten darüber gewesen sein, daß er eine ihm angeblich versprochene Entschädigung für den durch den Krieg herbeigeführten Verlust seiner in Schwedisch-Pommern belegenen Güter Boltenhagen und Kiesow nicht erhalten habe, eine starke Partei innerhalb und außerhalb des Regiments, die des Königs Ohr hatte, soll ihn verdächtigt haben, nach Retzow (Charakteristik der wichtigsten Ereignisse des siebenjährigen Krieges, 1. Band, S. 328, Berlin 1802) hat er des Königs Ungnade dadurch auf sich gezogen, daß er, obgleich bei Zorndorf befohlen gewesen nicht Pardon zu geben, einem russischen Officier, der sich ihm persönlich ergeben hatte, in seinen Schutz genommen und einen Garde du Corps, welcher diesem einen tödtlichen Hieb versetzte, erschossen habe – das Ergebniß war, daß nicht W. sondern sein Hintermann Commandeur der Gardes du Corps und daß W. selbst am 3. März 1760 unter Beförderung zum Oberst das Commando des Cürassierregiments Markgraf Friedrich (Nr. 5) erhielt, dessen Garnison Schwedt a. O. war. W. erblickte darin nicht ohne Grund eine Zurücksetzung. Er trat sein Commando nicht an, ging unter dem Vorwande, krank zu sein, nach Berlin und ließ sich hier am 9. October 1760, als die Russen die Stadt besetzten, unbegreiflicher Weise gefangen nehmen. Der nach der Thronbesteigung des [637] Zaren Peter geschlossene Friede gab ihm die Freiheit wieder, im Februar 1762 kehrte er zurück, im December des nämlichen Jahres erbat und am 11. dieses Monats erhielt er seine Entlassung aus dem preußischen Dienste.
Wakenitz: Wilhelm Dietrich v. W., königlich preußischer Oberstlieutenant, demnächst landgräflich hessen-kasselscher Generallieutenant und Etatsminister, aus altem pommerschen Geschlechte am 2. August 1728 auf dem Gute Boltenhagen im jetzigen Kreise Wolgast als der Sohn eines schwedischen Oberstlieutenants geboren, trat 1741 bei dem Corps der Unrangirten, einem Bestandtheile der Fußgarde, in welchen auch die „auf Avantage dienenden“ jungen Leute eingestellt wurden, in den preußischen Heeresdienst, wurde am 9. Juli 1744 zum Cornet bei den 1740 errichteten Gardes du Corps ernannt und verdiente sich im zweiten Schlesischen Kriege in der Schlacht bei Hohenfriedeberg am 4. Juni 1745 mit drei anderen Officieren der damals nur eine Schwadron zählenden Truppe den Orden pour le mérite. Bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges war er Lieutenant. Als nach der Gefangennahme des sächsischen Heeres zwei neue Escadrons Gardes du Corps errichtet wurden, erhielt er das Commando einer derselben, inzwischen hatte er am 1. October 1756 in der Schlacht von Lowositz,Landgraf Friedrich II. von Hessen Kassel, welcher mit Vorliebe preußische Officiere in seine Dienste und in seine Umgebung zog, ernannte ihn am 14. Juli 1763 zum Generalmajor, übertrug ihm im Mai 1764 das Commando des Cavallerieregiments Gensdarmes, beförderte ihn am 17. Januar 1765 zum Chef desselben, am 27. October 1772 zum Generallieutenant (Grundlage zur Militär-Geschichte des landgräflich hessischen Corps. Kassel 1798) und vertraute ihm, als er die Geschäfte der Landesregierung neu ordnete, am 19. August 1774 das Departement der Finanzen an, „in dem gnädigsten Vertrauen, daß er nach seiner bekannten droiture Unsere zum allgemeinen Besten abzielende gnädigste Intention nach Möglichkeit zu befördern sich angelegen sein lassen werde“. Daneben war W. Mitglied des Kriegs- und des Generaldirectoriums, schon seit 1765 gehörte er der Rekrutir-, Remontir- und Montirungs-Commission an. An Gnadenbeweisen des Fürsten fehlte es nicht. Am 30. October 1767 verlieh dieser ihm die Stelle eines Oberamtmanns des Fürstenthums Hersfeld, welche jährlich 1500 Thaler eintrug, am 5. März 1769 erhielt er bei der ersten Reception den Orden pour la vertu militaire, am 25. August 1773 den Orden vom Goldenen Löwen. Retzow rühmt sein Verdienst um die hessische Cavallerie, welche damals (1769) ein neues Reglement erhielt und deren Inspecteur er war, der unbekannte Verfasser (wol Franz Hundeshagen) der Schrift „Hessen vor dem 1. November 1806“ schreibt die gute Verfassung der Truppen im allgemeinen mit auf seine Rechnung, der badische Kammerherr Fr. Just. Freiherr von Günderode rühmt in seinen „Briefen eines Reisenden über die gegenwärtigen Zustände in Kassel, mit aller Freiheit geschildert“ (Frankfurt und Leipzig 1781) bei Besprechung des hessischen Finanzwesens, „den Geist der Ordnung und der Einrichtung, die in W. wohnen“. Kalckreuth (s. unten) nennt ihn schweigsam und einen guten Reiter. Der am 31. October 1785 erfolgte Tod des Landgrafen Friedrich brachte demnächst in den inneren Verhältnissen der Landesregierung eine bedeutende Aenderung zu Wege. Landgraf Wilhelm IX., sein Nachfolger, nahm sich vor, selbst zu regieren. Damit war das Schicksal der Rathgeber seines Vorgängers besiegelt, eine Mißstimmung in den heimischen Kreisen gegen die „preußische Junta“, worunter W. und dessen Landsleute, die Generale Martin Ernst von Schlieffen und von Jungken-Müntzer verstanden wurden, beschleunigte deren Scheiden aus dem Dienste. Schon im Februar 1789 gingen die beiden letzteren, am 8. Mai ward das von Ersterem eingereichte Entlassungsgesuch unter Gewährung eines Ruhegehaltes von jährlich 1000 Thalern genehmigt. W. behielt seinen Wohnsitz zu Kassel und ist dort am 9. Januar 1805 gestorben. Seine Bestattung erfolgte auf dem Militär-Friedhofe. Als dieser aufgegeben wurde, ordnete Kaiser Wilhelm II. die Ueberführung der Gebeine nach Potsdam an, wo sie am 18. August 1891 auf dem städtischen Kirchhofe beigesetzt wurden (Dr. Carl Scherer in Zeitung „Post“ vom 16. Aug. 1891, 1. Beil., Berlin).
An den Namen des Rittmeisters v. W. und an sein Verhalten bei Zorndorf knüpft sich die Erzählung, daß W., als Seydlitz eine Niederlage der preußischen Waffen für unausbleiblich gehalten, den Ausspruch gethan habe, er könne nicht zugeben, daß eine Schlacht verloren ginge, bevor die Gardes du Corps attackirt hätten und werde daher attackiren. Wakenitz’ Beispiel habe die Commandeure der beiden anderen, dem General von Lentulus unterstellten Regimenter bestimmt, die gleiche Absicht kundzugeben, der Reiterangriff sei ausgeführt und habe die für verloren gehaltene Schlacht zu Gunsten der eigenen Partei entschieden. Die Erzählung beruht auf den Denkwürdigkeiten des späteren [638] Generalfeldmarschalls Grafen Adolf Kalckreuth, zur Zeit der Schlacht Lieutenant und Adjutant im Regiment der Gardes du Corps, welcher Erinnerungen aus seinem Leben unter dem Titel „Paroles“ (1841 in wenigen Exemplaren, von denen eines die königliche Bibliothek zu Berlin besitzt, gedruckt, schon vorher in deutscher Uebersetzung durch die Zeitschrift Minerva, Jahrgänge 1839/1840, 194. u. 196. Bd., veröffentlicht) kurz vor seinem 1818 erfolgten Tode, in einem Alter von fast 80 Jahren und 59 Jahre nach dem Stattfinden der Ereignisse, seinem Sohne dictirt hat. Bis diese Aufzeichnungen erschienen, wußte Niemand etwas von dem Vorgange, kein anderer zeitgenössischer Schriftsteller erwähnt denselben, ebensowenig der Feldprediger des Regiments in seiner 1798 gelegentlich einer Standartenweihe gehaltenen Gedächtnißrede, in der er einen Rückblick auf die Thaten und die Vergangenheit der Gardes du Corps wirft, und Kalckreuth, dem Kreise des Prinzen Heinrich angehörend, ist ein sehr verdächtiger Zeuge, welcher jede sich ihm bietende Gelegenheit ergreift, den König herabzusetzen, was er hier erreicht, indem er diesen als undankbar gegen den Mann erscheinen läßt, der den Tag von Zorndorf entschieden habe. (Ueber Kalckreuth: Graf E. zur Lippe-Weißenfeld in den Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine, 51. Bd., S. 142, Berlin; Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls von Boyen, 2. Bd., S. 32, 1888, Leipzig 1889.) Abgesehen hiervon muß die Wahrheit der Erzählung stark bezweifelt werden, weil das Regiment, als W. angeblich jenen Ausspruch gethan hat, bereits attackirt hatte und weil weder Seydlitz noch Lentulus Leute waren, denen ein Kleinmuth zugetraut werden darf, den erst W. wieder aufgerichtet haben soll. Kalckreuth behauptet, daß Seydlitz, von einem schlecht berechneten, daher verlustreichen und erfolglosen Angriffe auf Infanterie in tiefer Niedergeschlagenheit zurückkehrend, die Commandeure der Gardes du Corps, der Gensdarmes und seines eigenen Cürassierregiments zusammengerufen und ihnen eröffnet habe: „La bataille est perdue; je ne veux pas même Vous ordonner d’attaquer, mais celui qui le juge à propos peut le faire.“ Dann fährt Kalckreuth fort: Celui des gardes du corps, mon cher Wakenitz, répliqua avec son flègme ordinaire: „Je ne veux pas qu’une bataille ait été perdue sans que les gardes du corps aient attaqué; j’attaque“. Löllhoefel, commandeur du régiment de Seydlitz, mort lieutenant-général, dit „Si Wakenitz attaque, j’attaque aussi“. Schwerin, qui commandait les gensdarmes, dit à son tour: „Si Vous attaquez tous deux, il faut bien que j’attaque aussi“. Retzow, gleichfalls zu den Anhängern des Prinzen Heinrich gehörend, erzählt (1. Bd.. S. 329), Seydlitz habe auf seinem Todtenbette dem Könige W. als den Würdigsten bezeichnet, ihn selbst als Inspecteur der schlesischen Cavallerie zu ersetzen, auf des Königs Entgegnen, wie Seydlitz dazu käme, ihm einen Officier zu nennen, der nicht mehr in preußischen Diensten stände, habe jener erwidert, daß er keinen geschickteren kenne. Ferner wird erzählt daß Friedrich Wakenitz’ Nachfolger im Commando, dem späteren Oberst v. Schätzel, seines Vorgängers Wahrheitsliebe mit dem Hinzufügen gerühmt habe: „An dem Manne habe ich viel verloren“ (K. Müchler, Friedrich der Große, Berlin 1834). Als W. den preußischen Dienst verließ, schrieb der spätere Generalfeldmarschall von Möllendorff „W. est relâché, mais ses amis ne l’ont pas bien conseillé. Il vient d’écrire au roi demander son congé, ce n’est pas le temps à présent, et si tôt après sa rançon; il fallait attendre l’hiver“ (J. D. E. Preuß[WS 1], Friedrich der Große, 4. Bd., S. 404, Berlin 1834).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage verschrieben: F. D. E. Preuß