Abzug des Zwergvolks über die Brücke

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Abzug des Zwergvolks über die Brücke
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 1, S. 227 - 228
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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Bearbeitungsstand
fertig
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[227]
152.
Der Abzug des Zwergvolks über die Brücke.
Otmar’s Volkssagen.

Die kleinen Höhlen in den Felsen, welche man auf der Südseite des Harzes, sonderlich in einigen Gegenden der Grafschaft Hohenstein findet, und die größtentheils so niedrig sind, daß erwachsene Menschen nur hineinkriechen können, theils aber einen räumigen Aufenthaltsort für größere Gesellschaften darbieten, waren einst von Zwergen bewohnt und heißen nach ihnen noch jetzt Zwerglöcher. Zwischen Walkenried und Neuhof in der Grafschaft Hohenstein hatten einst die Zwerge zwei Königreiche. Ein Bewohner jener Gegend merkte einmal, daß seine Feldfrüchte alle Nächte beraubt wurden, ohne daß er den Thäter entdecken konnte. Endlich ging er auf den Rath einer weisen Frau bei einbrechender Nacht an seinem Erbsenfelde auf und ab und schlug mit einem dünnen Stabe über dasselbe in die bloße Luft hinein. Es dauerte nicht lange, so standen einige Zwerge leibhaftig vor ihm. Er hatte ihnen die unsichtbar machenden Nebelkappen abgeschlagen. Zitternd fielen die Zwerge vor ihm nieder und [228] bekannten: daß ihr Volk es sey, welches die Felder der Landesbewohner beraubte, wozu aber die äußerste Noth sie zwänge. Die Nachricht von den eingefangenen Zwergen brachte die ganze Gegend in Bewegung. Das Zwergvolk sandte endlich Abgeordnete und bot Lösung für sich und die gefangenen Brüder, und wollte dann auf immer das Land verlassen. Doch die Art des Abzuges erregte neuen Streit. Die Landeseinwohner wollten die Zwerge nicht mit ihren gesammelten und versteckten Schätzen abziehen lassen und das Zwergvolk wollte bei seinem Abzuge nicht gesehen seyn. Endlich kam man dahin überein, daß die Zwerge über eine schmale Brücke bei Neuhof ziehen, und daß jeder von ihnen in ein dorthin gestelltes Gefäß einen bestimmten Theil seines Vermögens, als Abzugszoll werfen sollte, ohne daß einer der Landesbewohner zugegen wäre. Dies geschah. Doch einige Neugierige hatten sich unter die Brücke gesteckt, um den Zug der Zwerge wenigstens zu hören. Und so hörten sie denn viele Stunden lang das Getrappel der kleinen Menschen; es war ihnen als wenn eine sehr große Heerde Schaafe über die Brücke ging. – Seit dieser letzten großen Auswanderung des Zwergvolks lassen sich nur selten einzelne Zwerge sehen. Doch zu den Zeiten der Elterväter stahlen zuweilen einige in den Berghöhlen zurückgebliebene aus den Häusern der Landesbewohner kleine kaum geborene Kinder, die sie mit Wechselbälgen vertauschten.