Zum Inhalt springen

ADB:Wilda, Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wilda, Wilhelm Eduard“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 491–493, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilda,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 09:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wild, Sebastian
Nächster>>>
Wildauer, Mathilde
Band 42 (1897), S. 491–493 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm Eduard Wilda in der Wikipedia
Wilhelm Eduard Wilda in Wikidata
GND-Nummer 117379689
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|42|491|493|Wilda, Wilhelm Eduard|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Wilda, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117379689}}    

Wilda: Wilhelm Eduard W., Dr. jur., Etatsrath und ordentlicher Professor der Rechte, geboren am 17. August 1800 zu Altona, † am 9. August 1856 zu Kiel. Schon im 2. Jahre verlor er seinen Vater, der Seligmann hieß und Chef eines bedeutenden Handlungshauses in Altona und St. Thomas war. Die Wittwe zog nach Hamburg, wo sie zum zweiten Male heirathete. Der Stiefvater Wilda, dessen Namen der Sohn später annahm, rettete diesem den Rest des an sich bedeutenden väterlichen Vermögens, welches durch Veruntreuungen Dritter bedeutend zusammengeschmolzen war, und gab ihm eine sorgfältige Erziehung. Der Knabe, ursprünglich zum Kaufmannsstande bestimmt, zeigte frühzeitig Vorliebe zu gelehrten Studien. Er besuchte deshalb das Johanneum zu Hamburg, bezog im Herbste 1821 die Universität Göttingen, dann Heidelberg, und hörte dort Vorlesungen bei Hugo, Eichhorn, Heeren, Bouterwek; bei Thibaut, Zimmern, Mittermaier, Schlosser u. A. Am 14. März 1825 erwarb er zu Heidelberg summa cum laude den juristischen Doctorgrad, und trat im nämlichen Jahre zum Christenthum über, denn das Judenthum war ihm nach eigenem Zeugniß stets fremd geblieben. Sodann hielt er sich im Sommer dieses Jahres in Kiel und Kopenhagen auf, um unter Leitung der ihm befreundeten Professoren Falck und Kolderup-Rosenvinge Vorkenntnisse zum Studium der scandinavischen Rechte zu sammeln, welcher Aufenthalt für seine spätere wissenschaftliche Thätigkeit von höchster Bedeutung war. Im Herbste 1826 kehrte er nach Hamburg zurück, ward daselbst Bürger, und widmete sich nach längerer Reise durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich der Advocatur, welche ihm jedoch wenig zusagte. 1829 bearbeitete er eine von der Kopenhagener Gesellschaft der Wissenschaften gestellte Preisaufgabe, „über die geschichtliche Erforschung des Gildenwesens“. Die gekrönte Preisschrift ließ er 1831 in Halle unter dem Titel: „Das Gildenwesen im Mittelalter“ drucken. Seit 1830 mit einem Fräulein v. Gerstenberg verheirathet siedelte er, um sich ganz gelehrten Arbeiten zu widmen, nach Halle über, wo er sich 1831 durch die Schrift „De libertate Romana, qua urbes Germaniae ab Imperatoribus sunt exornatae“ als Privatdocent habilitirte, und noch im nämlichen Jahre zum [492] außerordentlichen Professor ernannt wurde. Eine mit Unterstützung der preuß. Regierung 1834 unternommene neue Reise nach Dänemark und Schweden brachte außer einem Aufsatze über die schwedischen Universitäten in Bran’s „Minerva“ die Vervollständigung des Materials zu der großen Arbeit, welche ihn sieben Jahre beschäftigte. Vor deren Abschluß begründete er auf Anregung Reyscher’s mit diesem die „Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft“, deren erstes Heft Mitte Juni 1839 ausgegeben wurde. Reyscher schildert im Nachtrage zu dem von Prof. Planck verfaßten Lebensabrisse Wilda’s eingehend die großen Verdienste, welche sich dieser um das Zustandekommen der Zeitschrift erworben. Wilda’s erster Beitrag „Das Pfändungsrecht“ erschien im 2. Hefte, und legt er im Vorwort seine sinnige Auffassung der Aufgabe deutscher Rechtsforschung nieder. Im J. 1824[WS 1] übergab er endlich das „Strafrecht der Germanen“ als ersten Band der „Geschichte des deutschen Strafrechts“ der Oeffentlichkeit. Das Hauptverdienst dieses bedeutenden Werkes besteht in dem Nachweise des von den Juristen bisher unbeachteten Werthes der nordischen Quellen für das Studium des älteren deutschen Rechtes.

In demselben Jahre wurde er auf Empfehlung Savigny’s und J. Grimm’s unter dem Ministerium Eichhorn an Stelle von Fabricius als ordentl. Professor in Breslau angestellt, wohin er nach 12jähr. Aufenthalte zu Halle im Herbste 1842 zog. Hier las er regelmäßig im Wintersemester Staats- und Lehenrecht, im Sommersemester deutsches Privat- und Naturrecht, wozu nach 1850 noch Encyklopädie, Staats- und Rechtsgeschichte und Völkerrecht kamen. Außerdem war er am Spruchcollegium und als Mitarbeiter an Weiske’s Rechts-Lexikon beschäftigt, für das er eine Reihe gediegener Artikel lieferte. Im September 1846 besuchte er die Germanistenversammlung zu Frankfurt a. M., deren Zustandekommen er wesentlich gefördert hatte, 1847 jene zu Lübeck.

In den Bewegungsjahren 1847 und 48 wurde zwar die wissenschaftliche Thätigkeit etwas in den Hintergrund gedrängt, allein dem Lehrberufe that er auch in dieser unruhigen Zeit keinen Abbruch; er las mit Einschluß der Publica täglich drei Stunden. Seit April 1848 saß er im Vorstande des zu Breslau errichteten constitutionellen Centralvereins, und schrieb von Ostern 1848 bis 49 ein Volksblatt, „Der Landbote“. Eine kräftige Reichsgewalt und einheitliche Gesetzgebung anstrebend trat er den Ausschreitungen der demokratischen Partei in Breslau auf das bestimmteste entgegen. W. wollte sich wieder ausschließend den gelehrten Arbeiten widmen; allein Kopf und Herz waren doch noch von den stets neuen Wendungen der Dinge erfüllt, wenn sie ihm auch nicht gefielen, ihn vielmehr verstimmten. „Die constitutionelle Partei (schreibt er im April 1851) wird mit Haß verfolgt. Es ist so gut als gelungen, sie zu discreditiren; hier, weil sie die eigentlich revolutionäre Partei sei; dort, weil sie nicht gehandelt, d. h. weil sie auf dem Wege ruhiger Umgestaltung hat fortschreiten wollen“; – – und im Januar des folgenden Jahres: „Mein Gemüth ist voll Betrübniß über die Erniedrigung unseres Vaterlandes; doch ich verzweifle nicht; es scheint mir unmöglich, daß die Herrschaft der slavischen Race die der germanischen ablösen oder jene gar die Trägerin einer neuen Cultur werden sollte; der Strom der fortschreitenden Entwicklung hat jetzt einen weiten sich zurückwendenden Bogen gemacht; er wird sich schon wieder nach vorwärts wenden. – – Unsere Bestrebungen können nur einer mehr oder minder fernen Zukunft angehören, das Pflichtgefühl darf uns nicht matt werden lassen; aber der jugendliche Traum ist dahin; ein begeisternder Aufschwung wird für uns nicht wiederkehren. Wann werden wol wieder Versammlungen stattfinden, getragen von dem Geiste, erfüllt von der Hoffnung und Zuversicht wie zu Frankfurt und Lübeck 1846 und 1847?“

[493] Im Herbst 1854 erging an W. ein Ruf nach Kiel an Stelle seines verstorbenen Freundes Falck. Die Sehnsucht nach seiner bejahrten Mutter, nach den dortigen Freunden, die Vorliebe für sein Heimathland Holstein ließen ihn nicht lange schwanken; trotzdem fiel es ihm schwer, das ihm liebgewordene Breslau zu verlassen. Leider war ihm in Kiel eine nur kurze Thätigkeit beschieden. Ein organisches Herzübel, welches eine frühere acute Herzkrankheit zurückgelassen hatte, und wiederholte Krankheitszustände hervorrief, warf ihn im Juli 1856 von neuem auf das Krankenlager, von dem er sich auch dieses Mal zu erholen schien. Allein nach wenigen Tagen heftigen Erkrankens trat unerwartet ein Herzschlag ein, welcher am 9. August seinem Leben plötzlich ein Ende machte.

Wilda’s Tod war ein fühlbarer Verlust für die Rechtswissenschaft, sein gelehrtes Schaffen hatte in den weitesten Kreisen Anerkennung gefunden. Er war Mitglied des thüringisch-sächsischen Vereins für Erforschung des vaterländischen Alterthums in Halle (1831), der kgl. Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen (1832), der schleswig-holstein-lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte (1833), der deutschen Gesellschaft für Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig (1838), des Vereins für hamburgische Geschichte (1841), der kgl. schwedischen und norwegischen Akademie für Litteratur, Geschichte und Alterthum in Stockholm (1842), der Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst in Utrecht (1844), des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde in Jena (1852), des germanischen Museums zu Nürnberg (1854), der Gesellschaft für niederländische Litteratur in Leyden (1855). Sein frühes Hinscheiden wurde nicht allein von der gelehrten Welt beklagt, sondern neben seiner Familie auch von den zahlreichen Freunden, den Collegen und seinen Schülern auf drei Universitäten. Sein früherer geliebter Lehrer Thibaut schrieb 1839 in einem Briefe an Reyscher über W.: „Ich habe ihn stets wegen seines gesunden, klaren Geistes, seines ausgezeichneten Wissens und auch als edlen Menschen hochgeehrt“. – Eine vollständige Aufzählung der Schriften und Abhandlungen Wilda’s findet sich in der Ztschr. f. dtsch. Recht u. Rechtswissenschaft XVI (1856), 445–458.

Lebensskizze von J. W. Planck m. Nachtr. von Reyscher i. d. erwähnten Ztschr. a. a. O. S. 444–463. – Planck’s Lebensskizze ist auch abgedruckt in der „Chronik d. Univers. zu Kiel“, 1857, S. 3–5.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist: 1842