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ADB:Zell, Karl

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Artikel „Zell, Karl“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 15–17, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zell,_Karl&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:26 Uhr UTC)
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Zell: Karl Z., Philologe und Archäologe, Professor und Oberstudienrath, geboren in Mannheim am 8. April 1793, † in Freiburg am 21. Januar 1873. Nach erhaltener Vorbildung auf dem Lyceum in Mannheim studirte Z. auf Nüßlin’s (s. A. D. B. XXIV, 64) Rath Philologie in Heidelberg, wo Böckh und Creuzer seine Lehrer waren, in Göttingen und Breslau von 1810–14 und begann seine praktische Lehrthätigkeit 1814 an dem Lyceum in Rastatt. 1821 wurde er als Professor der Philologie an die Universität Freiburg berufen, auf den Lehrstuhl, der seit Jacobi’s Tode (1812) nicht wieder besetzt worden war. Die Schwierigkeiten, die sich dem jungen Professor in den Weg stellten, überwand rasch seine unbestreitbare hervorragende Tüchtigkeit und das feste und klare Hervortreten seiner durch Charakterstärke imponirenden, durch Liebenswürdigkeit gewinnenden Persönlichkeit. Von durchschlagender Bedeutung für seine Stellung an der Hochschule war die Gründung eines philologischen Seminars und sein von Erfolg gekröntes Bemühen für Errichtung eines zweiten Lehrstuhles der Philologie, auf welchen Anton Baumstark berufen wurde. Wie das Vertrauen und die Zuneigung seiner Zuhörer genoß Z. die Achtung seiner Collegen, die sich in der Uebertragung der akademischen Würden und Aemter (des Decans und Mitgliedes der Wirthschaftsdeputation, des Prorectors, des Oberbibliothekars) und in der Wahl zum Vertreter der Universität in der badischen Ersten Kammer von 1831–35 zeigte. In dieser Eigenschaft trat er schon 1831 in einer Motion [16] (der Form, in welcher die Initiative der Kammer damals ihren Ausdruck fand) für eine gründliche Reform des höheren Schulwesens ein. Hauptsächlich der überzeugenden Kraft seiner Ausführungen und Vorschläge war zu verdanken, daß, allerdings erst im J. 1836, ein neuer Lehrplan eingeführt und eine Oberbehörde für Ueberwachung und Förderung des gelehrten Unterrichts eingeführt wurde. Als Mitglied dieser Behörde – des Oberstudienrathes –, in welche er mit dem Titel Ministerialrath berufen wurde, übte Z. den maßgebenden Einfluß bei Ausgestaltung des neuen Unterrichtssystems. Als auswärtiges Mitglied gehörte er dem Oberstudienrathe auch ferner an, nachdem er 1846 als Professor der Archäologie in Heidelberg die akademische Lehrthätigteit wieder aufgenommen hatte. Seine Vorlesungen erstreckten sich auf fast alle Gebiete der Philologie. Neben den Pflichten des Lehramts und einer ausgedehnten litterarischen Wirksamkeit war er auch jetzt wieder von 1848–53 als Abgeordneter der badischen Zweiten Kammer im öffentlichen Leben thätig, bis er 1855 in den Ruhestand trat und seinen Wohnsitz nach Freiburg verlegte.

Ein Gelehrter von gründlichem und ausgebreitetem Wissen, geistreich und geschmackvoll in der Darstellung, einer edeln Popularisirung der Ergebnisse seiner Studien zuneigend und dafür besonders geeignet, im mündlichen Vortrage sowol auf dem akademischen Katheder als auch da, wo er zu weiteren Kreisen Gebildeter sprach, anziehend und fesselnd, übte er einen nachhaltigen Einfluß auf die Studirenden wie auf andere Zuhörer aus. Die Humanität seines Wesens, bei der, wie einer seiner Schüler sagt, „die abgeleitete Bedeutung des Wortes Humanist mit der Grundbedeutung sich in seltener Weise deckte“, die vornehme Ruhe und Gemessenheit seines Auftretens, die große Herzensgüte, die ihn auszeichnete, gewannen ihm viele Freunde und Verehrer. Ein streng gläubiger Katholik, trat er seit 1848, als durch die Denkschrift der deutschen Bischöfe die Forderungen der katholischen Kirche gegenüber der Staatsgewalt im Sinne voller Freiheit und Selbständigkeit der Kirche präcisirt wurden, zunächst in der Zweiten Kammer, im weiteren Verlaufe des in Baden mit besonderer Schärfe aufgetretenen Conflictes zwischen Kirche und Staat auch in Versammlungen und in seinem schriftstellerischen Wirken offen und entschieden für die katholische Sache ein. Wie sehr man ihn in den hier in Betracht kommenden Kreisen schätzte, beweist seine Wahl zum Präsidenten der Versammlungen der katholischen Vereine zu Münster (1852) und zu Wien (1853). Die Feinheit seiner Bildung und die ihm angeborene Mäßigung hielt ihn in seiner, wenngleich sehr entschiedenen Polemik von einer Richtung fern, die in diesen Parteikämpfen oft in nicht nur scharfer, sondern auch derber Weise hervorgetreten ist. Das Gleichmaß seiner Veranlagung und Ausbildung bewahrte ihn vor dem Fanatismus, in welchen Parteiführer nicht selten verfallen. Doch verschärfte und verdichtete sich mit zunehmendem Alter und der allmählichen Abwendung von dem Verkehre mit Andersgesinnten die Einseitigkeit seiner Stellungnahme in den seit 1860 in Baden von neuem entbrannten kirchenpolitischen Kämpfen. Bis in seine letzten Lebenstage in voller Rüstigkeit des Körpers und Geistes stand er unentwegt auf der Warte, von der aus er seine Parteigenossen zum Festhalten an seinem Standpunkte anfeuerte. Diesen nahm er mit der unbeugsamen Ueberzeugung ein, welche er als den bleibenden Gewinn eines langen und wohlangewandten Lebens betrachtete.

Schriften. a) philologische: zahlreiche Aristotelica: Observationes criticae de Aristot.; Ethica Nicom. in Creuzeri Meletemata critica (1817); Ethica Nicomachea (1820); Uebersetzung des Organon (1834); neue Ausgabe der Poetik, übersetzt von Walz (1859); Artikel über Aristoteles u. a. in Pauly’s Realencyklopädie; eine deutsche Bearbeitung der Schrift De anima und ein Aufsatz über das Verhältniß der aristotelischen Philosophie zur Religion im Mainzer [17] „Katholiken“ von 1863, 1868 u. a., die Herausgabe lateinischer Autoren, des Horatius. Phädrus, Eutropius u. a. 1826 und viele (meist lateinisch geschriebene) Gelegenheitsschriften (opuscula academica) und Recensionen. b) litteratur-geschichtliche und historische: Arbeiten über Calderon und Shakespeare in den „Historisch-politischen Blättern“ (1861 u. 1864), Badens Fürstentöchter (1842), Bilder aus der Gegenwart (1855), Lioba (1860), Markgraf Jakob von Baden, Französisches Unterrichtswesen, Napoleon III. und die katholische Kirche in Frankreich in den „Histor.-polit. Blättern“ (1856–64), Gerhard II., Bischof von Konstanz in Bd. I, und Rudolf von Zähringen in Bd. VII des Freiburger Diöcesanarchivs. c) polemische (neben vielen ephemeren Veröffentlichungen) die Streitschriften gegen L. Häusser anläßlich der Durlacher Conferenz und des Schulgesetzes, „Stimmen der Wahrheit“, „Die Klosterfrage in Freiburg“, „Die moderne Volksschule“, „Die Staatsregie des öffentlichen Unterrichts“, „Commentatio de latinitate ecclesiastica“, „Sendschreiben eines Ultramontanen an einen Freidenker zur Rechtfertigung des Ultramontanismus“ u. a. m.

Badische Biographien II, 534 ff. (von F. L. Dammert).