ADB:Wilke, Andreas
Joh. Dinckel (s. A. D. B. IV, 238), W. an seine Stelle. In einer Feier, zu welcher der Prodecanus collegii philosophici Wolfgang Heider zwei Tage vorher durch Anschlag am schwarzen Brette die Commilitonen feierlich eingeladen hatte, nahm er in einem aus 452 eleganten lateinischen Hexametern bestehenden Carmen Abschied von der Universität. Wie sehr er dort in Achtung gestanden hatte, beweist der Umstand, daß Heider, sowie die Professoren Elias Reusner und Zacharias Brendel ihn bei dieser Gelegenheit in lateinischen Gedichten feierten. Am 9. October 1592 hielt W. seine Antrittsrede im Gothaer Gymnasium. Beinahe 39 Jahre war er fortan bemüht, „durch rastloses Fortstudiren, durch sein emsiges Streben, seinen Unterricht fruchtbar zu machen, durch seine strenge und doch liebreiche Aufsicht über das Betragen und den Fleiß seiner Schüler, durch seinen unbescholtenen und würdevollen Wandel und durch den unverdrossenen Eifer, mit dem er sich jeder Mühe und Beschwerde seines Berufs unterzog“, den hohen Ruf jener Anstalt nicht nur zu erhalten, sondern zu erhöhen. Unter ihm wurde die Anzahl der Classen des Gymnasiums vermehrt, das Anstaltsgebäude theilweise erneuert und erweitert, und die Besoldung der Lehrer erhöht. Auf Veranlassung des Herzogs Johann Casimir führte er das Hebräische als Unterrichtsgegenstand ein und arbeitete eine neue Schulordnung aus. Die Anstalt gelangte infolge dessen zu solch außerordentlichem Ansehen, daß W. in einer seiner letzten Schulreden sagen konnte, nachdem er die Verdienste seiner Vorgänger gerühmt hatte: „Für mich mag ganz Thüringen reden und Sachsen, Preußen, Schlesien, Meißen, Böhmen, Oesterreich, Schwaben, Franken, Elsaß und Hessen, denn welche Universität gibt es im ganzen lutherischen Deutschland, von der ich nicht Zeugnisse, auch öffentlich ertheilte Lobsprüche aufweisen könnte!“
Wilke: Andreas W., verdienter Philolog und Schulmann, geboren am 5. Juli 1562 zu Helmershausen in der Grafschaft Henneberg, † zu Gotha am 19. Juni 1631, war der Sohn eines gewissen Hans W. Er besuchte zunächst die Schule seines Heimathsortes, welche ein Wolfgang Kremer leitete. Sodann trat er in die unter dem Rector Ambrosius Stegmann stehende „Gelehrte Schule“ in Meiningen ein, welche er aber im Sommer 1579 mit der lateinischen Schule in Halberstadt unter dem Rector M. Paulus Laurentius und dem Conrector Theophilus Canngießer vertauschte, weil damals Halberstadt als der Zufluchtsort aller mittellosen Schüler galt. Vom October 1583 an studirte er auf der Universität Jena, wo er schon am 14. December 1585 den primus philosophiae gradus erreichte. Unter dem Decanat des Professors Ortholph Foman erlangte er am 22. Juli 1589 die Magisterwürde und hielt nun bis 1592 Privatcollegia ab. Als der Rector des Gothaer Gymnasiums M. Joh. Helder in jenem Jahre zum Superintendenten in Waltershausen ernannt wurde, berief man auf Empfehlung des ehemaligen Rectors, jetzigen Generalsuperintendenten in Coburg,Neben seiner eifrigen Thätigkeit im und für das Gymnasium beschäftigte sich W. auch noch schriftstellerisch. So veröffentlichte er 1597 eine Rede zum Gedächtniß Herzog Johann Friedrich’s des Mittleren und eine Abhandlung über die Frage: „Quando utiliter adolescentes et possint et debeant in Academias transmitti?“ Im J. 1603 erschien „Epistola de Anagrammatismis“ und im Jahre darauf: „Feriae Caniculares in Gothano Gymnasio, hoc est, Plautinae Epidici Philologica recensio“. Ferner veröffentlichte er 1613 ein Buch: „Miseriarum vitae humanae speculum“, während ein Werk Wilke’s: „Festa christianorum ex poetis qua veteribus, qua recentibus celebrata“ erst 1676 von dem Rector [235] Georg Heß, dem Gatten seiner Enkelin herausgegeben wurde, der bereits 1657 unter dem Titel: „Suada Gothana Latialis“ Wilke’s Schulreden, eine Hauptquelle der Geschichte des Gothaer Gymnasiums, hatte drucken lassen. Mit einer großen Zahl der angesehensten Gelehrten seiner Zeit stand W. in regem Briefwechsel, dies beweisen drei Foliobände der Gothaer Gymnasialbibliothek, welche an ihn gerichtete Briefe enthalten.
Von den äußeren Lebensumständen Wilke’s ist noch zu berichten, daß er sich am 28. October 1592 mit Sabina Ferber aus Ohrdruf vermählte. Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder, 6 Söhne und 3 Töchter hervor. Von allen seinen Nachkommen überlebten W. jedoch nur eine Tochter, Sabina, vermählt mit dem gothaischen Arzte Dr. Joh. Volk, und ein Enkel und eine Enkelin, Kinder seiner Tochter Anna, der Gattin des Jenaer Professors Dr. Michael Wolf. Im Februar 1612 erhielt W. einen Ruf, das Rectorat der Stadtschule in Mühlhausen i. Thüringen zu übernehmen, den er jedoch ablehnte. Der Abend seines Lebens ward ihm durch ein Augenleiden und heftige Gichtanfälle sehr getrübt. Man sah sich deshalb genöthigt, zu seiner Unterstützung einen Conrector in der Person seines ehemaligen Schülers Joh. Weitz anzustellen. Als W. gemeinsam mit diesem am ersten Pfingstfeiertage 1631 die Schüler des Gymnasiums nach der St. Margaretenkirche geleiten wollte, überfiel ihn unterwegs eine plötzliche Schwäche, so daß er sich in das Haus seines Schwiegersohnes bringen lassen mußte, worauf er wenige Wochen später an einem Schlagflusse verschied. Ein Bild Wilke’s mit der Umschrift M. Andreas Wilckius, Philosoph. Philologus, Orator ac Gymnasiarcha Gothanus ad Annos XXXIX celeberrim., das uns ihn als einen stattlichen intelligent aussehenden Mann darstellt, findet sich in der Suada Gothana Latialis. Frankofurti 1657.
- Vgl. Oratio Funebris in obitum Viri Clarissimi Dn. M. Andreae Wilki. Jenae 1639. – Clarmundus, Vitae clariss. ex re litteraria virorum V (1706), p. 252–255. – Sagittarius, Histor. Gothana, p. 204–206. – Tenzel, Supplement. III praef. – Rudolphi, Gotha Diplomatica III, p. 116. – Ludovici, Historia Rectorum I, p. 22. – Jöcher (falsche Angabe des Todesjahres). – Galletti, Geschichte des Herzogthums Gotha II, 275. – Gelbke, Kirchen- und Schulverfassung d. Herzogthums Gotha I, 93. – Beck, Geschichte des Gothaischen Landes II, 514. – Beck, Ernst der Fromme II, 78 (falscher Todestag). – Witte, Diarium biographicum II, 36. – Schulze, Geschichte des Gymnasiums zu Gotha. Gotha 1824, S. 60 ff. – Eckstein, Nomenclator philologorum, p. 618. – M. Schneider, Das Cänobium beim Gymnasium Illustre. Gothaer Gymn.-Programm 1895, S. 39. – Derselbe, Die Gelehrtenbriefe der Gothaer Gymnasialbibliothek aus dem XVI. u. XVII. Jahrh. Goth. Gymn.-Programm 1897, S. 2.