ADB:Weber, Joseph

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Artikel „Weber, Joseph“ von Alfred Ritter von Arneth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 314–316, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Joseph&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 14:25 Uhr UTC)
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Weber: Joseph W. kam am 1. Juni 1755 in Wien als der Sohn eines gut bürgerlichen Ehepaares, des in Diensten der Stadt und zwar in der sehr bescheidenen Anstellung eines Mehlamtsofficials befindlichen Johann Georg W., der es allerdings im Laufe der Jahre bis zu einem Mitgliede des Stadtrathes brachte, und seiner Ehefrau Marie Constanze Hoffmann zur Welt. Taufpathe war der kaiserliche Zimmerwärter Johann Kupelwieser, und möglicher Weise war er es, der die Veranlassung gab, daß auch Frau Weber, welche man nicht nur als wackere Ehegattin kannte, sondern die auch ein einnehmendes Aeußeres und eine kräftige Gesundheit besaß, von der Kaiserin Maria Theresia nach der am 2. November 1755 erfolgten Geburt der Erzherzogin Marie Antonie dazu ausersehen wurde, gleichzeitig mit ihrem eigenen Sohne auch die Neugeborene Prinzessin zu stillen. Da die Kaiserin in jeder Beziehung mit Frau Weber zufrieden war, überhäufte sie dieselbe mit Zeichen ihres Wohlwollens und wendete auch dem Sohne als dem Milchbruder ihrer Tochter ihre Gunst zu. Oft durfte der wohlgesittete Knabe als Spielgenoß der kleinen Erzherzogin in der Hofburg sich einfinden. Als die Prinzessin, dem Dauphin von Frankreich zur Gemahlin bestimmt, zur Abreise von Wien sich anschickte, nahm sie von ihrer ehemaligen Amme und deren Sohn rührenden Abschied. Den letzteren empfahl sie der gütigen Fürsorge ihrer Mutter, wodurch allein schon hinreichend erwiesen ist, daß W. nicht, wie oft von ihm gesagt wurde, die Dauphine nach Frankreich begleitete, sondern daß er vor der Hand und noch durch recht lange Zeit in Wien blieb. Er besuchte noch einige Jahre hindurch die dortige Universität und erhielt, nachdem er an ihr die juridischen Studien vollendet und auch die französische Sprache so ziemlich erlernt hatte, im zwanzigsten Jahre seines Alters auf Bitten seines Vaters von der Kaiserin eine freilich nur geringfügige Anstellung als Accessist bei der böhmischen und österreichischen Hofkanzlei mit zweihundert Gulden Jahresgehalt. Dabei fiel ihm wol auch noch manches Geschenk von Seite seiner erlauchten Gönnerin zu, aber mit ihrem Tode nahmen auch seine Verhältnisse eine weniger erfreuliche Gestalt an. Er begann sich immer mehr danach zu sehnen, seine Altersgenossin wiederzusehen, welche inzwischen den französischen Königsthron bestiegen hatte, und er schmeichelte sich wol auch mit der Hoffnung, durch ihre Gunst dort eine befriedigendere Stellung zu erreichen. Die Dazwischenkunft des französischen Botschafters Breteuil verschaffte ihm einen längeren Urlaub, und am 16. October 1782 sah er zum ersten Male die Königin wieder, hochbeglückt durch den wohlwollenden Empfang, den er bei ihr fand. Sie verschaffte ihm in dem französischen Departement der Finanzen einen allerdings auch nur wenig bedeutenden, aber doch viel einträglicheren Posten, als der in Wien gewesen war, denn ein Gehalt von eintausend Thalern war mit ihm verbunden. Gleich nachdem er die Zustimmung des Kaisers Joseph hierzu erhalten, trat W. ihn an. Selbstverständlich blieb er in steter Verbindung mit den Angehörigen des Haushaltes der Königin, und insbesondere waren es ihr Beichtvater, der Abbé de Vermond und ihre beiden Kammerfrauen Thibault und Campan, mit denen er häufig und freundschaftlich verkehrte. Als endlich im Sommer 1786 die Erzherzogin Marie Christine mit ihrem Gemahl, dem Herzoge Albert von Sachsen-Teschen auf Besuch von Brüssel nach Versailles kam, forderte die Königin, welche W. unablässig Zeichen ihrer Gunst gab, ihn persönlich auf, ihrer Schwester seine Aufwartung zu machen. Es begreift sich leicht, daß unter diesen Verhältnissen [315] das Gefühl der Anhänglichkeit an die Königin, in welchem W. aufgewachsen war, nur noch tiefere Wurzeln in ihm schlug und ihn zuletzt vollständig beherrschte. Gelegenheit, dies durch die That zu beweisen, bot ihm die überhandnehmende Revolution in reichlichem Maße dar. Als Augenzeuge schildert er in dem Werke, das er nach dem Tode der Königin über die Ereignisse ihres Lebens schrieb, die wichtigsten Begebenheiten der schrecklichen Zeit, die mit dem Jahre 1789 über sie kam. Er war in Versailles, als am 5. October die bewaffneten Horden aus Paris dahin stürmten, und er hielt sich zu Pferde in der Nähe des Wagens, in welchem der König und die Königin gleichsam als Gefangene des rasenden Pöbels dessen Rückmarsch nach Paris sich anschließen mußten.

Die Schrecknisse dieser Tage, so arg sie auch sein mochten, reichten doch nicht von fern an die heran, welche am 10. August 1792 über die königliche Familie und ihren damaligen Wohnsitz, die Tuilerien hereinbrachen. Schon ehe dies geschah, hatte sich W. in die Abtheilung der Nationalgarde, in deren Bereich sein Quartier lag, und zwar um so lieber einschreiben lassen, als dieselbe am 20. Juni, dem Tage, an welchem der König gezwungen worden war, sich die phrygische Mütze auf das Haupt stülpen zu lassen, sich ihm treugesinnt bewiesen und ihn wiederholt aus augenscheinlicher Lebensgefahr errettet hatte. Noch weit drohender erneuerte sich dieselbe am 10. August, jenem schrecklichen Tage, an welchem der wuthschäumende Pöbel die Tuilerien erstürmte und die treuen Schweizergarden schmachvoll ermordete. Mit ihnen fielen zahlreiche andere Vertheidiger des Königs, in deren Reihen sich auch W. befand und durch besondere Hingebung hervorthat. Er behauptet daß sogar die Königin, welche er bei diesem Anlasse zum letzten Male sah, seine grenzenlose Aufregung bemerkt und ihn durch ihre Schwägerin Elisabeth habe ermahnen lassen, mehr Fassung zu bewahren. Als sie dies that, war sie im Begriffe, sich mit dem Könige und ihrer Familie in die Mitte der Nationalversammlung zu retten, von wo sie bekanntlich mit den Ihrigen nach dem Tempel gebracht und dort bis zu ihrer Hinrichtung gefangen gehalten wurde. In die Unmöglichkeit versetzt, ihr noch irgendwie beizustehen, war W. von nun an nur mehr auf seine Rettung bedacht. Er wurde zwar verhaftet und vor das Revolutionstribunal gestellt, aber mit der Bedingung freigegeben, sich zur Armee an der Grenze zu verfügen und dort gegen die Feinde Frankreichs zu kämpfen. Seinen Freunden gelang es jedoch, ihm Mittel und Wege zu verschaffen, aus Frankreich zu entkommen. Am 18. September 1792 schiffte er sich in Havre nach England ein, landete in Portsmouth und begab sich nach London, wo der österreichische Botschafter Graf Philipp Stadion sich ihm hülfreich erwies. Der Herzog von Choiseul aber nahm ihn mit nach Brüssel, wo er sich der Erzherzogin Marie Christine und ihrem Gemahl vorstellte, denen er sich vor sechs Jahren unter glücklicheren Verhältnissen in Versailles hatte nähern dürfen. Die Hoffnungen, welche W. auf sie setzte, wurden nicht getäuscht, denn er erhielt nicht nur von ihnen gleich nach seiner Ankunft in Brüssel ein ansehnliches Geschenk, sondern auch die Zusicherung einer Jahrespension, welche ihm bis zu seiner anderweitigen Versorgung ausbezahlt werden sollte. Aber die Erzherzogin und ihr Gemahl geriethen durch das Vordringen der Franzosen in Belgien bald in die äußerste Bedrängniß. Sie flüchteten nach Wesel, und von hier aus wurde W. von dem bevollmächtigten Minister Grafen Metternich mit der Nachricht nach Wien gesandt, daß England sich der Coalition gegen Frankreich anschließe. Von dem Augenblicke seiner Rückkehr nach seinem Vaterlande versiegen die Nachrichten über Weber’s fernere Lebensschicksale fast ganz. Wir wissen nur, daß er nach einiger Zeit nach England zurückkehrte, wann und aus welchen Gründen er dies that, ist uns jedoch unbekannt. In England schrieb er unter dem Titel „Mémoires concernant Marie Antoinette“ ein dreibändiges [316] Werk, dem allein er es verdankt, daß sein Name auch heute noch nicht völlig vergessen ist. Freilich knüpft sich nicht an seine Persönlichkeit, sondern an die der unglücklichen Königin von Frankreich das Interesse, welches dieser Publication selbst jetzt noch innewohnt. Vom einseitigsten Standpunkte aus geschrieben, steht es als geschichtliches Werk durchaus auf keiner hervorragenden Stufe und ist jedenfalls durch die neuere historische Litteratur weit überholt. Aber in der Zeit, in der es erschien, war es eine der ersten von einem Augenzeugen herrührenden Darstellungen von Ereignissen, deren furchtbarer Eindruck in den meisten der damals am Leben Befindlichen noch keineswegs verlöscht war. So erklärt es sich, daß Weber’s Buch, dessen erster Band im J. 1804 erschien, großes Aufsehen erregte und insbesondere in den aristokratischen und legitimistischen Kreisen, für die es recht eigentlich geschrieben war, lebhaften Anklang fand. Das dem zweiten, im J. 1806 erschienenen Bande vorgedruckte Verzeichniß der Subscribenten weist einen Absatz von weit mehr als zweitausend Exemplaren aus. Und als im J. 1809 der dritte Band ans Licht getreten war, sandte ihn der kaiserliche Botschafter in London, Fürst Starhemberg an den Kaiser Franz, der dem Verfasser hiefür eine goldene Dose zukommen ließ. Daß sich jedoch W. auch noch später in England und dort in recht mißlicher Lage befand, geht daraus hervor, daß ihn auch noch im J. 1813 der damalige Gesandte Freiherr v. Wessenberg der Gnade des Kaisers empfahl, weil er großentheils von einer kleinen Pension des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen und von den Unterstützungen der französischen Prinzen sein kümmerliches Dasein friste. Seither ist jede Nachricht über ihn verstummt und wir wissen nicht, wann und wo er geendet.