Zum Inhalt springen

ADB:Wieprecht, Wilhelm Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wieprecht, Wilhelm Friedrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 424–425, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wieprecht,_Wilhelm_Friedrich&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 02:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wiens, Eberhard
Band 42 (1897), S. 424–425 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm Wieprecht in der Wikipedia
Wilhelm Wieprecht in Wikidata
GND-Nummer 117366021
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|42|424|425|Wieprecht, Wilhelm Friedrich|Robert Eitner|ADB:Wieprecht, Wilhelm Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117366021}}    

Wieprecht: Wilhelm Friedrich W., Generalmusikdirector sämmtlicher Musikchöre des preußischen Gardecorps, geboren am 10. August 1802 zu Aschersleben, † am 4. August 1872 in Berlin. Eine Selbstbiographie gibt uns die sicherste Kunde über seinen Lebenslauf. Danach erhielt er von seinem Vater, der in Aschersleben Stadtmusikant war, eine fachgemäße übliche Ausbildung auf ziemlich allen Blasinstrumenten; ganz besonders hielt der Vater aber darauf, daß er sich als Violinspieler ausbildete um einstmals in der Kunst eine höhere Stufe zu erreichen. Im J. 1819 wanderte er nach Dresden, fand am Concertmeister L. Haase eine väterliche und künstlerische Stütze und machte im Violinspiel und der Composition tüchtige Fortschritte. Ein Jahr später erhielt er in der Leipziger Stadtcapelle eine Anstellung, wirkte auch in der Theatercapelle und im Gewandhausorchester mit, theils als Violinist, theils an der Clarinette, auf der er sich ebenfalls eine tüchtige Fertigkeit erworben hatte. In Concerten ließ er sich aber auch als Posaunenvirtuose hören und trat mit dem berühmten Queisser in die Schranken. Von hier wanderte W. im J. 1824 nach Berlin, trat am 2. Mai in die königl. Capelle ein und wurde am 2. November als Kammermusikus angestellt. Seine Liebe und Begabung für Militärmusik erhielt in Berlin reiche Nahrung und er schrieb mehrere Defilirmärsche, die durch Vermittlung seines Bruders, der als Oboist im Heere unter August Neithardt diente, zur Aufführung kamen und sich eines solchen Beifalls erfreuten, daß sie als Armeemärsche aufgenommen wurden. Bald darauf schrieb er ein größeres Werk für Militärmusik, welches die Aufmerksamkeit Spontini’s auf ihn zog, so daß er ein ständiger Gast in Spontini’s Hause wurde. Um die Mängel der damaligen Militärmusikinstrumente zu beseitigen, studirte er Akustik, verband sich mit dem Blasinstrumentenmacher J. G. Moritz, verbesserte die Ventile an den [425] Blechinstrumenten und erstrebte durch akustisch berechnete bessere Construction derselben eine größere Klangfülle und Reinheit des Tones, auch erfand er die Baß-Tuba, um dem Basse eine größere Kraft und Fülle zu geben. Infolge dieser Erfindung wurde er von der königl. Akademie am 6. Juli 1835 zum akademischen Künstler ernannt. 1839 erwarb er ein Patent auf das Holzblasinstrument Batyphon. In dieser Weise war er fortgesetzt bemüht, die Klangfülle und leichtere Spielbarkeit der Militärinstrumente zu verbessern, und seinen Bestrebungen ist es hauptsächlich zu verdanken, daß die preußische Militärmusik bei dem Wettbewerb in der ersten französischen Weltausstellung den ersten Preis erwarb. Auch die preußische Regierung ließ es nicht an Anerkennung seiner Verdienste fehlen und ernannte ihn am 6. Februar 1838 zum Director der gesammten Musikchöre des Gardecorps. Als Kaiser Nikolaus von Rußland 1838 Berlin besuchte, wurde er auf dem Schloßplatze von einem Musikchore von 1086 Musikern und 150 Tambours unter Wieprecht’s Leitung empfangen. Infolge dieses über alle Erwartung geglückten Versuches erhielt W. eine besonders für ihn angeordnete Uniform. 1843 wurde er über die gesammten Musikchöre des 10. deutschen Bundes-Armeecorps gesetzt. W. schritt indessen auf seiner Bahn weiter fort und wollte nicht nur der Militärbehörde dienen, sondern zugleich die Musikcapellen auch der Kunst dienstbar machen. Zum behufe dessen atrangirte er die Sinfonien und Ouvertüren unserer classischen Meister: Haydn, Mozart und Beethoven für Militärinstrumente, traf unter den Musikern eine Auswahl, übte sie ihnen ein und gab nun in allen größeren Städten Preußens in öffentlichen Gärten Sinfonieconcerte, die nicht allein durch ihre Neuheit, sondern auch durch die meisterhafte Ausführung allgemeine Bewunderung erregten und einen bis dahin unerhörten Zulauf hatten. Ein besonderes Zugstück war Beethoven’s Wellington’s Sieg oder die Schlacht bei Vittoria für Orchester, in der W. die verschiedenen Signalhörner im Garten an entfernteren Punkten vertheilte und die Kanonenschläge durch wirkliche Kanonen, die ihm die Militärbehörde zur Verfügung stellte, ausführen ließ. Der Effect war überraschend und Wieprecht’s Name war in aller Leute Mund, denn nicht nur im Garten selbst war bei solchem Anlaß kein Plätzchen unbesetzt, sondern die ganze Umgebung war von dichten Menschengruppen angefüllt, die dem Concerte lauschten und jedes Musikstück mit tausendstimmigem Bravo belohnten. Auch vom Auslande wurde W. mehrfach berufen, die Militärmusik zu reorganisiren, so in der Türkei 1847 und im Freistaate Guatemala in Amerika 1852. Auch für das leibliche Wohl seiner Musiker war er stetig besorgt, indem er Wittwen- und Waisencassen errichtete, die bald über genügende Capitalien verfügten, um eine wesentliche Stütze zu gewähren. Auch andere Cassen stiftete er, wie die Pensions-Zuschußcasse für die Musikmeister des preußischen Heeres, die 1859 vom Ministerium bestätigt wurde. Außer zahlreichen Märschen componirte er auch Soldatenlieder und in den Berliner Musikzeitungen trat er öfters als Mitarbeiter auf, stets das Thema der Militärmusik behandelnd. Trotz der Ehren, die ihm von allen Seiten zu Theil wurden, blieb er ein einfacher, freundlicher und stets zum Helfen bereiter Mann, daher er auch die Liebe und Achtung seiner Mitmenschen in hohem Grade bis zu seinem Lebensende genoß.

v. Ledebur, Tonkünstler-Lexicon Berlins. 1861.