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ADB:Wallraf, Ferdinand Franz

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Artikel „Wallraf, Ferd. Franz“ von Hermann Keussen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 764–766, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wallraf,_Ferdinand_Franz&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:00 Uhr UTC)
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Wallraf: Ferd. Franz W., Gelehrter und Sammler. W. ward geboren zu Köln als Sohn eines Schneidermeisters am 20. Juli 1748.[WS 1] Nach Vollendung seiner philosophischen und theologischen Studien ließ er sich Ende 1772 zum Priester weihen. Schon vorher, im J. 1769, erlangte er eine Professur am Montanergymnasium. In diesen Jugendjahren übte auf ihn der Verkehr in der Familie des tüchtigen Medicinprofessors Menn und der Umgang mit dem künstlerisch sehr begabten Vicar Hardy großen Einfluß. Die Professur am Gymnasium befriedigte ihn nicht; er wurde als sog. Silentiarius beschäftigt und mußte sich kümmerlich durch Privatstunden durchschlagen. Seine Stellung gegenüber den übelwollenden Collegen ward dadurch nicht gebessert, daß er fortwährend für die dringend nöthige Reform des verrotteten Unterrichtswesens eintrat. Vielseitige Anregung brachte ihm eine Reise, die er als Begleiter des Domvicedechanten Grafen Franz Wilhelm von Oettingen-Baldern im J. 1783 durch einen großen Theil von Süddeutschland machen konnte. Als er zurückkehrte, arbeitete er im Auftrage des Rathes ein ausführliches Gutachten über [765] die Reformation der Kölner Hochschule aus, welche durch die neu errichtete kurfürstliche Akademie in Bonn sehr benachtheiligt wurde. Sein Plan wurde nicht ausgeführt, zog ihm dagegen die bittere Feindschaft seiner Collegen zu. Im J. 1784 erlangte er die Professur für Botanik in der medicinischen Facultät, mit welcher eine Präbende an der Stiftskirche St. Maria im Capitol verbunden war; 1796 erhielt er ein Kanonikat an St. Aposteln. Jedoch blieb er in der artistischen Facultät und führte durch seine Vorlesungen die Aesthetik in den Kreis der Lehrgegenstände ein. Sein Ansehen stieg in den folgenden Jahren, sodaß der Curator der Bonner Universität Franz Wilhelm v. Spiegel sich mit ihm wegen seiner Uebersiedelung nach Bonn als Nachfolger des berüchtigten Eulogius Schneider in Verbindung setzte; jedoch zerschlugen sich die Verhandlungen.

Im J. 1794 wurde W. zum Rector der Universität Köln gewählt. Sein Rectorat fiel in eine traurige Zeit. Im Herbste rückten die Franzosen in Köln ein und verhinderten den Unterricht durch Besetzung der für ihn bestimmten Gebäude. W. setzte mit Mühe den Wiederbeginn der Vorlesungen durch. Die Herrschaft der Franzosen war drückend für die Stadt nicht allein durch die hohen Contributionen, wogegen W. vergebens eine Remonstration verfaßte, sondern auch durch die Verschleppung und Vernichtung so vieler Sammlungen, welche in langer Friedenszeit zusammengebracht worden waren. W. stellte eine Denkschrift über die Verluste auf und erwirkte es, daß man ihn zum Inspector der Alterthümer ernannte, in welcher Eigenschaft er vieles für die Rettung der Kunstschätze thun konnte. Auf Schloß Blankenheim in der Eifel befand sich das Museum Lyskirchianum, welches aus Köln stammte, und eine sehr werthvolle Bibliothek; von beiden schaffte W. einen guten Theil nach Köln. Aus der in Köln erwachsenen Sammlung des Freiherrn von Hüpsch, welche dieser für Darmstadt bestimmt hatte, erlangte er vom Landgrafen von Hessen-Darmstadt eine Reihe von wichtigen Stücken. Der Dreikönigenschrein wurde nach Köln zurückgebracht und auf Wallraf’s Anregung eine große Festlichkeit dieserhalb veranstaltet. Er hatte sich ganz in die neuen Verhältnisse gefügt. Als im J. 1804 Napoleon mit Josephine nach Köln kam, wurde er von W. verherrlicht. Dieser war dem Unterrichtsfache treu geblieben. Im J. VII wurde er an der Centralschule, welche bis 1803 bestand, zum Professor für die schönen Wissenschaften ernannt. Dasselbe Fach vertrat er an der Secundärschule, welche den Namen Gymnasium führte, der später höhere Curse beigegeben wurden. Hier war Friedrich v. Schlegel sein Specialcollege. W. war für die Errichtung einer Akademie in Köln thätig, worüber Verhandlungen bis 1810 schwebten. Schließlich sollte Köln sich mit einem Lyceum begnügen; aber infolge der eingetretenen Kriegswirren wurde auch diese Anstalt nicht errichtet.

Nach Abzug der Franzosen war W. als feuriger Kölner Localpatriot von drei Wünschen erfüllt. Er war thätig für die Rückgabe der von den Franzosen nach Paris zusammengeschleppten Kunstschätze und Antiquitäten, für die Rehabilitirung der freien Reichsstadt Köln und für die Wiederherstellung ihrer alten Universität. Sein erster Wunsch war von ziemlichem Erfolge gekrönt. Auf Grund der von ihm ausgearbeiteten Specification des Raubes erlangte Köln durch die eifrigen Bemühungen Everhard v. Groote’s einen großen Theil der entführten Schätze wieder. Dagegen hatte W. in den beiden anderen Fragen kein Glück. Die von ihm ersehnte Wiederherstellung von Kölns früherer Reichsherrlichkeit, welche durch Oesterreichs Eintreten hätte erreicht werden können, wurde zu spät angeregt. In der Universitätsfrage waren die Bonner zuvorgekommen. Dagegen stiftete W. sich selbst durch die Schenkung seiner ausgedehnten Sammlungen an seine Vaterstadt ein unvergängliches Andenken in dieser. [766] Im J. 1818 setzte er die Stadt zur Erbin seines gesammten Nachlasses ein unter der Bedingung, daß die Sammlungen für alle Zeit in Köln verbleiben müßten. Der Grundstock des Museums und der Stadtbibliothek ward dergestalt durch ihn geschaffen. Die Stadt verlieh dem treuen Patrioten eine Jahresrente von 4000 Francs, die er zumeist auf die Bereicherung der Sammlung verwandte. Als bald darauf die Frage der Errichtung eines Provinzialmuseums auftauchte, war W. wieder in Kölns Interesse auf dem Platze. Aber auch diese Anstalt konnte er nicht für Köln retten, da man glaubte, daß das Museum für die Universität Bonn unentbehrlich sei.

W. hatte vielseitige Interessen. Die Geschichte seiner Vaterstadt pflegte er mit besonderer Freude. In den Monatsbeilagen der Kölnischen Zeitung und an anderen Orten erschien eine Reihe von historischen Aufsätzen aus seiner Feder, welche im J. 1813 vereinigt als „Beiträge zur Geschichte der Stadt Köln und ihrer Umgebungen“ erschienen. Seine Vorliebe für die Römerzeit hinderte ihn jedoch vielfach an der richtigen geschichtlichen Erkenntniß sie spielte ihm im Verein mit seiner mangelhaften Kenntniß der Etymologie manchen bösen Streich bei den Vorschlägen für die Straßenbenennung, wozu ihn im J. 1812 die französische Regierung aufforderte. Für Kunst und Poesie begeistert übertrug er die Begeisterung auch auf Andere; beide wurden eifrig gepflegt in dem Freundeskreise, der ihn mit de Noël[WS 2] und Du Mont verband.

Am 18. März 1824 starb W. Neun Monate erforderte die Inventarisirung seines Nachlasses. Sein Freund de Noël wurde Conservator der Sammlungen, später Ramboux. Jedoch mußten die werthvollen Schätze sich lange in provisorischen Gebäuden mit mangelhafter Unterkunft begnügen, bis durch die Opferwilligkeit des Commerzienrathes J. H. Richarz der Bau eines würdigen Museums ermöglicht wurde, das mit Recht den Namen Museum Wallraf-Richartz trägt. Beiden Wohlthätern setzte die dankbare Stadt ein gemeinsames Denkmal auf dem Friedhofe Melaten.

Ennen, Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf. Köln 1857.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Punkt am Satzende fehlt.
  2. Matthias Joseph de Noël (1782-1849), Kölner Kaufmann, Kunstmäzen und Sammler; siehe Wikipedia.