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ADB:Hoffman, Melchior

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Artikel „Hofmann, Melchior“ von Heinrich Holtzmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 636–637, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffman,_Melchior&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:35 Uhr UTC)
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Hofmann: Melchior H., reformatorischer Schwärmer und Prophet, geb. zu Schwäbisch Hall wol vor 1500, † in Straßburg 1543 oder 1544. Seines Gewerbes ein Kürschner, ohne jede wissenschaftliche Bildung und zeitlebens den Eingebungen einer bis zu Visionen sich steigernden Phantasie preisgegeben, dabei aber aufgeweckt und redebegabt, überzeugt und unerschrocken, reiste er mit seinem Handwerks- und Gesinnungsgenossen Melchior Rinck 1524 nach Schweden und predigte darauf die bilderstürmende und radicale Reformation mit Erfolg 1525 und 26 in Dorpat. Der Aufenthalt in dieser Stadt war durch eine Reise nach Wittenberg unterbrochen gewesen, wohin er auch wieder zurückkehrte. Wie er sich aber schon auf der Reise mit Amsdorf verzankt hatte, so wurde er jetzt auch von Luther kalt empfangen. Was ihn den Reformatoren lästig werden ließ, tritt schon in seiner 1527 gedruckten Auslegung des 12. Capitels im Daniel deutlichst zu Tage: eine theils theosophisch, theils spiritualistisch angelegte Abendmahlslehre, schwärmerische Erwartung des auf 1533 angesetzten Weltendes, absolut demokratische Grundsätze in Bezug auf Kirchenverfassung, wie Forderung der freien Predigerwahl, Laienpredigt etc. Gleichwol wurde er noch im selben Jahr von Friedrich I. von Dänemark in Kiel angestellt und fühlte sich nicht wenig als „königlicher Würden gesetzter Prediger“. Während aber seine eigenen Predigten bald einen bizarren und injuriösen Charakter annahmen, verwickelte ihn sein alter Feind Amsdorf, unterstützt durch den Schleswiger Pfarrer Marquard Schuldorp, mit dem Hofprediger des Kronprinzen Christian, Eberhard Weidensee, in eine Reihe gefährlicher Controversen, zuletzt über das Sacrament des Altars. Nachdem er über diesen Gegenstand am 8. April 1529 zu Flensburg in Gegenwart des Kronprinzen und Bugenhagen’s disputirt und dabei die reale Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl geleugnet hatte, wurde er mit Weib und Kind aus dem Lande gejagt und sein Haus geplündert. Der Verbannte wandte sich nach der, damals wegen ihrer Toleranz gegen die Sekten bekannten, Reichsstadt Straßburg, wo er von nun ab sein ständiges Quartier aufschlug, als Conventikelprediger und Prophet einen zahlreichen Anhang, besonders in den unteren Volksklassen, fand und im Verlauf von drei Jahren eine Reihe von Schriften veröffentlichte, wie „Auslegunng der himmlischen Offenbarung Johannis“, „Weissagung aus heiliger göttlicher Schrift von der Zukunft des türkischen Tyrannen“, „Prophezeiung oder Weissagung aus der hl. Schrift von allen Wundern und Zeichen bis zur Zukunft Christi“, „Der Leuchter des alten Testaments ausgelegt“, „Von der Menschwerdung“, „Das freudenreiche Zeugniß vom wahren, friedereichen, ewigen Evangelium“. Unterbrochen war dieser Straßburger Aufenthalt durch eine zweimalige, wahrscheinlich dreimalige Anwesenheit in den Niederlanden, wo H. namentlich in Emden einen Haufen von begeisterten Anhängern um sich sammelte und in die für ihn verhängnißvolle Verbindung mit den Wiedertäufern trat. Der Prophezeiung eines dieser Gemeinde angehörigen alten Mannes trauend, kehrte er 1533 nach Straßburg zurück, wo er zwar, wie ihm geweissagt worden war, bald gefangen gesetzt, keineswegs aber, wie er weiter gehofft hatte, nach einem halben Jahre wieder befreit wurde, um den Erdkreis zu seiner Lehre zu bekehren. Zunächst mußte er sich am 11. Mai vor einer, gegen die Wiedertäufer gehaltenen, Synode, auf welcher Butzer das Wort führte, wegen vier ihm zur Last gelegten „erschröcklichen irthümber“ verantworten: er sollte nämlich im Punkt der Menschwerdung gnostisch und monophysitisch, über die Erlösung pelagianisch, über die Sündenvergebung novatianisch gelehrt und endlich die Kindertaufe verworfen haben. Unschwer ist übrigens zu erkennen, daß, was in Straßburg den nachhaltigsten Widerwillen gegen ihn hervorgerufen hatte, seine, auch nachher noch beharrlich wiederholte, Weissagung war, daß diese Stadt dazu bestimmt sei, nach blutigen Katastrophen [637] zum himmlischen Jerusalem zu werden, daraus 144 000 Sendboten hervorgehen und alle Welt bekehren würden. Nicht ohne Grund befürchtete der Rath, die Anhänger Hofmann’s möchten der Stadt etwa ein Geschick bereiten, wie es wenige Jahre nachher über das westfälische Münster hereingebrochen ist. Da überdies einige seiner Anhänger außer der Kindertaufe und dem äußeren Gottesdienste, auch die Ehe verwarfen, wurde H. noch im Sommer 1533 in das Gefängniß gebracht, wo er etwa zehn Jahre später gestorben ist. In vieler Beziehung war er mittlerweile in Folge von Unterredungen mit Butzer und Hedio zu milderen Ansichten gelangt, aber die gefährlichen Prophezeiungen konnte er nicht lassen. Vergebens ließ ihm der Magistrat das Papier wegnehmen. Er vertraute die Ausgeburten seines Gehirns nunmehr den Decken und Blättern der Bücher an, die man ihm gab, und schrieb, als man ihm auch diese nahm, zuletzt auf Tücher. Nach seinem Tode kam die Wiedertäuferei in Straßburg in schnelles Abnehmen; seine Anhänger in Emden waren schon lange vorher vertrieben und die hervorragendsten derselben im Haag hingerichtet worden.

Krohn, Melchior Hofmann und die Secte der Hofmannianer, Leipzig 1758. T. W. Röhrich, Geschichte der Reformation im Elsaß, Straßburg 1830–32. Zur Geschichte der straßburgischen Wiedertäufer: Zeitschrift für historische Theologie, 1860, S. 3 ff. G. Herrmann, Essai sur la vie et les écrits de M. Hofmann, Straßburg 1852. L. Hauth, Les anabaptistes à Strasbourg en temps de la réformation, Straßburg 1860.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 637. Z. 21 v. o.: Vgl. ferner jetzt: Fr. O. zur Linden, Melchior Hofmann, ein Prophet der Wiedertäufer, Haarlem 1885. [Bd. 24, S. 785]