ADB:Watteville, Johannes Baron von
Friedrich’s v. Wattenwyl (S. 248), wurde am 18. Oct. 1718 zu Walschleben in Thüringen als Sohn eines Predigers geboren. Ueber seine Jugend sind wir nur dürftig unterrichtet. Da sein Vater ein frommer Mann war, wurde er frühzeitig mit der Bibel bekannt gemacht und für das Studium der Theologie bestimmt. Im J. 1735 bezog er die Universität Jena, wo er den Grafen Zinzendorf kennen lernte und einem von diesen und Spangenberg gestifteten frommen Verein von Studenten und jüngeren Lehrern, der unter der Leitung des Bruders Nitschmann stand, beitrat. Während der Jahre 1737 und 1738 leitete er als eigentlicher Lehrer die Erziehung von Zinzendorf’s Sohn, des jungen Grafen Christian Renatus. Mit ihm reiste er im J. 1738 nach Berlin, wo er die öffentlichen Reden Zinzendorf’s, die einen großen Zulauf von Menschen verursachten, aufzeichnete und für den Druck vorbereitete. Im J. 1739 siedelte er mit vierzig jüngeren Männern nach Marienborn über, aus welchem Anlaß sich das erste theologische Brüderseminar entwickelte. Noch in demselben Jahre wählte ihn Zinzendorf zum Prediger der Brüdergemeine und übertrug ihm am 25. October das Amt [256] eines Aeltesten oder Helfers des ledigen Brüderchors in der in der Entstehung begriffenen Gemeine im Herrnhaag. In dieser Stellung nahm er auf das eifrigste an den Synoden zu Gotha und Marienborn Theil, wobei er der Versammlung als einziger Protokollist wesentliche Dienste leistete. Als Zinzendorf im J. 1741 nach Amerika reiste, wandte sich W. nach Herrnhut, wo er durch seine liebenswürdige Persönlichkeit und durch seine begeisterten Vorträge ein ganz neues Leben in die Gemeine brachte. „Durch ihn hauptsächlich wurde das Wort von Jesu Marter, Blut und Tod vollends die tägliche Weide der Brüdergemeine“. Von Herrnhut aus bereiste er Schlesien und betheiligte sich hier an der Gründung der Brüdergemeinen Gnadenberg, Gnadenfrei und Neusalz a. d. Oder. Am 17. November erhielt er durch den aus Amerika zurückgekehrten Zinzendorf in Gnadenfrei die Weihe zum Coepiscopus der Brüdergemeine. Im nächsten Jahre erfolgte auf der Synode zu Marienborn seine ausdrückliche Declarirung zum nächsten Gehilfen des Grafen. Bald darauf nahm ihn der Baron Friedrich v. Watteville, der seine leiblichen Kinder durch den Tod verloren hatte, als Adoptivsohn an, worüber das Reichsvicariat in München unter dem 5. Juli 1745 ein Diplom ausfertigte, in dem er zum Freiherrn v. Watteville erklärt wurde; Zinzendorf aber trug ihm seine Tochter Benigna Justine (geboren 28. December 1725) zur Gemahlin an, worauf die Eheschließung am 20. Mai 1746 zu Zeist in Holland erfolgte. Mit dieser seiner Gemahlin und ihrem Vater reiste er nach der Hochzeit nach England und fing nun ein wahres Wanderleben an, da ihn Zinzendorf fortan hauptsächlich zu Visitationsreisen verwandte. Unter anderem war er in den Jahren 1748 und 1749 bei den Indianern in Nordamerika, hierauf bereiste er die karaibischen Inseln St. Thomas, Croix und Jan, um den Stand der Mission unter den Negern kennen zu lernen, und im J. 1752 finden wir ihn in Grönland, wo er solchen Eindruck machte, daß er von den Bekehrten den Namen „Assarock“, d. h. Liebhaber erhielt. Nach dem Tode Zinzendorf’s am 9. Mai 1760 war er noch 28 Jahre lang als Mitglied der Unitätsdirection thätig. Als solcher unternahm er im J. 1784 nochmals eine Visitationsreise nach Nordamerika, auf der er den schwersten Lebensgefahren ausgesetzt war. Da man wegen der Stürme das Land nicht erreichen konnte, beschloß der Capitain auf St. Thomas zu überwintern und im Frühjahr die Landung zu versuchen. Bei der Fahrt dahin aber scheiterte das Schiff in der Nähe der Insel Barbuda, wo die Reisenden von dem Gouverneur herzlich aufgenommen wurden, bis sie zu den Brüdern auf Antigua gelangen konnten. Von Antigua wandte sich W. dann zu Schiffe nach Pennsylvanien und der Wachau und weilte hier drei Jahre mit Einschluß eines Abstechers nach Nordcarolina. Während seiner Abwesenheit von Deutschland starben seine beiden Söhne, der eine, Johann Ludwig zu Tranquebar in Ostindien, der andere, Christian Friedrich im Brüderseminar zu Barby. Bei seiner Rückkehr nach Herrnhut von der Gemeine feierlich empfangen, siedelte er nach nur kurzem Aufenthalt daselbst nach Gnadenfrei in Schlesien über, wo er am 11. October 1788 starb. Seine Gattin folgte ihm sieben Monate später am 21. Mai 1789 im Tode nach. – W. hatte Zinzendorf in der zweiten Hälfte seines Wirkens am nächsten unter allen seinen Mitarbeitern gestanden. Wegen seiner Liebesfähigkeit und Liebesbedürftigkeit hieß er in der Gemeine allgemein nur Johannes. Zinzendorf charakterisirt ihn richtig, wenn er sagt: „Ich und Spangenberg sind Principienmacher, Johannes ein lichtes Herz, aber kein originales Genie.“ Seine Gefühls- und Anschauungsweise wurzelte ganz in den Ueberschwänglichkeiten der wetterauischen Zeit, über deren bedenkliche Seiten er sich im übrigen klar war. Das zeigt sich am deutlichsten in seinen zahlreichen geistlichen Liedern. Er ist der hauptsächlichste Vertreter des Wundencultus und der Verfasser der „Litanei zu den Wunden des Mannes“, [257] deren wesentlicher Inhalt in dem aus den neueren Gesangbüchern verschwundenen Liede: „Würdge Wunden Jesu“ zusammengefaßt ist. (Brüdergesangbuch des Jahres 1778 Nr. 657.) In dem heute im Gebrauch befindlichen Gesangbuch (Gnadau 1893) finden sich noch 18 Lieder, resp. Strophen aus Watteville’s Gedichten, die aus dem Register zu ersehen sind. Dagegen ist von den Liedern seiner Gemahlin, die im Gesangbuch von 1778 mit 4 Nummern vertreten war, nur noch das Lied „Gieb uns in den Gnadentagen“ im Gebrauch (Nr. 557).
Watteville: Johannes Baron v. W. (Wattenwyl), eigentlich Johs. Mich. Langguth, einer der Mitbegründer der Brüdergemeine und Adoptivsohn- Vgl. J. F. W. Ritter, Leben des Freyherrn Johannes v. W. und dessen Gemahlin Benigna Justine gebohrene Gräfin v. Zinzendorf, Altona 1800. – (Chr. Gregor,) Historische Nachricht vom Brüdergesangbuche des Jahres 1778, 2. Aufl. Gnadau 1851, S. 194–195. – Nachrichten aus der Brüdergemeine 1852, 34. Jahrgang, Gnadau S. 797–811. – (E. W. Cröger,) Geschichte der erneuerten Brüderkirche, Gnadau 1852–1854, 3 Bde. (siehe das Register). – Ed. Em. Koch, Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesanges, I, 5, 3. Aufl. S. 329–331, Stuttgart 1868. – Der Lebenslauf der Frei-Frau v. Watteville ist abgedruckt in den Nachrichten aus der Brüdergemeine 1873, Gnadau, S. 782–794.