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ADB:Welf IV.

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Artikel „Welf I., Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 666–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Welf_IV.&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:16 Uhr UTC)
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Welf I. (in der Familienreihe IV.), Herzog von Baiern 1070–1077 um Mai und wieder etwa seit Frühjahr 1096 bis zu seinem Tode, 8. Nov. 1101, von mütterlicher Seite ein Welfe, von väterlicher aus dem italienischen Hause Este, das nach einer nicht sehr wahrscheinlichen Hypothese ebenfalls aus welfischem Stamme erwachsen sein soll. Das uralte schwäbische Haus der Welfen hatte seine Stammgüter in dem Lande nördlich vom Bodensee, in und um Altdorf, Ravensburg, Weingarten, daneben aber seit alter Zeit ausgedehnten Besitz im bairischen Augstgau (am rechten Lechufer), wo auch das Grafenamt in ihren Händen lag, im oberen Ammerthal, im Innthal, Norithal, Vinstgau. Ein Graf oder Herzog Welf, von dessen Töchtern Judith 819 Kaiser Ludwig dem Frommen, Hemma 827 Kaiser Ludwig dem Deutschen die Hand reichte, wird geradezu als Baier bezeichnet. An den Namen der Familie knüpft die auch anderwärts wiederkehrende Sage von elf Knäblein, welche die Mutter ertränken lassen will, die damit beauftragte Alte dem Vater als junge Wölflein ausgibt. Andere Sagen zeugen von dem trotzigen Selbstgefühl und der sicher in die graueste Vorzeit hinaufreichenden Macht und Bedeutung des Hauses. So soll Eticho mit zwölf Gefährten sich in die Wildniß des Scharnitzer Waldes zurückgezogen haben aus Kummer darüber, daß sein Sohn Heinrich sich vom Kaiser [667] mit 4000 Hufen Land belehnen ließ. Ziemlich sicher ist, daß erst Welf IV. mit der Tradition seiner Familie brach, als er sich (in Deutschland) zur Uebernahme kirchlicher, d. h. bischöflicher Lehen entschloß. Der erwähnte Heinrich führt wegen einer bekannten Sage den Beinamen: mit dem goldenen Wagen. Er stiftete Kloster Altdorf, sein Sohn Konrad ward Bischof von Konstanz († 976) und heilig gesprochen. Kaiser Konrad II. entzog Welf II. 1027 die Grafschaft im Innthale, Heinrich III. aber übertrug demselben auf Bitten seiner Muhme Richlinde, der Wittwe des Grafen Adalbero von Ebersberg, nach dem Aussterben dieses Grafenhauses einen Theil von dessen Reichslehen. Welf III. erlangte 1047 das Herzogthum Kärnten, in dem er sich jedoch nicht behaupten konnte. Er starb kinderlos 1055 und nun berief seine Mutter Irmengard ihren Enkel Welf IV. (den vierten der historisch gesicherten gleichnamigen Glieder des deutschen Zweiges), einen Sohn ihrer Tochter Kunigunde und des Markgrafen Azzo II. von Este, als Erben der schwäbischen und bairischen Hausgüter nach Deutschland, wiewol das Kloster Weingarten nach einem angeblichen Vermächtnisse Welf’s III. die Erbschaft beanspruchte.

Welf IV., der so zum zweiten Stifter des welfischen Hauses in Deutschland ward, war in zweiter Ehe (seine erste Gemahlin ist nicht bekannt) mit Ethelinde, Tochter des Baiernherzogs Otto von Nordheim, vermählt. Nach dem Sturze seines Schwiegervaters brach er allmählich mit diesem, wahrscheinlich weil in ihm der ehrgeizige Plan erwachte selbst Herzog von Baiern zu werden. In diesem Streben fand er wirksame Unterstützung bei Herzog Rudolf von Schwaben und um sein Ziel zu erreichen, scheute er keinen Aufwand, ja er scheute sich nicht seine Gemahlin ihrem Vater zurückzusenden und sich gegen König Heinrich IV. eidlich zu verpflichten, daß er sie nie wieder zu sich nehmen werde. Er heirathete dann Judith, die Tochter des Grafen Balduin V. von Flandern, Wittwe des Earls Tostig von Northumberland, und ward zu Weihnachten 1070 zu Goslar von Heinrich IV. mit dem bairischen Herzogthume belehnt. Daß der König die bairischen Großen darüber nicht zu Rathe gezogen hatte – er hatte sich gerüstet etwaigen Widerstand im Keime zu ersticken –, blieb nicht ohne Wirkung auf die Machtstellung des neuen Herzogs, der in Baiern keine festen Wurzeln schlagen konnte. Daran hatten freilich auch die stürmischen Bewegungen dieser Zeit ihren Antheil. Als ganz Sachsen im Verein mit den Herzogen Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten dem Könige feindlich gegenüber trat, gesellte sich auch Welf den Unzufriedenen bei und bewies gegen den König nun denselben Undank, den vordem sein Schwiegervater erfahren hatte. Daß Heinrich das Osterfest 1073 in Regensburg feierte, deutet auf Wiederherstellung seines guten Verhältnisses zum Herzoge, nachdem aber die Sachsen und die Herzoge Rudolf und Berthold dem Könige offen den Gehorsam gekündigt hatten, stand W., wenn auch, wie es scheint, mit vorsichtigerer Zurückhaltung auf ihrer Seite, verweigerte jedenfalls dem Könige seine Unterstützung gegen die Aufständischen. Der mit den Sachsen zu Gerstungen (2. Febr. 1074) abgeschlossene Frieden legte dem Könige die Wiedereinsetzung Otto’s von Nordheim in Baiern auf, doch die Durchführung scheiterte an dem Widerstand der drei oberdeutschen Herzoge. Und da nun sein Herzogthum auf dem Spiele stand, führte W. seine Baiern dem Heere zu, das der König zu Breitenbach an der Fulda gegen die Sachsen sammelte. In der Schlacht bei Homburg (1075) brachte er durch rechtzeitiges Eingreifen mit seinen Baiern die durch den Anprall der Sachsen erschütterte schwäbische Schlachtreihe wieder zum Stehen und hatte großen Antheil an dem theuer erkauften Siege.

In dem großen Streit des Königs mit Papst Gregor VII. fand die päpstliche Sache in W. einen ihrer eifrigsten Vorkämpfer. Politische und egoistische [668] Interessen, die enge Verbindung seines Vaters mit Gregor und seine eigene Bundesgenossenschaft mit Rudolf von Schwaben wiesen ihn auf diese Seite. Schon vor der Kaiserin Agnes hatte er sich einst Gregor VII. zur Treue verpflichtet, wofür ihm nach dem Tode seines Vaters die Nachfolge in dessen päpstliche Lehen zugesagt worden war. Als der gebannte Bischof Rupert von Bamberg nach Rom ziehen wollte, um des Papstes Verzeihung zu erlangen, hielt ihn W., dem diese Aussöhnung unwillkommen war, in den Alpen auf, behielt ihn trotz aller Bitten und Geschenke seiner Freunde bis gegen Ende August 1077 in Haft, nahm ihm, während er die kirchlichen Schätze seines Gepäcks seinem Domcapitel zustellen ließ, alles Reisegeld ab, ja versuchte ihm die Abtretung von 1000 Mansen, wol des ganzen bischöflichen Landbesitzes, zu erpressen.

Nach dem Tage von Canossa nahm W. (Febr. 1077) in Ulm an der Berathung der oberdeutschen Herzoge und mehrerer Bischöfe theil. Die am 15. März 1077 zu Forchheim vollzogene Wahl Rudolf’s von Schwaben zum Könige war wahrscheinlich die Frucht dieser Berathung. Als Rudolf dann nach Sachsen zog, übernahmen W. und Berthold den Schutz seines Herzogthums gegen den König. Um den 1. Mai aber erschien dieser, von den Baiern jubelnd begrüßt, in Regensburg, das ihm auch in den Kämpfen der nächsten Jahre den festesten Stützpunkt bot. Es zeigte sich, daß der bairische Adel mit wenigen Ausnahmen nichts von W. wissen wollte, zumal nachdem dieser Ende Mai auf dem Reichstage zu Ulm gleich den beiden andern oberdeutschen Herzogen als Majestätsverbrecher geächtet, entsetzt und seine Reichslehen unter des Königs Anhänger vertheilt worden waren. Das Herzogthum Baiern behielt der König in seiner eigenen Hand, den Grafen Eckbert von Formbach, unter den weltlichen Großen des Landes fast den einzigen Anhänger des Papstes, des Gegenkönigs und Welf’s, zwang er durch einen Winterfeldzug zur Flucht nach Ungarn. Im November 1078 mußte W. die Verwüstung seiner schwäbischen Güter durch den von Baiern her einbrechenden König dulden, er selbst unternahm in diesem Winter eine glückliche Kriegsfahrt nach Churrätien. In Ulm ließ er dem jungen Berthold von Zähringen als Nachfolger Rudolf’s im Herzogthum Schwaben huldigen. Wenig Schrecken jagte ihm wol der über ihn ausgesprochene Kirchenbann der Brixener Synode (Juni 1080) ein. Als Heinrich IV. Ende März 1084 gegen Rom aufbrach, setzte der Papst seine Hoffnung besonders auf W., dieser aber fand seinen Vortheil mehr darin, die Abwesenheit des Königs zur Verstärkung seines Anhangs in Baiern auszunutzen. Im Sommer 1081 ward besonders auf Welf’s Betreiben Graf Hermann von Luxemburg als neuer Gegenkönig aufgestellt. Im Verein mit diesem und mit einem schwäbischen Heere schlug er (11. Aug. 1081) bei Höchstädt a. d. Donau die bairischen Anhänger König Heinrich’s, besonders Kuno, den Sohn des gleichnamigen bairischen Pfalzgrafen, und den Herzog Friedrich von Schwaben. In den folgenden Jahren tobte der wilde Bürgerkrieg in Oberdeutschland fort. W. hatte es besonders auf Augsburg abgesehen, das er auch Anfang 1084 in seine Gewalt bekam und mit gründlicher Plünderung heimsuchte. Im August 1084 aber räumte er die Stadt vor dem Kaiser, der ihm mit seinem Heere vierzehn Tage am Lech gegenübergestanden war. 1086 zeigt sich Welf’s bairischer Anhang namhaft verstärkt, mit diesem und dem Gegenkönig Hermann brachte er am 11. August dem Kaiser bei Pleichfeld eine empfindliche Niederlage bei. W. selbst und seine Ritter waren in dieser Schlacht von den Pferden gestiegen und hatten zu Fuß aufs tapferste gefochten. Im December überfielen W. und Berthold den Kaiser und zwangen ihn von der Belagerung einer (nicht genannten) bairischen Burg abzustehen. Augsburg, das W. schon 1087 nahe [669] daran war zu gewinnen, brachte er in der Nacht des 12. April 1088 durch Sturm neuerdings in seine Gewalt, worauf er die Befestigungen der Stadt schleifte und den Bischof Siegfried als Gefangenen mit sich führte.

Welf’s hartnäckiger und mehr und mehr erfolgreicher Widerstand brachte Heinrich IV. endlich auf den Gedanken durch Rückgabe des bairischen Herzogthums an ihn seine Lage zu befestigen. Doch führten die vielleicht schon um Weihnachten 1089 zu Regensburg begonnenen, dann im Februar 1090 zu Speier gepflogenen Unterhandlungen lange zu keinem Erfolg, zumal da die Ehe zwischen Welf’s gleichnamigem Sohne und der Gräfin Mathilde von Tuscien die Welfen durch ein neues Band an die päpstliche Partei fesselte. Als der junge Welf dann in seinen lombardischen Kämpfen den kürzeren zog und in Schwaben mehrere Herren der päpstlichen Partei den Rücken wandten, nahm W. die Verhandlungen mit dem Kaiser wieder auf und begab sich im August 1091 an dessen Hoflager nach Verona. Da er jedoch den Gegenpapst Wibert nicht anerkennen, Heinrich diesen nicht fallen lassen wollte, zog er wieder unausgesöhnt von dannen. Als Herr der Alpenpässe war er im Stande, eine Zusammenkunft Heinrich’s mit dem Ungarnkönige Koloman zu vereiteln. Ja er betrieb sogar die Wahl eines neuen Gegenkönigs. 1093 brachte er Augsburg, wohin Bischof Siegfried zurückgekehrt war, durch Ueberfall zum dritten Male in seine Gewalt. Er ging wieder über die Alpen, um Heinrich’s IV. rebellischem Sohne Konrad, dem neuen italienischen Könige, seine Dienste anzubieten. In die Hand des päpstlichen Legaten, Gebhard’s von Konstanz, leistete er den Treueid und vor Ostern 1094 wohnte er der Synode zu Konstanz bei, welche dieser abhielt. Vorher hatte er in Ulm einen Landfrieden beschwören lassen, der besonders den gregorianischen Clerus schirmen sollte, und demselben auch in Baiern Geltung verschafft. Endlich aber trieb das Zerwürfniß des jungen Welf mit seiner Gemahlin – der Vater W. hatte vergeblich angestrebt, daß diese seinen Sohn schon jetzt in den Besitz ihrer Güter einsetze – Vater und Sohn zur Annäherung an den Kaiser. Im Sommer 1095 über die Alpen zurückgekehrt, knüpften sie neue Unterhandlungen an, die endlich im folgenden Jahre, nachdem auch der alte Azzo, ein angeblich mehr als hundertjähriger Greis, den kaiserlichen Hof aufgesucht hatte, zur Aussöhnung führten. Die über W. ausgesprochene Acht ward nun aufgehoben und das Herzogthum Baiern ihm zurückgestellt. In seinen letzten Lebensjahren verstärkte W. noch seine Hausmacht durch das Erbe des Grafen Otto von Buchhorn und einen großen Theil der Besitzungen des Grafen Liutold von Achalm. Wegen der italienischen Stammgüter gerieth er in Streit mit seinen Stiefbrüdern Hugo und Fulko. Unterstützt von den Eppensteinern, nahm er diesen anfangs die meisten Güter, die sie occupirt hatten, mit Gewalt wieder ab, später verglich er sich mit Fulko friedlich über eine Theilung. 1101 stellte sich W. trotz seiner hohen Lebensjahre an die Spitze des ersten deutschen Kreuzzuges. Am 1. April erfolgte der Aufbruch. Bekanntlich ist fast das ganze Heer, meist Baiern und Franzosen, den Waffen des Feindes oder Krankheiten erlegen. W. war schon krank auf den Tod, als er nach Jerusalem gelangte, und starb auf der Heimfahrt am 8. November 1101 zu Paphos auf Cypern. Seine Gebeine wurden später nach dem welfischen Familienkloster Altdorf gebracht. Kriegerische Tüchtigkeit, Schlauheit, rücksichtslose Selbstsucht, Habgier und Treulosigkeit sind die Züge, die in seinem mehr lombardischen als deutschen Wesen am deutlichsten hervortreten.

Giesebrecht, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit III. – Meyer von Knonau, Jahrbücher K. Heinrich’s IV., bes. II. 24 flg. und derselbe über die Unzuverlässigkeit in den genealogischen Angaben der Historia Welforum (Forschgn. [670] z. deutschen Geschichte XIII, 79 flg.). – Chr. Fr. Stälin, Wirtembergische Geschichte I, 556 flg. – Riezler, Geschichte Baierns I, 507 flg.