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ADB:Walter, Ferdinand (Jurist)

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Artikel „Walter, Ferdinand“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 22–24, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walter,_Ferdinand_(Jurist)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 04:59 Uhr UTC)
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Walter: Ferdinand W., geboren zu Wetzlar am 30. November 1794, † zu Bonn am 13. December 1879. Sein Vater Franz Martin W. war Hofkammerrath in Diensten des Fürsten von Salm-Salm in Senones (Vogesen) und versah diese in Wetzlar seit der Einverleibung des Ländchens in Frankreich. [23] Als Kind von drei Jahren wurde er von dem Hunde des General Hoche ins Gesicht gebissen, die große Narbe blieb; am 21. März 1802 stürzte er von einem hohen Heuschoppen auf das Pflaster, die Depression am Schädel blieb. Im December 1802 siedelte seine Mutter mit den Kindern nach Düsseldorf, wo er bis 1805 den ersten Unterricht genoß und häufig in die Galerie kam, so daß er nach eigener Erzählung 1841 in der Münchener „die Rembrandts, Rubens und andere Gemälde auf der Stelle wie alte Bekannte begrüßte“; für einen Knaben von 8 Jahren sicherlich viel. Von 1805–1809 besuchte er die lateinische Schule in Mülheim a. Rhein, wo er am 26. Juli 1806 von einem Strolche ins Freie gelockt und der Uhr beraubt wurde, der Strolch wurde aber sofort gefangen; im folgenden Jahre warf ihn ein Pferd ab, es blieb aber bei leichten Verletzungen. Von 1809–1813 lernte er in Köln, wo er am 9. Juni 1811 als Mercur in dem Festzuge zu Napoleon’s Ehren mitwirkte. Im November 1813 trat er als Freiwilliger ein und machte bei einem Kosakenregiment den Feldzug bis zum Einzug in Paris mit und erhielt das Georgenkreuz 5. Classe. Im Herbst 1814 ging er auf die Universität Heidelberg, wo er besonders mit Carové (s. A. D. B. IV, 7) befreundet war. Am 10. August 1818 erlangte er den juristischen Doctorgrad, las im folgenden Winter als Privatdocent, erhielt aber einen Ruf an die neu gegründete Universität zu Bonn, wo er Ostern 1819 zu lesen begann und bis zum Ende des Sommersemesters 1875 als Lehrer thätig war, obwol in den letzten vier Jahren fast erblindet. Er las zuerst Pandekten, dann bis 1836 französisches Civilrecht, daneben, bezw. später Encyklopädie, römische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Naturrecht, Völkerrecht, deutsche Rechtsgeschichte und deutsches Privatrecht. Litterarisch hat er zunächst durch seine Lehrbücher des Kirchenrechts (14. Aufl., letzte von Gerlach bearbeitet), der deutschen Rechtsgeschichte (2. Aufl., 1858), des deutschen Privatrechts (1855), der römischen Rechtsgeschichte (2 Bde., 3. Aufl., 1860 fg.), juristische Encyclopädie (1856), Naturrecht und Politik (1863) eine Thätigkeit entwickelt, wie sie kaum ein zweiter Jurist aufweist. Alle diese Bücher sind – die deutsche Rechtsgeschichte allein weist viele selbständige Arbeiten auf – höchst geschickte, gut geschriebene und lesbare Compilationen (über das Kirchenrecht habe ich mich a. a. O. eingehend ausgesprochen), die dem Verfasser einen weiten Ruf, theilweise durch Uebersetzungen verschafft haben. Sein „Corpus juris germanici“ (1824, 3 Bde.) gibt nur Abdrücke aus früheren Drucken; „Das alte Wales“ (1859) ist eine interessante Arbeit, desgleichen „Das alte Erzstift Köln“ u. s. w. (1866). Die sonstige litterarische Thätigkeit beschränkt sich auf die Bearbeitung der neuen Auflage von Maurenbrecher’s Deutschem Privatrecht (1840) und einige Broschüren. In der Politik war W. nur kurze Zeit thätig, nämlich vom Mai bis December 1848 als Mitglied der Nationalversammlung in Berlin, wo er der Rechten angehörte, und vom Februar 1849 bis zum Januar 1850 als Mitglied der ersten Kammer. Er hat seine Eindrücke und Anschauungen in den in seiner Selbstbiographie abgedruckten Briefen an seine Frau der Nachwelt aufbewahrt. Die von ihm im J. 1850 zu Bonner Collegen geäußerte Aussicht, das ihm von Friedrich Wilhelm IV. angebotene Justizministerium zu erlangen, hat sich nicht erfüllt. Bei den Verhandlungen in der Kammer waren es vorzüglich die Art. 11 und folgende der Verfassung, an denen er sich als Redner betheiligte; er hat die Reden in den wichtigsten Punkten in seiner Lebensbeschreibung nebst einem Briefe an den Präsidenten von Gerlach vom 2. Januar 1853 gegen die Versuche einer Aenderung abdrucken lassen. In Angelegenheiten der Stadt hat W. ein Verdienst bei der Gründung des St. Johannisspitals, dessen Curatorium er lange Zeit vorstand, auch nahm er regen Antheil an der Errichtung des Beethovendenkmals. Er hatte sich am 27. December 1821 mit [24] der ältesten Tochter des Professors der Medicin Windischmann vermählt, nach deren Tode (6. April 1832) am 4. September 1833 mit der dritten Tochter desselben. Die ihm zu theil gewordenen Ehren und Orden führt er S. 117 fg. an, wobei ein Dankschreiben Napoleon’s III. vom Jahre 1854 für übersandte Bücher abgedruckt wird. Als Mensch war W. von tadellosem Wandel, seine größte Schwäche war Selbstgefälligkeit; mit seinen Collegen stand er nicht immer auf gutem Fuße, woran die Schuld wol nicht an ihm allein lag; jüngere Docenten, die ihm Concurrenten zu werden drohten, hatten sich seiner Zuvorkommenheit nicht zu erfreuen. In kirchlicher Beziehung war er anfänglich ein zahmer Gallikaner, allmählich wurde sein Standpunkt römischer, bis er zuletzt zum vollständig curialen sich entwickelte. Das bevorstehende vaticanische Concil veranlaßte ihn in der anonymen Broschüre „Das allgemeine Concilium und die Weltlage“ (Regensburg, Mainz 1869) mit Reformvorschlägen, namentlich auf dem Gebiete des Eherechts aufzutreten; die päpstliche Unfehlbarkeit und Allgewalt fand ihn zuerst als Gegner. Als der 18. Juli 1870 beides zur Thatsache gemacht hatte, wußte er sich in der anonymen Broschüre „Ueber die kirchliche Unfehlbarkeit. Gespräche mit einer geistreichen Frau. Von einem Laien“ (Bonn, Verl. von A. Henry, 1871) auf 28 Seiten mit der Thatsache abzufinden in einer Weise, welche wol die „geistreiche Frau“ – damit ist gemeint die Frau des Professors der Medicin Naumann in Bonn, welche ihn gehänselt hatte, weil er früher gegen die päpstliche Unfehlbarkeit gewesen sei, – aber kaum einen einzigen mit den Dingen vertrauten Mann zu überzeugen im Stande war.

Aus meinem Leben. Von Ferdinand Walter. Bonn 1865. – Meine Gesch. d. Litt. III, 413 ff. – Friedrich, Gesch. d. Vatikanischen Concils I, 199, 537, II, 33, 105, 278 ff.