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ADB:Weidensee, Eberhard

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Artikel „Weidensee, Eberhard“ von Waldemar Kawerau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 448–450, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weidensee,_Eberhard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:40 Uhr UTC)
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Weidensee: Eberhard W., lutherischer Geistlicher des 16. Jahrhunderts. Sein Name lautet auf den meisten seiner Schriften Weydensehe oder Weydenßee; nur in zwei Tractaten aus dem Jahre 1526 begegnet uns die Form Widensee. Er war 1486 in Hildesheim geboren, studirte in Leipzig, vielleicht auch in Paris, und war 1520 Propst des mit einer Schule verbundenen St. Johannisklosters zu Halberstadt. Hier wandte er sich der neuen Lehre zu, die er alsbald freimüthig sowol in seinen Vorlesungen als auch in seinen Predigten in der Martinikirche verkündigte. Die Folge war zu Anfang des Jahres 1523 eine Citation nach Halle, der er jedoch Krankheits halber nicht Folge leisten konnte (Schreiben [449] vom 18. April 1523); erst im Spätsommer konnte er dort zu mündlicher Verhandlung erscheinen, nach deren Verlauf er es vorzog, mit Hinterlassung aller seiner Habe bei Nacht und Nebel aus Halberstadt zu entweichen. Er selbst berichtete über diese Flucht in der im Juli 1524 zu Magdeburg erschienenen Auslegung des elften Psalms, wonach sich die romanhaft ausgeschmückten Erzählungen der Halberstädter Chronisten berichtigen. Er kam zunächst nach Magdeburg, wo er im Augustinerkloster Zuflucht fand, verweilte dann einige Zeit in Wittenberg, und kehrte zu Anfang des Jahres 1524 wieder nach Magdeburg zurück, wo er nunmehr rasch ein ausgedehntes Arbeitsfeld finden sollte. Der „flüchtige Propst von Halberstadt“ wurde zunächst zum Prediger an St. Ulrich bestellt, dann aber zum Geistlichen der Jacobikirche berufen, wo er am 25. Juli 1524 feierlich in sein Amt eingeführt wurde. Am 2. October heirathete er die Tochter eines Magdeburger Bürgers, deren Name uns nicht überliefert ist. Frisch und energisch griff er nunmehr in die reformatorische Bewegung ein und wirkte in hervorragender Weise mit am Auf- und Ausbau der evangelischen Kirche, unter den Magdeburger Theologen jener Tage nicht nur der gelehrteste, sondern auch der rührigste, indem er insbesondere in wirkungsvollen populären Flugschriften den papistischen Gegnern zu Leibe ging und die Neuerungen ihren Angriffen gegenüber vertheidigte. Sein erstes Schriftchen: „Eynn tractetleyn von dem glawben, stand vnnd weßend der vnmundigen vnd vnuorstendtlichen kindelein“ behandelte die Frage der Kindertaufe in einer Weise, die den Einfluß Karlstadt’s nicht verkennen läßt; ihm folgte am 23. Juli 1524 die niederdeutsch geschriebene Auslegung des elften Psalms: „De Elffte psalm vthgelecht“; am 9. August desselben Jahres veröffentlichte er in Gemeinschaft mit Melchior Mirisch und Johann Fritzhans achtzehn Thesen (abgedruckt bei Fr. Hülße, Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg. Magdeburg 1883, S. 95 ff.), die als das eigentliche Reformationsmanifest der Magdeburger zu betrachten sind. An sie knüpfte sich ein hartnäckiger Federkrieg mit der papistischen Domgeistlichkeit, den W. in Gemeinschaft mit dem volksthümlichen ehemaligen Franciscaner Johann Fritzhans (s. über diesen Magdeb. Geschichtsblätter 29, 214–242) tapfer und schlagfertig ausfocht. In zwei frisch und lebhaft geschriebenen Prosadialogen (1526) wiesen sie die Anklagen zurück, die die Gegner auf der Kanzel des Domes wider die Evangelischen erhoben hatten, begründeten im gleichen Jahre in einer umfangreichen Denkschrift für den Rath: „Der Barfußer zu Magdeburg grund yhres Ordens“ die Schriftwidrigkeit der Klostergelübde und polemisirten endlich gemeinsam gegen den vormaligen Magdeburger Dominicaner Johann Mensing, der jetzt von Dessau aus der arg bedrängten Domgeistlichkeit zu Hülfe kam. Aber noch ehe in diesem Streit das letzte Wort gesprochen war, folgte W. im Winter 1526 einem Rufe des Herzogs Christian, des nachmaligen Königs von Dänemark, nach Hadersleben, wo er die folgenden sieben Jahre hindurch eine so umfassende wie erfolgreiche reformatorische Thätigkeit entfaltete. Er widmete später – im Jahre 1541 – dem Könige seine Schrift: „Eyne Alte Prophecey, Von der verstörung des Keyserlichen Bapstumbs“ mit folgenden Worten: „Nun hab ich jnn E. K. Maiestat dienst wol ein scheffel saltz gessen, hab aber E. K. M. anderst nicht vermerckt (welchs ich on heucheln, jnn der warheit, vnd mit gutem gewissen sage), denn das E. K. M. eine furtreffliche vnd sonderliche lust vnd liebe zum heiligen Euangelio hat, vnd dasselbige zufurderen von hertzen grund geneigt ist, das hab ich die siebendhalb jar, da ich bey E. K. M. zu Hadersleben im dienst vnd Predigampt war, aus E. K. M. worten vnd wercken wol gespüret.“ Und eifrig war auch er bemüht, im Dienste dieses Fürsten das Evangelium zu fördern: gleich nach seiner Berufung hielt er [450] im Amte Hadersleben eine Kirchenvisitation ab, infolge deren die Geistlichen dieses Districts die evangelische Lehre annahmen und aus den Händen des Herzogs aufs neue ihre Bestallung empfingen; gleichzeitig griff er energisch in den Kieler Abendmahlsstreit ein und schrieb gegen den Schwarmgeist Melchior Hofmann im ausdrücklichen Auftrage des Herzogs das vom 4. Februar 1529 datirte Schriftchen: „Een Vnderricht na der hilligen Schrift“. Da kam ihm nach sieben arbeitsreichen Jahren ein neuer Ruf, der ihn in seine niedersächsische Heimath zurückführen sollte. Im J. 1533 war in Goslar der Superintendent Paul von Rhoda gestorben, als dessen Nachfolger er in demselben Jahre in die alte Kaiserstadt einzog. In dankbarer Erinnerung widmete er hier, wie schon erwähnt, dem Könige von Dänemark seine „Prophezeiung von der Verstörung des kaiserlichen Papstthums“ (1541), die eine an zeit- und sittengeschichtlichen Bemerkungen reiche Auslegung des 14. Capitels der Offenbarung enthält, und schrieb hier, gleichfalls in den ersten vierziger Jahren, einen eifernden „Sermon von dem grausamen vnd vnmenschlichen laster des volsauffens“, der sich in die reiche Trinklitteratur des 16. Jahrhunderts einreiht und gleichfalls sittengeschichtlich von besonderem Interesse ist. In Goslar starb W., 61 Jahre alt, am 13. April 1547.

H. Muhlii Dissertationes Historico-Theologicae. Kiel 1715, S. 46 ff. – Unschuldige Nachrichten 1728, S. 861 ff. (Auf diesem Aufsatz beruht der Artikel in Zedler’s Universal-Lexikon 55, Sp. 1896 ff.) – Ueber die Vorgänge in Halberstadt vgl. W. Langenbeck, Geschichte der Reformation des Stiftes Halberstadt. Göttingen 1886, S. 15 f. – Ueber Weidensee’s Aufenthalt in Magdeburg: G. Hertel, „Die Historia des Möllenvogtes Sebastian Langhans“ in den Magdeburg. Geschichtsblättern 28, 283–347; Fr. Hülße, Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg. Magdeburg 1883; W. Kawerau, Eberhard Weidensee und die Reformation in Magdeburg. Halle 1894. – Ueber Weidensee’s Thätigkeit in Hadersleben: J. Leendertz, Melchior Hofmann. Haarlem 1883, S. 116 f. und Zur Linden, Melchior Hofmann. Haarlem 1885, S. 131 f.