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ADB:Wilhelm (Graf von Jülich)

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Artikel „Wilhelm (IV.), Graf von Jülich“ von Woldemar Harleß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 94–97, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Graf_von_J%C3%BClich)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Wilhelm (IV.), Graf von Jülich, Wilhelm’s III. Sohn und Nachfolger (1219–1278), unzweifelhaft der bedeutendste und zielbewußteste Herrscher seines Hauses im 13. Jahrhunderte, von dem man mit Recht in neuerer Zeit gesagt hat, daß er in rastloser Thätigkeit mit staatsmännischem Geschicke durch Krieg wie Frieden und ohne in der Wahl seiner Mittel irgend wählerisch zu sein, seine Macht zu erweitern verstanden habe. Hierbei in den Erzbischöfen von Köln, besonders in Konrad von Hochstaden (1238–61), Engelbert II. von Valkenburg (1261–1274) und Siegfried von Westerburg (1275 ff.) und in deren Bestrebungen nach Schaffung und Consolidirung eines geschlossenen, den benachbarten Dynasten überlegenen und dieselben in Abhängigkeit erhaltenden Gebietes die größten Hindernisse klar erkennend, suchte er den Plänen dieser politisch hervorragenden Kirchenfürsten nach Möglichkeit entgegenzutreten, auch wenn er sich in kluger Berücksichtigung der Zeitverhältnisse hin und wieder auf ihre Seite stellte. Beim Tode des Vaters wahrscheinlich noch sehr jung – er war schwerlich vor 1210 geboren – und zunächst daher unter der Vormundschaft seiner Oheime von mütterlicher Seite, der Herzöge Walram und Heinrich von Limburg, ward W. vom Pfalzgrafen Otto bei Rhein am 14. Februar 1234 ebenso wie sein Vater mit der Waldgrafschaft nebst der Vogtei und dem Pfalzbezirk zu Zülpich belehnt. Ferner erhielt er als pfälzische Lehnsstücke die Vogteien Breisig, Wesseling bei Bonn, Vilich, Bergheimer Dorf, Paffendorf, Holzweiler, die Vogtei über die Abtei Cornelimünster an der Inde, diejenigen zu Froitzheim und Türnich, und gewann nach und nach eine Reihe größerer und kleinerer Herren, meist am Nieder- und Mittelrhein, als Vasallen. Vorher schon hatte er unter dem 9. December 1227 vom Stifte St. Gereon zu Köln die Vogtei über dessen Frohnhof zu Viersen empfangen und zugleich begonnen, das Ansehen des Hauses durch Zuwendungen an Kirchen und Klöster außerhalb wie innerhalb seines Landes zu erhöhen. Belege hierfür bieten die Bestätigung der Schenkung der Kirchen zu Nideggen und Siersdorf an den deutschen Orden (1225), der Schutzbrief für die Güter des Klosters Ophoven im Jülich’schen (1226), die Ueberweisung des Baugrundes nebst der Pfarrkirche zu Bürvenich und den zugehörigen gräflichen Allodialgütern an das Cistercienser-Nonnenkloster daselbst (im April 1234), die Ueberlassung des Rottzehnten im Walde Asp an die Abtei Brauweiler (im November 1236), die Verleihung des Beholzungsrechtes im Ardennenwalde an das Kloster auf dem Salvatorberge zu Aachen für dessen Hof Schleiden (1237) u. a. m. Zunächst treu zu Kaiser Friedrich II. haltend und Zeuge bei der Privilegienbestätigung desselben für die Kölner vom Mai 1236, gelangte er zufolge Verschreibung Königs Konrad IV. vom 12. Dec. 1246 und zur theilweisen Entschädigung für die zu leistende Hülfe in den Pfandbesitz des Reichsorts Düren. Und auch das Bündniß mit Aachen vom 1. December 1241 zeigt W. auf der Seite Kaisers Friedrich II. Es kam damals zwischen W., den Städten Aachen und Köln und den meisten Dynasten am Niederrhein einer- und Erzbischof Konrad von Köln, der sich bekanntlich gegen Friedrich II. erklärt hatte, andererseits zum offenen Kampfe und zur Gefangennehmung Konrad’s durch W., der Ersteren bis zum Friedensschlusse vom 2. November 1242 auf seinem Schlosse Nideggen festhielt. Kaiserliche Gunstbezeigungen verhinderten den Grafen gleichwol nicht, sobald es sein Interesse erheischte, der siegreich gewordenen [95] Partei Erzbischofs Konrad sich anzuschließen, um von dem Gegenkönige Wilhelm von Holland Bürgschaft für das Erworbene zu erlangen. W. erscheint daher auch als Zeuge in Urkunden desselben Könige Wilhelm’s zwischen 1248 und 1252. So bald Gegner, bald Verbündeter der Stadt Köln, erscheint er immer auf der Wacht gegen die Uebergriffe der Erzbischöfe und bestrebt, wo und wie er kann, namentlich auch durch Theilnahme an Fürstenbündnissen, jene an der Erreichung ihres Zieles zu hindern. Zeitweilige Verständigungen zwischen Erzbischof Konrad und W. in betreff schwebender Streitpunkte und an diese sich anknüpfende Schiedssprüche (vom Mai und October 1253, sowie Februar 1254) waren nicht von Dauer, vielmehr blieben die Reibungen ebenso wie deren Veranlassungen bestehen. In der Fehde, welche zwischen Erzbischof Konrad und Bischof Simon von Paderborn wegen der Befestigung des im Kölnischen Herzogthum Westfalen belegenen Salzkotten durch Letzteren 1255 entstanden war, sehen wir W. im Bunde mit dem Bischofe, wogegen der Jülicher Graf im Vereine mit dem Grafen Adolf IV. von Berg und dessen Bruder Herzog Walram von Limburg unter dem 2. October 1257 dem Erzbischofe Beistand in dem Kriege gegen Köln gelobt. Als am 22. und 27. Mai 1257 König Richard die Privilegien von Aachen und Köln bestätigte, war W. unter den als Zeugen anwesenden Reichsfürsten. Um dieselbe Zeit erfolgte wahrscheinlich auch die Verleihung der Schirmvogtei über Aachen und der Obhut über den Reichsort Sinzig durch den König an W. Als nun nach Konrad’s Tode (29. Sept. 1261) dessen Neffe, der Kölner Dompropst Engelbert von Valkenburg als Engelbert II. den Erzstuhl bestiegen, war es hauptsächlich W., der in den fast ununterbrochenen Kämpfen dieses Erzbischofs wider die Stadt Köln die Interessen der weltlichen Territorialherren und die Rechte der Kölner Bürger vertrat. Gegen W. als die Seele alles Widerstandes gegen seine Pläne richtete sich daher Engelbert’s Rache: nachdem er plötzlich die Jülich’sche Besatzung zu Sinzig überfallen und zur Ergebung gezwungen, durchzog er verwüstend die Grafschaft Jülich, auf diese Weise den zunächst unvorbereiteten Grafen schwer bedrängend. Doch gelang es diesem, mit Hülfe der Grafen von Geldern und Berg, der Kölner und anderer den Erzbischof auf der Haide bei Zülpich am 18. October 1267 zu besiegen und als Gefangenen in seine feste Burg Nideggen zu führen. Um diese Gefangenschaft, welche trotz Bann und Interdict ( – durch Urkunden vom 2. August 1268 und 23. August 1270 wiederholt verhängt und eingeschärft – ) 31/2 Jahr lang währte, hat die Sage ihren Schleier gewoben, indem sie berichtete, der Graf habe seinen Feind in starken Fesseln und stets in einem eisernen Vogelkorb eingeschlossen gehalten. Nur so viel scheint thatsächlich zu sein, daß der Graf seinen Gefangenen nöthigte, die Ritterrüstung, die er in der Schlacht getragen, auch im Gewahrsam zu Nideggen beizubehalten; er soll dem päpstlichem Nuntius erklärt haben, es sei irrig, wenn man glaube, daß er einen Erzbischof gefangen halte; der Nuntius möge nur einmal zusehen, was für einen Vogel er im Käfig habe. Im April 1271 wurde Engelbert II. nach Zahlung eines hohen Lösegeldes aus dem Gefängnisse entlassen. Das Lösegeld benutzte W. zur Vermehrung der Zahl seiner Vasallen, durch Anwerbung u. a. der Edelherren Wirich von Frentz, Gerlach von Isenburg, Ludwig von Neumahr und des Raugrafen Konrad. In den Jahren 1273 und 1274 mehrfach in Urkunden König Rudolf’s von Habsburg als Zeuge auftretend und als Freund der Kölner bei diesem wohl angesehen, empfing W. am 24. November 1273 vom Könige die Schlösser Liedberg, Caster und Worringen als Lehen zurück, die Letzterer gleichzeitig für 3000 Mark vom Grafen erworben hatte. Nach Engelbert’s II. Ableben (20. October 1274) erkannte der Nachfolger desselben, Siegfried von Westerburg in der wachsenden Macht des Jülicher Grafen und besonders auch [96] in dem Besitze der drei vorgenannten Schlösser, welche mit Jülich, Nideggen und Düren gewissermaßen einen Ring um das Erzstift schlossen, die stärksten Anstöße, und obwol es auf seine Veranlassung geschehen war, daß Papst Gregor X. am 13. April 1275 ihn ermächtigte, W. von dem Banne und dessen Land von dem Interdicte loszusprechen, so breitete er doch alsbald durch Bündnisse (mit Aachen, dem Herzoge Walram von Limburg, dem Bischofe Konrad von Osnabrück, dem Herzoge Johann I. von Brabant) den Kampf gegen W. vor. Auch dieser rüstete, indem er zuvörderst die Burggrafen Dietrich von Rheineck, Arnold und Johann von Hammerstein, den Edelherrn Wilhelm von Helpenstein und den Grafen Siegfried von Wittgenstein zu Lehnsmannen anwarb. Nach einem vergeblichen Vermittelungsversuche ward am 17. März 1277 zu Deutz ein großes Bündniß gegen den Erzbischof vereinbart, an dem außer W. und dessen gleichnamigem ältesten Sohne Bischof Simon von Paderborn, Landgraf Heinrich von Hessen, Graf Adolf V. von Berg, die Grafen Godfried von Sayn, Otto von Nassau, Engelbert von der Mark und viele andere rheinische und westfälische Dynasten Theil nahmen. Ein vernichtender Schlag schien Siegfried bevorzustehen. Da ward, nachdem Bischof Simon im Sommer und Graf Engelsbert von der Mark im Herbst 1277 gestorben, auch das Haupt der Verbündeten am Rheine, unser Graf, unerwartet vom Verhängniß ereilt. Das mit Erzbischof Siegfried und dem Herzog von Limburg verbündete Aachen hatte sich vom Herzoge Johann von Brabant bewegen lassen, ihn förmlich als obersten Vogt, wie es seine Vorfahren seit unvordenklicher Zeit gewesen, anzuerkennen, wogegen der Herzog der Stadt seinen Schutz zusicherte. Hierdurch zu raschem Handeln getrieben, drang W. in der Nacht zum 17. März 1278 mit seinem ältesten und zwei unehelichen Söhnen und etwa 400 Rittern in Aachen ein, ward aber, als die Bürger von allen Seiten auf seine Mannen losstürmten, die in der Dunkelheit und in den engen Straßen sich nicht zum Angriffe sammeln konnten und so in ihrer Vereinzelung nach und nach aufgerieben wurden, mit den Söhnen elend erschlagen, angeblich von einem Schmiede oder Metzger. Auf die Kunde hiervon eilte Siegfried nach Köln, um im Dome eine Festmesse, die Messe vom hl. Petrus, anzustimmen: „Nun weiß ich wahrlich, daß der Herr seinen Engel gesendet, der mich befreit hat von dem Rachen des Löwen“, eine Anspielung offenbar auf das Jülich’schen Wappen, das einen Löwen im Felde zeigt. Der Erzbischof, von seinem größten Feinde befreit, eroberte in kurzer Zeit fast dessen ganzes Land, mit Ausnahme allein der Burgen Nideggen und Heimbach, ringsumher alles furchtbar verwüstend. Wilhelm’s zweiter Sohn und Nachfolger Walram vermochte nach mehrjährigen heftigen Kämpfen erst den größeren Theil seines Erbes und den Rest dann infolge der Worringer Schlacht (5. Juni 1288) zurückzugewinnen, nachdem Wilhelm’s Wittwe, Gräfin Rikardis und deren Söhne bereits am 14. October 1279 unter der Vermittelung des Grafen Godfried von Sayn eine vorläufige Sühne mit Siegfried geschlossen hatten, laut deren Jülicher Seits unter anderem auf die Vogtei über Zülpich und das Schloß Liedberg verzichtet wurde. W. war, wie gewöhnlich angenommen wird, zweimal verheirathet, zuerst mit Margaretha von Geldern, Tochter des Gerhard von Geldern und der Margaretha von Brabant und Schwester des Grafen Otto von Geldern, die ihm 1236 verlobt wurde, dann mit Rikardis oder Rikarda vom Limburg. Neuere Forschungen haben indessen sehr wahrscheinlich gemacht, daß die Ehe mit Margaretha nicht zu Stande gekommen ist und der Graf also nur einmal, mit Rikarda, vermählt war, welche letztere Schwester des Grafen Otto und der wol früh gestorbenen Margaretha, sonach eine Gräfin von Geldern gewesen ist. Aus der Ehe mit Rikarda entstammten 4 Söhne und 5 bis 6 Töchter, nämlich 1) Wilhelm, geboren um 1241, † 1278; 2) Walram, Propst zu Aachen, später [97] Graf von Jülich († 1297); 3) Otto, Propst zu Maestricht, später Bischof von Utrecht († um 1293); 4) Gerhard, der dem Bruder Walram als Graf von Jülich succedirte (1297–1328); 5) Mathilde, geboren um 1240, um 1258 vermählt mit dem Ritter Johann, ältesten Sohn des Arnold Grafen von Looz und Chiny; 6) Margaretha, 1262 als Gattin des Grafen Dietrich von Katzenellenbogen erwähnt, seit dem 13. Januar 1276 Wittwe, † am 12. October 1292 ; 7) Rikarda, vor 1265 mit dem Grafen Wilhelm von Salm vermählt; 8) Katharina, als Gattin Johann’s von Aremberg, Burggrafen zu Köln, genannt, lebte 1287 als Wittwe und Vormünderin ihrer kleinen Tochter Mathilde; 9) Peronetta, welche die Gemahlin Ludwig’s von Arnsberg wurde, Sohnes des mit W. befreundeten Grafen Godfried von Arnsberg; Ludwig ist am 2. Mai 1313 gestorben, Peronetta vor dem 6. Januar 1304; 10) eine jüngere Mathilde, die 1287 noch puella heißt und am 2. Mai, wahrscheinlich unvermählt, dem Nekrolog des Kölner Franziskanessenklosters zufolge, gestorben ist. Von den Töchtern ist übrigens die dritte, die vorgenannte Rikarda, einigermaßen zweifelhaft.

Lacomblet, Urkundenbuch f. d. Gesch. des Niederrh. II. – Derselbe, Archiv f. d. Gesch. des Niederrh. III, 50–91. – Quix, cod. diplomat. Aquens. I, Pars 2. – A. v. Haeften, Ueberblick über die niederrh.-westfäl. Territorialgesch. bis zu Anf. des 15. Jahrh., in der Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereins II, 16–19. – H. Leo, Territorien des Deutschen Reiches im 13. Jahrh. I, 987–989. – Friedr. Haagen, Gesch. Aachens I, 189 ff. – W. Graf von Mirbach, Beiträge zur Gesch. der Grafen von Jülich, in der Zeitschr. des Aachener Geschichtsvereins XI, 98–159.